Vor einem Jahr legte die Stadt den Bebauungsplan für die Parkstadt Dösen vor. Der kam gar nicht gut an. Nicht im Stadtrat und erst recht nicht bei den Leipziger Umweltverbänden, die schlicht die Hände über dem Kopf zusammenschlugen, weil hier exemplarisch vorgeführt wurde, wie man im vergangenen Jahrhundert solche Wohnquartiere mit riesigen Stellplatzflächen für Autobesitzer baute. Beim parallel vorgelegten Flächennutzungsplan war es nicht viel besser.

Aber ein Jahr lang tat sich bei allem Verhandeln und Ringen um eine bessere Lösung fast nichts. Am 21. Februar legte die Linksfraktion deshalb einen neuen Änderungsantrag zur Parkstadt vor. Zentraler Antragspunkt: „Die im Bebauungsplan vorgesehenen Stellplätze werden auf das Minimum der Stellplatzsatzung der Stadt Leipzig reduziert.“

Dazu natürlich die Forderung, auf die ausufernden Fällungen im hundertjährigen Baumbestand zu verzichten. Danach wäre nämlich von einer Parkstadt nicht mehr viel zu sehen. Es wäre eine Parkplatzstadt geworden.

Aber auch die Leipziger Umweltverbände laufen jetzt Sturm, weil die Verwaltung augenscheinlich mal wieder einen Bauherren machen lässt, was dem gerade gut verkäuflich scheint, ohne dass auch nur im geringsten auf all die vom Stadtrat beschlossenen Pläne zu Umwelt- und Klimaschutz Rücksicht genommen wird.

Trotz intensiver Verhandlungen haben die Leipziger Umweltverbände BUND, NABU und Ökolöwe bei der geplanten „Parkstadt Dösen“ keine Einigung mit dem Investor Instone Real Estate erzielen können, teilen diese nun mit. Ziel der Gespräche durch die Verbände war, die geplanten massiven Baumfällungen zu reduzieren und die Errichtung eines autoarmen Quartiers zu ermöglichen.

Der Investor plant auf dem Gelände des ehemaligen Parkkrankenhauses Dösen den Bau von 600 Wohnungen. Neben der hochwertigen Sanierung der vorhandenen denkmalgeschützten Gebäude sollen mehrere Stadtvillen, eine Kita und ein Einkaufszentrum sowie Hoch- und Tiefgaragen für 830 PKWs neu entstehen. Laut Planung würden dafür geschützte Biotope zerstört und mehrere hundert große alte Bäume gefällt.

Die Umweltverbände sind nicht bereit, dies hinzunehmen und fordern insbesondere den Erhalt des wertvollen Baumbestandes.

„Hier besteht die Chance, ein echtes ökologisches Wohnquartier zu schaffen“, sagt Martin Hilbrecht vom BUND Leipzig. „Leider wird diese Chance durch das Beharren des Investors auf einen ‚autoaffinen Standort‘ vertan“.

Bilder vom Gelände. Fotos: L-IZ.de

Alle drei Umweltverbände kritisieren die unverhältnismäßig hohe Anzahl an geplanten PKW-Stellplätzen. Begründet wird die angebliche Notwendigkeit großflächiger Parkhäuser und Tiefgaragen mit der mangelnden ÖPNV-Anbindung.

„Hierbei ignoriert der Investor jedoch bewusst, dass die Stadt Leipzig mit dem Nachhaltigkeitsszenario der zukünftigen Verkehrsentwicklung eine hochwertige Anbindung derartiger Wohngebiete bereits politisch beschlossen hat“, sagt Martin Hilbrecht. Allein durch die Reduzierung von Parkbauten könnten viele Bäume und Biotope erhalten bleiben.

„Für uns ist völlig inakzeptabel, dass 90 vitale Bäume für Parkplätze geopfert werden sollen“, meint Elke Thiess vom BUND Leipzig. „Fraglich ist auch, wie ein 235 Meter langes 3-stöckiges Parkdeck mit dem für das gesamte Gelände geltenden Denkmalschutz vereinbar ist.“

Bisher hat der Investor die Forderungen der Umweltverbände mit minimalen Zugeständnissen abgetan.

