Nichts Genaues erfuhr man nicht, auch nicht, nachdem Leipzigs Verwaltung am 15. November 2016 gemeldet hatte: „Der Schlobachshof, ehemaliger Reiterhof im Norden Leipzigs, wechselt in das Eigentum der Stadt Leipzig. Für 1,06 Millionen Euro wurde das 14 Hektar große Areal vom Liegenschaftsamt bei einem zweiten Termin im Amtsgericht ersteigert.“

Anfang 2017 wollte die Stadt das Gelände übernehmen und zunächst eine umfassende Bestandsaufnahme machen.

„Es muss geprüft werden, welche Nutzungen für das Areal im Leipziger Auwald sinnvoll sind. Das Hauptaugenmerk gilt dem Umstand, dass es seit jeher im Überschwemmungsgebiet liegt“, konstatierte damals Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. „Wird im Extremhochwasserfall wie 2011 und 2013 das Nahleauslassbauwerk geöffnet, geht das Gebiet unter Wasser. Dies würde auch unabhängig von der Wiederherstellung einer Hochwasserdynamik im nördlichen Auwald passieren.“

„Entsprechend dem Hochwasserschutzkonzept des Freistaates Sachsen ist mit Hochwasserschäden wie in den Jahren 2011 und 2013 auch zukünftig zu rechnen, und das Gelände wird als Überschwemmungsgebiet genutzt“, so die Verwaltung weiter. „Mit Blick auf künftige Hochwasserereignisse und besonders die Wiederherstellung von Auwaldbiotopen sind auch Veränderungen am Gebäudebestand nicht auszuschließen.“

Heiko Rosenthal: „Genaue Planungen werden im neuen Jahr mit Rücksicht auf die derzeitigen Nutzer gemeinsam mit den zuständigen Forst-, Naturschutz-, Abfall- und Bodenschutzbehörden sowie dem Amt für Bauordnung und Denkmalpflege erarbeitet.“

Gleichzeitig biete sich dadurch die große Chance, weitere Verbesserungen für den Naturhaushalt zu erreichen, die als Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe durch Gewerbeansiedlungsmaßnahmen anrechnungsfähig sind.

So weit die Übernahmemeldung von 2016. Und dann herrschte wieder Funkstille, die die Grünen-Fraktion im Stadtrat mit zwei Anfragen versuchte zu durchbrechen. Die jüngste gab es im März 2019.

„Der Schlobachshof in der nördlichen Burgaue war als ehemaliger Reiterhof mit Gastronomie ein beliebtes Ausflugsziel insbesondere von Leipziger Familien im Norden Leipzigs und wechselte Ende 2016 in das Eigentum der Stadt Leipzig“, so die Grünen in ihrer Anfrage.

„Bekannt ist, dass das Gelände für ökologische Ausgleichsmaßnahmen von Firmen genutzt werden soll. Da das Areal seit jeher im Überschwemmungsgebiet der Luppe liegt, ist unter Umständen mit weiteren Hochwasserschäden (wie in den Jahren 2011 und 2013) auch zukünftig zu rechnen. Ein Problem sind in diesem Zusammenhang eine Anzahl von Gebäuden die ohne hinreichende Baugenehmigung im Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald, dem Europäischen Vogelschutzgebiet Leipziger Auwald, dem Flora-Fauna Habitat Leipziger Auensystem und dem Überschwemmungsgebiet errichtet wurden. Bei unserer letzten Anfrage zum Thema wurde für Ende 2017 ein naturschutzgerechtes Nutzungskonzept angekündigt, sowie Aussagen wie mit den teils denkmalgeschützten Gebäuden umgegangen und Verbesserungen für den ökologischen Naturhaushalt im Areal des Leipziger Auwalds erreicht werden können.“

„Dieses Konzept soll unter Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen unter anderem beinhalten: Vermessung des Grundstücks, Gutachten für die Gebäudesubstanz, Abrisskosten, Kosten für die Sanierung der denkmalgeschützten Gebäude, Kosten für den Hochwasserschutz, Erarbeitung von mehreren Nutzungsvorschlägen, Erarbeitung der Folgekosteneinnahmen entsprechend Nutzungsvorschlag, Durchführung eines sogenannten Quickchecks zur Ermittlung der verschiedenen Nutzungsentwicklungsvorschläge in der Öffentlichkeit sowie innerhalb der Stadtverwaltung“, zitieren die Grünen aus der Antwort des Umweltbürgermeisters von 2017.

