Am 10. Juli meldete das Stadtplanungsamt der Stadt Leipzig noch: „Eutritzscher Freiladebahnhof: Verhandlungen mit Investor sind auf einem guten Weg“. Aber mittlerweile berichtet die LVZ über einen möglichen weiteren Verkauf des Gelände des ehemaligen Eutritzscher Freiladebahnhofs, nachdem die CG Gruppe im letzten Jahr das Gelände erst an die Leipzig 416 GmbH (bzw. IMFARR) verkauft hatte.

Aber auch damals hatte das Stadtplanungsamt kurz zuvor erklärt, die Verhandlungen mit der CG Gruppe seien auf einem gutem Weg.

„Nach dem Verkauf des Areals am ehemaligen Eutritzscher Freiladebahnhof an die Leipzig 416 GmbH und dem Eigentumsübergang von der CG Gruppe AG im Oktober 2019 sind die Verhandlungen mit dem Investor bereits weit fortgeschritten. Die Arbeit mit der Leipzig 416 GmbH erfolgt kooperativ und auf Basis des Städtebaulichen Vertrages sowie der zum Projekt gehörigen Ratsbeschlüsse“, hieß es diesmal in der Erklärung.

„In den vergangenen Monaten wurden die Beschlüsse gemeinsam ausgewertet, notwendige Vertragsverhandlungen zu verschiedenen Themen geführt und eine Reihe von Dokumentationserfordernissen abgearbeitet. Einer der kompliziertesten Themenkomplexe war die Sicherung von Erwerbs- und Ankaufsrechten zugunsten der Stadt. Das betrifft etwa öffentliche Straßen, Wege und Grünflächen, aber natürlich auch Schulen, Kitas und Kultureinrichtungen. Die hierzu notwendigen Verhandlungen zu vertraglichen Regelungen sind so weit fortgeschritten, dass von einer einvernehmlichen Lösung auszugehen ist. Die entsprechende Vorlage soll im Herbst dem Stadtrat vorgelegt werden.“

Doch anders, als es die Meldung suggeriert, sitzt die Stadt nicht am längeren Hebel. Diese Chance hat Leipzigs Verwaltung gründlich vergeigt, als sie beschloss, für die großen Flächen der Deutschen Bahn am Eutritzscher Freiladebahnhof, auf dem Zollschuppengelände oder am Bayerischen Bahnhof kein Vorkaufsrecht anzumelden. Schon damals setzte das Leipziger Planungsdezernat lieber auf windelweiche Workshops, während das Liegenschaftsamt meinte, Leipzig hätte keine Chance, das Vorkaufsrecht zu bekommen, also habe man es auch nicht geltend gemacht.

Das Ergebnis ist ein politisches Zerren, das völlig ausblendet, dass deutsche Großstädte eigentlich immer nur eine Chance hatten, die Spekulation mit Wohnungen und Bauland zu unterbinden, indem sie selbst den Baugrund kauften und ihre eigenen Tochterunternehmen mit dem Bau von Wohnungen beauftragten.

Denn die LWB baut schon längst. Jahre nach den großen Investoren gestartet, zieht sie unbeirrt die vom Stadtrat beauftragten Wohnungen hoch. Und sie hätte auch die beiden riesigen Baufelder übernehmen können, wenn das nur im Willen der Leipziger Stadtverwaltung gelegen hätte.

Gelände des Eutritzscher Freiladebahnhofs. Foto: L-IZ
Gelände des Eutritzscher Freiladebahnhofs. Foto: L-IZ

Aber den neuesten Artikel der LVZ vom 8. August nahm nun Sabine Heymann, baupolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Stadtrat, zum Anlass, die Politik der Stadt beim Eutritzscher Freiladebahnhof einer Generalkritik zu unterziehen.

Sabine Heymann: Fehlt der Wille oder fehlt das Können?

