In der Ratsversammlung am 15. November wird auch erstmals ein Antrag behandelt, den der Seniorenbeirat der Stadt formuliert hat. Der zeigt sich höchst besorgt über den Vandalismus auf dem Alten Johannisfriedhof hinter dem Grassi-Museum, der seit 1995 als museale Grabanlage geöffnet ist und einer der Orte, an denen Leipziger Stadtgeschichte namhaft besichtigt werden kann. Tut die Stadt nicht genug zum Erhalt des Kleinods?

Zumindest die Mitglieder des Seniorenbeirats haben den Eindruck, dass es wohl am nötigen Geld fehlt, um die immer neuen sichtbaren Schäden zu beheben: „Der Alte Johannisfriedhof ist stadtgeschichtlich von höchster Bedeutung. Hier ruhen viele bekannte Persönlichkeiten der Leipziger Geschichte. Auch überregional findet der Friedhof Beachtung. Touristen aus dem In- und Ausland besuchen den Friedhof. Sowohl gärtnerisch als auch aus denkmalhistorischer Sicht ist der Friedhof in einem äußerst schlechten Zustand. Es findet ein ständiger Verfall statt. Um diesen abzuwenden, ist dringend eine Restaurierung erforderlich. Zudem sind die Abteilungswände durchnässt, wodurch die wertvollen Epitaphien gefährdet sind. Es gibt des Öfteren Vandalismus und Zerstörung von historischen Grabplatten. Auch gibt es keine Tafeln in der näheren Umgebung, die auf den Friedhof hinweisen“, monieren die Beiratsmitglieder. Und finden: „Dieser Zustand soll beendet werden, damit dieser wertvolle Schatz Leipziger Geschichte erhalten bleibt. Eine erste Spende für diesen Zweck (fünfstellig) an die Stadt Leipzig erfolgte bereits.“

Von 1536 bis 1883 wurde der Alte Johannisfriedhof als wichtigster Begräbnisplatz der Stadt genutzt.

Der Seniorenbeirat erzählt in seiner Vorlage auch noch einmal die große Vorgeschichte des Ortes:

„Die älteste kommunale Begräbnisstelle Leipzigs wurde im Jahre 1536 vom Herzog Georg zum allgemeinen Begräbnisplatz der Stadt bestimmt. (…) Zwischen 1536 und 1846 war der Johannisfriedhof die alleinige Begräbnisstätte der Stadt. Dadurch sind sehr viele prominente Persönlichkeiten der Stadt hier begraben. Der Dichter Christian Fürchtegott Gellert und der Thomaskantor Johann Sebastian Bach wurden hier ursprünglich bestattet. Der Zeichenlehrer J. W. Goethes, Direktor der Zeichenakademie Adam Friedrich Oeser oder dessen Tochter Friederike, der Kunstsammler Gottfried Winckler, der Bildungsbürger Friedrich Rochlitz, die Verlegerfamilie Breitkopf, die Kupferstecher Bause und Stock, der Prediger Zollikofer, Richard Wagners Mutter und seine Schwester Rosalie, die Liste der hier ruhenden prominenten Toten Leipzigs ist unendlich lang und zeugt davon, wie viel Kulturgeschichte sich in den über sechs Jahrhunderten an diesem Orte angesiedelt hat. 1850 wurden die Sektionen 1 und 2 um die Kirche säkularisiert und zum heutigen Johannisplatz umgebaut. Bis zur letzten Beerdigung 1883 wurde der Friedhof systematisch gen Osten erweitert.“

Später freilich wurde der Friedhof wirklich vernachlässigt und erlitt durch Verfall und Vandalismus unersetzliche Verluste.

„1981 wurde der Friedhof wegen der beginnenden Sanierungsarbeiten für die Öffentlichkeit geschlossen. Danach erfolgte ein fortschreitender Verfall. Nach der Säkularisation des Neuen Johannisfriedhofs wählten Denkmalpfleger etwa 120 Einzelobjekte mit stadt- und kunstgeschichtlicher Bedeutung aus, welche auf dem Alten Johannisfriedhof ausgestellt werden sollten. Bereits beim unsachgemäßen Transport kam es zu erheblichen Schäden. Der überwiegende Teil der Grabmale lagerte schließlich 23 Jahre lang unter freiem Himmel. Durch Diebstahl und Vandalismus waren weitere Verluste zu beklagen. Im Jahr 1991 waren noch 58 Grabmale vorhanden, konnten saniert und im südöstlichen Teil des Alten Johannisfriedhofs entlang der Prager Straße aufgestellt werden. Der denkmalgeschützte Alte Johannisfriedhof wurde als museale Parkanlage am 21. Juni 1995 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.“

Enthüllung des Grabsteins für Richard Wagners Vater Carl Friedrich Wilhelm Wagner 2013 auf dem Alten Johannisfriedhof durch den Richard-Wagner-Verband Leipzig. Foto: Ralf Julke
Enthüllung des Grabsteins für Richard Wagners Vater Carl Friedrich Wilhelm Wagner 2013 auf dem Alten Johannisfriedhof durch den Richard-Wagner-Verband Leipzig. Foto: Ralf Julke

Und seitdem lädt er natürlich ein, sich hier auch einmal vom Lärm der Stadt zu erholen und sich zu vergewissern, dass es die Berühmtheiten, von denen immer geredet wird, tatsächlich gegeben hat: Käthchen Schönkopf genauso wie die bedeutenden Leipziger Kaufmanns-, Handels- oder Bankiersfamilien Frege, Dufour, Apel, Harkort und Grassi, den Mitbegründer der Schrebergartenbewegung Ernst Innocenz Hauschild, Mutter und Schwester Richard Wagners Johanna Rosina Wagner und Johanna Rosalie Marbach, geb. Wagner, die Teilnehmer an der Völkerschlacht von 1813 John Motherby, Karl Friedrich Friccius und Abraham Philipp Rudolph von Goerne oder die Direktoren der Leipziger Ratsfreischule Johann Christian Dolz und Karl Gottlieb Plato.

So ganz ohne Hinweisschilder ist er nicht: Auf der Umrandungsmauer des Johannisplatzes zeigen seit diesem Jahr drei Bronzetafeln, welche Ausdehnung der Friedhof einmal hatte, denn tatsächlich umfasste er auch den Johannisplatz und die dortigen Gräber Johann Sebastian Bach (und wohl auch Anna Amalias) und der Gellertbrüder.

Aber die Abgeschiedenheit des Friedhofs scheint eben doch auch immer wieder Vandalen anzulocken.

Da kann man gespannt sein, welche Lösung die Verwaltung für das Problem vorschlägt.

Die Antragspunkte des Seniorenbeirats:

„Die Stadt bekennt sich zur Erhaltung der wertvollen Denkmalsubstanz des historischen Johannisfriedhofs. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Konzept zum Erhalt und zur Pflege der Denkmale des Johannisfriedhofs zu erarbeiten (Termin: 2. Quartal 2018). Das Konzept enthält die Bereitstellung der erforderlichen Mittel für die grundhafte gärtnerische und denkmalpflegerische Sanierung der noch erhaltenen drei Abteilungen des historischen Friedhofs.
Ab dem Haushaltsjahr 2019 erfolgt die Aufnahme der erforderlichen Mittel für die kontinuierliche Unterhaltung der gesamten musealen Parkanlage in den Haushaltsplan der Stadt Leipzig.“

Der Antrag des Seniorenbeirats zum Alten Johannisfriedhof.

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