Im Mai berichteten wir über ein mehr als fragwürdiges Bauprojekt in Böhlitz-Ehrenberg, bei dem die Firma Reinbau sechs Häuser direkt an den Rand der Leipziger Burgaue bauen lässt. Fünf dieser Häuser stehen mittlerweile, direkt bis an den Steilhang der Alten Luppe gebaut. Und was Anwohnerin Jana Viecenz befürchtet hat, ist längst eingetreten: Die Böschung kommt ins Rutschen und der Sachsenforst musste zur Notfällung anrücken.

Und bevor diese Geschichte jetzt gleich zu lang wird, hier einfach ein paar Fakten, die auch das Versagen der Ämter beschreiben. Denn dass sie nicht wussten, was da passieren könnte, das können Leipzigs Behörden nicht behaupten.

Zwar müssen wir uns ein bisschen korrigieren: Das Baugebiet am Forstweg in Böhlitz-Ehrenberg grenzt nicht ganz direkt ans FFH-Gebiet Leipziger Auenwald. Das sind die beiden grünen und gelblichgrünen Linien im beigegebenen Kartenausschnitt. Die Karte stellt der Freistaat Sachsen bereit, wo man alle Schutzgebiete maßstabsgetreu in den interaktiven Kartenvarianten abrufen kann. Die Linien verlaufen ungefähr 20 bis 30 Meter nördlich der Alten Luppe.

Kartenausschnitt vom Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auenwald. Karte: Freistaat Sachsen, LfULG
Kartenausschnitt vom Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auenwald. Karte: Freistaat Sachsen, LfULG

Die Alte Luppe begrenzt südlich das Gebiet der Burgaue und gehört zu den alten Wasserläufen, die einst die Burgaue bewässerten. Seit die Burgaue freilich abgedeicht ist, bekommt auch die Alte Luppe kein fließendes Wasser mehr. Das Wasser, das darin freilich in den letzten Jahren anstieg, ist Grundwasser. Der gesamte Grundwasserpegel in der Burgaue ist derart angestiegen.

Ist die Frage: Gehört die Alte Luppe also zum Schutzgebiet oder nicht?

Die Antwort lautet: Ja.

Das sieht man an der gelb unterlegten Fläche innerhalb derer die Alte Luppe als dünner (sehr blasser) blauer Strich zu sehen ist. Die Alte Luppe erscheint hier viel dünner, als sie in Wirklichkeit ist. Aber die Karte ist eindeutig: Das Landschaftsschutzgebiet (LSG) Leipziger Auenwald ist deutlich größer als die FFH-Gebiete (die in diesem Fall insbesondere Vogelschutzgebiet sind) und es ragt südlich um ungefähr zehn Meter über den Verlauf der Alten Luppe hinaus.

Die Ausdehnung dieses Gebietes ist übrigens noch heute mit Grenzpunkten markiert. Leipzigs Verwaltung weiß also sehr genau, wo die Grenze des Landschaftsschutzgebietes verläuft – und dass sie für Bauplanungen auf diesem Gebiet nie und nimmer eine Genehmigung hätte geben dürfen.

Denn – so steht es im Bundesnaturschutzgesetz: „Erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind vom Verursacher vorrangig zu vermeiden.“

Als 2011 und 2013 das Nahleauslassbauwerk geöffnet wurde, überschwemmten die Wassermassen das gesamte Gebiet – auch die Alte Luppe. Deren Ufer sind nie befestigt worden. Was auch die Bauleute zu spüren bekamen, als sie mit schwerem Baugerät erst die Bäume auf dem Uferstreifen entfernten – 57 Stück an der Zahl, und dann auch noch begannen, für die neuen Grundstücke Erde aufzufahren.

Das war der Zeitpunkt, als die Ufer der Alten Luppe zu rutschen begannen, die vorher schon nicht stabil waren. Das ganze Gelände besteht aus Schwemmland. Wenn in Böhlitz-Ehrenberg ein stärkerer Regen fällt, rauschen hier die Wassermassen den Hang hinunter. Oder rauschten. Denn jetzt stehen die fünf neu gebauten Häuser schon im Weg.

Sicherheitsfällungen ins Rutschen gekommener Bäume an der Uferböschung der Alten Luppe. Foto: Ralf Julke
Sicherheitsfällungen ins Rutschen gekommener Bäume an der Uferböschung der Alten Luppe. Foto: Ralf Julke

Die neuen Hausbesitzer werden sich freuen.

Wenn sie sich noch freuen können, denn ihre Grundstücke sind jetzt bis direkt an das Hochufer der Alten Luppe gebaut. Die Forstleute von Sachsenforst, die zur Sicherheitsfällung der zunehmend abkippenden Bäume anrückten, weigerten sich, auch noch weiter auf gefährliches Terrain vorzudringen. Und das alles in einem trockenen Sommer, der diese Baustelle direkt auf schwimmendem Grund sogar noch verschonte.

Natürlich ist mittlerweile noch mehr passiert. Mittlerweile waren reihenweise Verantwortliche von Stadt und Land vor Ort. Selbst bei Sachsenforst, dem das ganze Waldstück bis zum nächsten Waldweg gehört, war man verblüfft, dass es die Stadt nicht einmal für nötig hielt, die freistaatliche Forstbehörde anzufragen. Stattdessen wurde selbst vor Gericht die Leipziger Forstbehörde als zuständig angegeben.

Bei Gericht ging eh einiges drunter und drüber.

Dazu kommen wir noch.

Häuslebau direkt an der Burgaue und ein fehlendes Gesamtkonzept für das Leipziger Auensystem

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