„Leipzig und seine Wohnungsbaugroßprojekte entwickeln sich immer weiter zu einer endlosen Geschichte – und ein märchenhaftes Happy End scheint nicht in Sicht. Stattdessen haben wir es mit einem Schauermärchen zu tun: Schaurig für die Einwohner unserer Stadt, für mögliche Zuziehende und für die Außenwirkung Leipzigs“, fasst Dr. Sabine Heymann die Entwicklung um den Eutritzscher Freiladebahnhof zusammen.

Dabei verweist Heymann, baupolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, auch auf die Parallelen zum Bayerischen Bahnhof, wo sich bei der Erschließung eines neuen Wohnviertels gleiche Probleme auftun.

„Am Bayerischen Bahnhof ist es der Stadt nicht gelungen, nach acht Jahren Projektzeit einen abschließenden B-Plan vorzulegen. Alle Planungen beruhen auf Stückwerk. Das ist dilettantisch. Und dieses Gebaren setzt sich nunmehr am Eutritzscher Entwicklungsprojekt fort: Es werden umfassende Bürgerbeteiligungen durchgeführt und Beschlüsse im Stadtrat gefasst – die konkreten Verhandlungen mit den jeweiligen Investoren aber nicht finalisiert. Oder anders gesagt: gebaut wird nicht!“

Leidtragende sind aus ihrer Sicht vor allem die Leipziger Bürgerinnen und Bürger:

„Um dem dadurch fehlenden Wohnraum beizukommen, wird mit ,Nachverdichtung‘ reagiert, also kleine und kleinste Freiflächen werden bebaut. Im Endeffekt fallen somit für uns Leipziger die grünen Brachen weg, die unsere Stadt gerade so lebenswert machen und von anderen Städten abheben. Aber auch der Zuzug wird gebremst, da potentielle Neu-Leipziger sich im Umland umschauen, wo es sich zweifelsohne auch gut leben lässt. Für unsere Stadt ist das schließlich – nicht nur für Verhandlungen mit zukünftigen Partnern und Investoren – ein Armutszeugnis, das uns noch lange anhängen wird“, sagt Heymann, erwartet schließlich dennoch die Umsetzung des Projekts Eutritzscher Freilandebahnhof.

Kurzfristig sieht sie aber unter den gegebenen Bedingungen in der Verwaltung noch kein Happy End: „Mittlerweile stellt sich die Frage, ob es am fehlenden Willen oder am fehlenden Können in der Stadtverwaltung und in Zusammenarbeit mit den Partnern liegt. Ein Zusammenwirken für bezahlbaren Wohnraum, für ein lebenswertes Leipzig, sieht anders aus. Dazu ist aber eine Verwaltung erforderlich, die an einem Strang zieht. Dies zu steuern ist und bleibt Aufgabe des Oberbürgermeisters. Dazu bedarf es auch nicht erst den Gesprächswunsches von Investoren, dies muss selbstverständlich für einen Oberbürgermeister sein, der sich eine nachhaltige Stadtentwicklung auf seine Fahne geschrieben hat. Nach 14 Jahren Amtszeit bin ich aber skeptisch, ob sich der Oberbürgermeister diese Weiterqualifikation noch zumutet.“

Freiladebahnhof Eutritzsch: Grüne drängen auf Umsetzung

„Meine Fraktion freut sich, wenn die Verhandlungen zwischen der Stadt Leipzig und dem neuen Vorhabenträger einvernehmlich auf Grundlage der bislang flankierenden Ratsbeschlüsse fortgeführt werden. Wir begrüßen, wenn die Planungsziele, wie der große zentrale Park, ein Schul- und Sportcampus mit einer vierzügigen Grundschule sowie eine fünfzügige Oberschule, zwei Kitas mit jeweils 165 Plätzen und kulturell-soziale Einrichtungen verwirklicht werden.

Des Weiteren sollen mindestens 30 Prozent der Wohnfläche für miet- und belegungsgebundene Wohnungen zur Verfügung stehen. Und der neue Stadtteil als autoreduziertes Quartier konzipiert wird“, geht Tim Elschner, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, noch einmal auf die Meldung der Stadt vom 10. Juli ein.

