„Die Brücke am Auensee in Leipzig-Wahren ist einsturzgefährdet und wird daher ab Montag, dem 6. Januar, abgerissen“, meldete das Verkehrs- und Tiefbauamt am Freitag, 3. Januar. „Die Bewehrung der Querung aus dem Jahre 1914 ist stark verrostet und bereits seit Anfang der 1980er Jahre gesperrt. Da sie in ihrer ursprünglichen Nutzung für die Liliputeisenbahn des ehemaligen Luna-Parks und auch künftig für Fußgänger und Radfahrer nicht mehr benötigt wird, gibt es keinen Ersatzbau.“

Wer am Auensee unterwegs ist, dürfte sich sowieso gewundert haben, was für eine Brücke hier am Seeufer entlang führt. Gehörte sie einst zum Lunapark? War es gar die berühmte Gebirgsszeneriebahn?

Nichts dergleichen, auch wenn über sie ab 1914 tatsächlich der „Luna-Express“ fuhr. Vorher konnte die Feldbahn, die man 1913 vom Gelände der Internationalen Baufachausstellung, wo sie zwischen dem (alten) Messegelände und Marienbrunn gependelt war, auch am Auensee nur pendeln.

Der ja bekanntlich noch ein ganz junges Gewässer war. Denn hier hatte man ja die Kiesmassen gefördert, die man zum Bau des Hauptbahnhofs 1902 bis 1915 brauchte. 1912 war aber schon die Luna-Park-Gesellschaft gegründet worden, die aus dem neuen Kiessee den ambitioniertesten Leipziger Vergnügungspark machte.

Und zum Projekt gehörte auch die Kleinbahn, die den ganzen See umrunden konnte. Aber bevor die jetzt zum Abriss vorgesehene Betonbrücke gebaut wurde, konnte sie den See nicht umrunden.

Auf alten Aufnahmen und Karten sieht man, dass der See an der Stelle, wo die Brücke heute scheinbar so seltsam am Ufer steht, in ein weiteres großes Gewässer überging. Es sieht aus wie ein großer Fortsatz des Sees, war aber tatsächlich ein historisches Gewässer – das Hundewasser, ein alter Seitenarm der Weißen Elster, der in die Burgaue floss.

Die bei Reihern beliebte Brücke am Auensee. Foto: Ralf Julke
Die bei Reihern beliebte Brücke am Auensee. Foto: Ralf Julke

Um den Rundkurs des „Luna-Express“ herstellen zu können, brauchte es also eine große Brücke über das Hundewasser, hoch genug, um auch bei Hochwasser nicht überschwemmt zu werden. Denn bis zum Bau der Neuen Luppe und ihrer Deiche lag auch der Auensee mitten im historischen Überschwemmungsgebiet und wurde auch regelmäßig von Hochwassern heimgesucht.

1934 war der Luppedeich fertig. 1934 wurde auch das Hundewasser zugeschüttet. Damit war die Zeit vorbei, in der der Auensee tatsächlich wie ein See in der Aue aussah. Seitdem liegt er rundum trocken, hat aber auch ein massives Problem. Denn wo kein Wasseraustausch ist, ist auch kein Luftaustausch. Was den See dann im Lauf der Zeit kippen ließ und aufwendige Belüftungsmaßnahmen nötig macht.

Eigentlich ist der Auensee ein exemplarisches Beispiel zum Lernen, was mit stehenden Gewässern wird, wenn der Wasserdurchfluss fehlt.

Aber so richtig lernen will Leipzig bislang nicht. Immer noch liegen die Pläne in der Schublade, auch das Elsterbecken zu einem stehenden Gewässer zu machen, obwohl dort heute schon an heißen Sommertagen die Algen blühen.

1934 verlor die Auenseebrücke eigentlich ihre Funktion. Aber sie blieb für die Rundbahn trotzdem noch lange in Betrieb, bevor die Gleise der Bahn weiter nördlich auf aufgeschütteten Grund verlegt wurden und die Brücke ab den 1980er Jahren gesperrt wurde.

Seitdem stand sie im Grunde funktionslos am Wasser, beliebt vor allem bei den Leipziger Graureihern, die hier ein ungestörtes Plätzchen hatten, an dem sie sich zum Plausch verabreden konnten. Dieser ungestörte Balkon für die grauen Gesellen wird jetzt verschwinden.

Die Abbrucharbeiten kosten rund 150.000 Euro und sollen bis zum 14. Februar 2020 abgeschlossen sein.

Im Januar und Februar sind deshalb die Wege im Bereich des Bahnhofs der Parkeisenbahn nur eingeschränkt nutzbar, die Sperrung wird ausgeschildert, kündigte das Verkehrs- und Tiefbauamt noch an.

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