„Leipziger Auwald kommt an den Tropf“ titelte die LVZ am 8. September. Und beschrieb den Zustand des Leipziger Auenwaldes damit wohl unbeabsichtigt sehr genau: Der Auenwald ist sterbenskrank. Seit 90 Jahren fehlt ihm das Wasser. Und was im Projekt „Lebendige Luppe“ derzeit an Varianten untersucht wird, um doch wieder mehr Wasser in die Burgaue zu bekommen, ähnelt wirklich einem Tropf. Von einer Wiedervernässung der Aue, wie die LVZ schrieb, kann keine Rede sein.

Dazu sind die Wassermengen, die man hofft, überhaupt bekommen zu können, viel zu gering. Auf zwei Wegen versucht man, irgendwie mehr Wasser in die Burgaue zu bekommen, um ein neues „Flüsschen“ zu erzeugen. Beide über eine Solanhebung der Kleinen Luppe. Zum einen soll dadurch mehr Wasser in den Burgauenbach abfließen. Von dort soll das Wasser „das Wäldchen ‚Wilder Mann‘, das Leutzscher Holz sowie unter der Gustav-Esche-Straße hindurch Richtung Burgauenbach in den Auwald fließen“, schrieb die LVZ und zitierte den Projektleiter des Projekts „Lebendige Luppe“, Jens Riedel, mit den Worten: „Es gibt kein anderes Vorhaben in dieser Größenordnung zur Auen-Revitalisierung im urbanen Raum in Deutschland.“

Eigentlich müsste er es besser wissen. Die meisten deutschen Auen-Revitalisierungsprogramme sind größer. Schon deshalb, weil sie die Flussauen öffnen und nicht – wie in Leipzig – einen derart seltsamen Eiertanz ums Wasser aufführen. Ein mit mehr Wasser versorgter Burgauenbach hat mit einer Auenrevitalisierung nichts zu tun. Ganz abgesehen davon, dass dieser Bach in einem großen Teil seines Verlaufs ein künstlich eingedeichtes Gewässer ist, gebaut in den Jahren 1998/1999. Und dazu kommt: Die Wassermengen sind begrenzt. Und zwar radikal, denn mehrfach fließt der Bach durch Düker, also Röhren, die unter der Eisenbahnstrecke Wahren-Leutzsch und unter der Gustav-Esche-Straße hindurchfließen. Die Wassermengen sind also begrenzt.

Taucht auch hinter der Gustav-Esche-Straße aus einem Düker auf: der Burgauenbach. Foto: Ralf Julke
Taucht auch hinter der Gustav-Esche-Straße aus einem Düker auf: der Burgauenbach. Foto: Ralf Julke

Deswegen wurde im letzten Jahr die Idee geboren, einen weiteren Kanal parallel zur Nahle fließen zu lassen, um so weiteres Wasser aus der Kleinen Luppe in die Burgaue zu transportieren

Aber für so einen Seitenkanal hätte man die geplante neue Eisenbahnbrücke über die Nahle anders projektieren müssen.

Danach haben wir die städtischen Planer gefragt.

Die gewählte Variante ermöglicht auch keinen zusätzlichen Wasserzufluss aus der Kleinen Luppe unter der Nahlebrücke. Wie will die Stadt jetzt überhaupt noch Wasser in die Burgaue bekommen?

Hier gilt es, im weiteren Planungsprozess des Projektes „Lebendige Luppe“ im Amt für Stadtgrün und Gewässer nach Lösungen zu suchen. Die bisherigen Planansätze sind noch nicht so belastbar, dass es sinnvoll wäre, dass DB-Vorhaben aufzuhalten.

Ist die Stadt bereit, ihre Haltung zu korrigieren und mit der Bahn gemeinsam eine Brückenvariante zu finden, die wirklich zukunftsfähig ist? Wenn nein: Warum nicht? Welche Gründe sprechen dagegen?

Die Stadt Leipzig hat sich seit 2014 intensiv mit der Deutschen Bahn zu diesem Vorhaben abgestimmt. Dabei galt es nicht nur die Bauweisen der neuen Brücken zu betrachten, sondern auch die Eingriffe in den Auwald, die Lage der Baustraßen, Verbesserungen für den Radverkehr und viele weitere Details abzustimmen. Sicherlich ist es bedauerlich, dass mit der planfestgestellten Lösung an der EÜ Nahle die Idee der Sohlanhebung des Gewässers zukünftig nicht einfach umsetzbar ist.

Aber auch dieser Sachverhalt wurde aktuell nochmals aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet, sodass man sicher sein kann, dass die Belange der Stadt Leipzig soweit sinnvoll berücksichtigt sind und letztendlich einer sehr qualifizierten Gesamtabwägung unterzogen wurden. Mit dem Bau der Maßnahme wird noch in diesem Jahr begonnen. Insofern wird es zu einer Realisierung der nun planfestgestellten Brücken kommen.

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Natürlich ist auch die Prüfung eines weiteren Auslasses am Deich an der Burgaue in Prüfung. Aber auch das nur in einer Dimension, die einen Bach in der Burgaue bespannt. Nicht mehr. Mit einer Revitalisierung der Burgaue hat das alles nicht wirklich etwas zu tun. Was Leipzigs Stadtverwaltung übrigens weiß. Denn nicht die „Lebendige Luppe“ ist das eigentliche Zukunftsprojekt, sondern die Rückverlegung der Deiche. Was das Amt für Stadtgrün und Gewässer beim 2. Auengespräch 2016 genau so auch thematisierte. „Die Voraussetzungen für Deichrückbau und -verlegungen sind geschaffen!“ hieß es unter „Perspektive 2050“.

Eine kleine Auswahl deutscher Renaturierungsprojekte.

Renaturierungsprojekt Havel.

Isar-Renaturierung.

Renaturierung der Ems.

Was natürlich die Frage aufwirft: Warum werden da, wo wirklich nur der Auenwald vom Wasser abgeschnitten wird (wie im Möckernschen Winkel und in der Burgaue) die Deiche nicht jetzt schon rückgebaut? Worauf wartet Leipzigs Verwaltung eigentlich? Was will sie bis 2050 an „Voraussetzungen“ schaffen, um endlich die Aue zu revitalisieren?

Und Revitalisieren heißt eben nicht, einen künstlichen Wasserlauf wie den Burgauenbach zu bespannen, sondern die alte Aue mit allen ihren alten Wasserläufen, die heute trockenliegen, dauerhaft wieder ans Gewässersystem anzuschließen und die natürlichen Hochwasser auch ganz natürlich durchfließen zu lassen. Mit höchster Wahrscheinlichkeit fließt das Wasser dann wieder in seinen alten Betten, die heute allesamt noch in der Burgaue zu sehen sind. Es bildet natürliche Flussläufe mit Ufern und Inseln und einem Baumbewuchs, der tatsächlich auentypisch ist. Nicht das, was Leipzigs Abteilung Stadtforsten jetzt in der Burgaue versucht zu implementieren, indem es die alten Auenbäume fällt.

Stadt antwortet auf Fragen zu neuen Eisenbahnbrücken

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