Die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen bestehe auf einer strikten Umsetzung insbesondere der beiden Stadtratsbeschlüsse von 2018 („Quartiersentwicklung ,Eutritzscher Freiladebahnhof‘: Masterplan und ergänzender städtebaulicher Vertrag“) und 2019 („Masterplan als Grundlage zum Bebauungsplan Nr. 416 Freiladebahnhof Eutritzscher/Delitzscher Straße“). Grundlage des Stadtratsbeschlusses von 2018 war ein gemeinsamer Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Linke.

Die Antragsteller/-innen für den Abschluss eines ergänzenden städtebaulichen Vertrages ausgesprochen. Denn in Bezug auf das zu erarbeitende endgültige Nutzungskonzept zeichnete sich 2018 ab, dass sich die wesentlichen und in der Planungs- und Entwicklungsvereinbarung vereinbarten „vorläufigen“ städtebaulichen (Flächen-)Kennziffern deutlich zugunsten der Vorhabenträgerin verschoben haben.

Die Bruttogeschossfläche (ohne soziale Infrastruktur) erhöhte sich von ca. 280.000 m² auf zuletzt ca. 320.000 m². Damit einher ging insbesondere eine Erhöhung der Bruttogeschossfläche für „Wohnen“ von ca. 196.000 m² auf ca. 217.000 m². Auch die vorgesehene Gewerbefläche erhöhte sich von ca. 84.000 m² auf ca. 98.000 m², während sich der Anteil der Gemeinbedarfsfläche von ca. 31.000 m² auf ca. 27.000 m² verringerte, dies vor dem Hintergrund, dass sowohl die für das Leibniz-Gymnasium vorgesehene Sporthalle als auch die Freifläche in den „Schulcampus“ integriert werden sollen.

„Dies bedeutete und bedeutet auch weiterhin für den Vorhabenträger vor allem eine erhebliche Gewinnerhöhung, also ein wirtschaftlich nicht unerheblicher Vorteil“, stellt Tim Elschner fest. „Es war und ist daher weiter richtig, dass sich die Stadt Leipzig diesen Vorteil auf Grundlage einer notwendigen wie vorgesehenen Angemessenheitsprüfung ausgleichen lässt. Die Wirtschaftlichkeit des Gesamtvorhabens wird deshalb auch weiterhin keinesfalls infrage gestellt.“

Mit diesen beiden Stadtratsbeschlüssen hat die Ratsversammlung nicht nur die ersten einvernehmlichen Verhandlungsergebnisse zwischen der Stadt Leipzig und dem ursprünglichen Vorhabenträger, die im Wege der kooperativen Baulandentwicklung erzielt wurden, gewürdigt, sondern auch „Grünes Licht“ für den Masterplan gegeben. Gleichzeitig wurde die Stadtverwaltung beauftragt, insbesondere einvernehmlich erzielte Verhandlungsergebnisse in den weiteren Verhandlungen zu konkretisieren und vertraglich abzusichern. Der Stadtrat wartet bis heute auf Umsetzungsergebnisse.

Aber er muss auch zugestehen, dass das Projekt genauso wieder klemmt wie das am Bayerischen Bahnhof.

„Seit über einem halben Jahr warten nicht nur der Stadtrat, sondern auch die am Nachbarschaftsforum beteiligten Bürger/-innen und Akteure, ungeduldig auf einen aktualisierten Sachstandsbericht. Ursprünglich sollte die nun von der Stadtverwaltung für Herbst angekündigte weitere Beschlussvorlage bereits im I. Quartal 2020 dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden“, betont Elschner.