„Das genügt uns nicht“, erklärt René Sievert vom NABU Leipzig. „Unser Anliegen ist es, vorhandene Lebensräume in der Stadt bei Baumaßnahmen soweit wie möglich zu erhalten. Das dient nicht nur dem Schutz der Biodiversität, sondern auch Klimaschutz und Lebensqualität.“

Auch Jeremias Kempt vom Ökolöwen fordert: „Bauprojekte müssen endlich so geplant und umgesetzt werden, dass Lebensqualität, Stadtnatur, Klima- und Artenschutz auf einer Fläche vereinbar sind. Das gilt auch für die Parkstadt Dösen.“

Die Umweltverbände kündigen Widerstand gegen den Bebauungsplan in der derzeit bekannten Entwurfsfassung an.

„Die Schaffung eines autoaffinen Quartiers, wie der Investor es selbst bezeichnet, inmitten der sogenannten Parkstadt Dösen erscheint zynisch. Wir fordern Parks statt Parkplätze – darum haben wir für 2020 bereits unseren Leitantrag unter dieses Motto gestellt“, fasst Martin Hilbrecht vom BUND Leipzig noch zusammen.

Die Linksfraktion hat in ihrem Änderungsantrag zum von der Stadt vorgelegten Bebauungsplan auch noch andere Aspekte kritisiert, die auch im Handlungsbereich der Stadt liegen. Dort heißt es zum Beispiel: „Aufgrund der privaten Bebauung und der Unterteilung des Planungsgebietes in einen denkmalgeschützten und einen nicht denkmalgeschützten Bereich werden jedoch Maßnahmen, welche diese Grundsätze des Umweltschutzes garantieren sollen, ausgehebelt oder aus der Zuständigkeit der Stadt Leipzig genommen.

So werden z. B. durch Ausnahmen aus der Baumschutzsatzung aufgrund des Denkmalschutzes 300 Bäume ersatzlos gefällt. Mit dem vorliegenden Antrag sollen noch vor Beschluss zur Satzung die Weichen dafür gestellt werden, dass es durch die Bebauung zu keiner Verschlechterung des ökologischen Zustandes kommt.“

Und auch der soziale Wohnungsbau fehlt der Linksfraktion im nötigen Ausmaß: „Außerdem ist die Bautätigkeit so sozial zu gestalten, wie es der Gesetzgeber zulässt und die Bildung von Gated Communities zu verhindern.

Wir verweisen für die Festsetzung des Anteils des sozialen Wohnungsbaus auf die Regelung im Entwurf des B-Plans: ‚Aufgrund der o. g. speziellen Rahmenbedingungen (denkmalgeschützter Gebäudebestand und denkmalpflegerische Ansprüche an die Neubauten) wurde in Abstimmung mit dem Dezernat für Stadtentwicklung und Bau der Anteil an sozialem Wohnungsbau im Vergleich zu den zukünftig anvisierten, jedoch noch nicht verbindlichen 30 % gemindert. Der Entwickler erklärt sich bereits jetzt bereit, insgesamt 68 Wohnungen einer mietpreisgebundenen Wohnraumnutzung zuzuführen. Das entspricht 30 % des Neubauanteils. Die Sicherung der insgesamt 68 Wohnungen erfolgt im städtebaulichen Vertrag.‘“

NABU bringt Lebensraumzerstörungen in der geplanten Parkstadt Dösen zur Anzeige

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Alles wird zubetoniert. Bäume verschwinden, es wird immer heißer in Leipzig. Wer verkauft eigentlich solche Areale an Heuschrecken? Warum behält die Stadt Leipzig nicht ihre Grundstücke selbst, bzw. kauft sie vom Bund? Wohnungen stehen leer, weil zu teuer, da Luxus saniert. Das soll ein lebenswertes Leipzig sein?

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