Aber was wirklich mit dem Gelände geschehen soll, erfuhren dann auch die Stadtratsfraktionen erst aus der Verwaltungsvorlage zum neuen Gewerbegebiet „Seehausen II“ vom 2. Oktober. Dort wurden die Flächen für Ersatzmaßnahmen aufgeführt, denn in „Seehausen II“ werden wieder tausende Quadratmeter Boden versiegelt, um neue Unternehmen anzusiedeln. Dafür soll andernorts aufgeforstet werden so wie in Liebertwolkwiutz 18.825 Quadratmeter. Oder es wird abgerissen und entsiegelt – so wie 30.140 Quadratmeter eines alten Klinkerwerkes in Liebertwolkwitz, 21.320 Quadratmeter in Göbschelwitz oder eben 1.535 Quadratmeter in Schlobachshof, wo alte Gebäude dafür abgerissen werden sollen.

Darüber waren dann Ende Oktober gleich zwei Ortschaftsräte überrascht, denn genauso wie die Grünen-Fraktion hatten sie eigentlich die ganze Zeit darauf gewartet, dass endlich das Konzept für Schlobachs Hof vorgestellt würde.

Man kann es durchaus als eine gewisse Unmutsreaktion werten, wenn der Ortschaftsrat Lützschena-Stahmeln jetzt extra beantragen musste: „Der OR Lützschena-Stahmeln beantragt die Vorstellung der Planungen der Ausgleichsmaßnahmen auf Schlobachshof im Ortschaftsrat.“

Aber nicht anders erging es dem örtlich direkt zuständigen Ortschaftsrat von Böhlitz-Ehrenberg, der in seinem Änderungsantrag zum Bebauungsplan in „Seehausen II“ feststellte: „Bisher gab es zu Planungen der Ausgleichhsmaßnahmen auf dem Areal des Schlobachshofs keine Information und Abstimmung mit dem Ortschaftsrat Böhlitz-Ehrenberg. Die Information über den geplanten Abriss von Gebäuden ist nur über die Presse (LVZ, BILD-Zeitung) erfolgt. Zudem steht die Vorlage des in Aussicht gestellten Nutzungskonzeptes für Schlobachshof weiter aus. Die geplanten Abrissarbeiten sollten aber mit einem Nutzungskonzept korrespondieren.“

Entweder hat also die Stadt die Abrisse einfach ohne Nutzungskonzept beschlossen. Oder man hat ein Nutzungskonzept, lässt sich aber mit der Öffentlichkeitsbeteiligung Zeit. Vielleicht, weil man nicht wirklich weiß, was man mit der historischen Bausubstanz anfangen will. Denn abgerissen werden ja nur die jüngeren Gebäude, die im Überschwemmungsgebiet überhaupt nicht hätten gebaut werden dürfen. Dazu gehört auch die 2002 erst erbaute „größte Reithalle Sachsens“. Da haben sichtlich einige Ämter beide Augen zugedrückt und das, was dann 2011 und 2013 bei Öffnung des Nahleauslasswerks passierte, in Kauf genommen.

Wirklich Bestandsschutz genießen nur die ab 1913 erbauten Gebäude des Gutes, auf dem dann ab 1920 ein Geflügelzuchtbetrieb hochgezogen wurde. Auch damals schon im Überschwemmungsgebiet. Denn was Heiko Rosenthal sagt, trifft ja zu: Nicht nur im jetzigen Zustand des Burgauepolders ist Schlobachshof mittendrin gelegen im Flutungsgebiet. Auch wenn die Leipziger Aue wieder dem natürlichen Überschwemmungsregime von Weißer Elster, Nahle und Luppe überlassen wird, ist bei Flusshochwassern hier mit ganz natürlicher Überschwemmung zu rechnen. Deswegen hatte ja der NuKLA e. V. so großes Interesse an Schlobachshof, weil man hier mitten in der Luppeaue die Auenrevitalisierung thematisieren kann.

Ein ähnliches Interesse meldet jetzt der Ortschaftsrat Böhlitz-Ehrenberg an, der gern einbezogen sein möchte in das, was die Stadt hier auf Ortsteilgebiet vorhat. Und deshalb beantragt der Ortschaftsrat: „Die Abstimmung für die geplanten Ausgleichsmaßnahmen auf dem Areal des ,Schlobachshof‘, OT Böhlitz-Ehrenberg, erfolgt in gemeinsamer Abstimmung mit dem Ortschaftsrat Böhlitz-Ehrenberg.“

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