„Ich fordere die Stadtverwaltung auf, nach der Sommerpause den Stadtrat im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau detailliert über den Sachstand zu informieren, sodass die von der Stadtverwaltung nun für Herbst angekündigte weitere Beschlussvorlage zum Eutritzscher Freiladebahnhof ohne erneute zeitliche Verzögerung von der Ratsversammlung beschlossen werden kann.“

In dieser Verwaltungsvorlage sollen die unter anderem die finalisierten vertraglichen Regelungen zu den beschlossenen Planungszielen und der kooperativen Baulandentwicklung, basierend auf den bisherigen Ratsbeschlüssen, dem Stadtrat zur weiteren Entscheidung vorgelegt werden.

„Wir erwarten eine strikte Umsetzung der Stadtratsbeschlüsse. Wir drängen auf die Umsetzung des ökologischen, sozialen und nutzungsgemischten Vorzeigequartiers“, geht Elschner auf das im Raum stehende Problem ein, dass der neue Besitzer das ganze Paket noch einmal aufgeschnürt haben will.

„Ein Zurückfallen hinter die einvernehmlich erzielten Ergebnisse wird die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht akzeptieren. Eine Verschiebung hin zu einem mehr an Gewerbeflächen zu Lasten von preiswerten wie bezahlbarem Wohnraum und einer Nutzungsmischung im Sinne der europäischen Stadt würde bisherige Planziele und getroffene Vereinbarungen zur kooperativen Baulandentwicklung adabsurdum führen. Abstriche auch hinsichtlich des geplanten ökologischen wie sozialen Vorzeigequartiers werden von uns abgelehnt.“

Die Punkte, die den Grünen aus den Stadtratsbeschlüssen besonders wichtig sind:

– Umsetzung der Flächenübertragungen und die dazu getroffenen Vereinbarungen zur „Kulturmeile“, dem „Sportpark“, dem „Lokschuppen“ sowie dem Schulcampus. Die Kaufvertragsentwürfe darüber sind dem Stadtrat zur Entscheidung vorzulegen. Zusagen, denkmalgeschützte Gebäude instandzusetzen und herzurichten, sind vom Vorhabenträger zu erfüllen.

– Des Weiteren erwarten wir die Prüfergebnisse hinsichtlich des „experimentellen Wohnens“. Modelle zu genossenschaftlichen Bau-, Wohn- und Arbeitsformen nach Münchner oder Wiener Vorbild sollen in dafür vorgesehenen Baufeldern umgesetzt werden.

– Damit das „ökologische Vorzeigequartier“ nicht nur ein „Marketing-Gag“ oder „Worthülse“ ist, wird meine Fraktion besonders darauf achten, dass das auszuarbeitende Gesamtkonzept dahingehend von Stadtverwaltung und Vorhabenträger weiter vertieft wird und bauliche Umsetzungsmaßnahmen mit innovativen Charakter detailliert in Bezug auf Regenwasserversickerung, Stadtklima, Begrünung im Quartier, Dachbegrünung, Energieeffizienz und Mobilität ausgearbeitet werden. Der Stadtrat hat beschlossen, dass diese als „Bauverpflichtung“ planungsrechtlich verbindlich einzuordnen sind.“

– Weitere Planungsziele auf Grundlage eines den Vorhabenträger verpflichtenden Gestaltungshandbuches zur Absicherung einer qualitätsvollen Bebauung, zu Fragen des Einzelhandels und einzelhandelsnaher Dienstleistungen sowie zur Fortführung der Öffentlichkeitsbeteiligung und informellen Bürgerbeteiligung sind ferner weiterhin zu berücksichtigen.

Hin und Her im Kaufvertrag für das Gelände an der Eutritzscher Straße

Hin und Her im Kaufvertrag für das Gelände an der Eutritzscher Straße

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Keine Kommentare bisher

Die Chefs der Stadtverwaltung sitzen doch auch im Stadtrat, oder diesem vor.
Wieso packt die keiner am Schlafittchen?

Unabhängig von dem ganzen dilettantischen Sachverhalt:
Wäre es so schlimm, wenn der Zuzug nach Leipzig gebremst würde?
Ich meine: nein.

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