Im großen Diskussionskosmos um die Parkplatzprobleme in Leipzig geht Gohlis beinahe unter, auch wenn es dort längst schon dieselben Probleme gibt wie in Anger-Crottendorf, Schleußig oder Plagwitz. Zu viele Autos in einem Gründerzeitbestand, der dafür nicht gebaut wurde. Trotzdem überraschte es, dass die Pläne der Stadt, die Cöthner Straße umzubauen, am 8. Dezember noch einmal zu einer Fahrradbügel-Diskussion ausartete.

Dass die Vorlage in die Ratsversammlung geht, meldete die Stadtverwaltung schon am 18. November.

„Die Cöthner Straße zwischen Mottelerstraße und Sasstraße sowie die Mottelerstraße im Abschnitt nördlich der Georg-Schumann-Straße können im kommenden Jahr saniert und umgestaltet werden. Den entsprechenden Baubeschluss über 2,61 Millionen Euro hat Oberbürgermeister Burkhard Jung jetzt auf Vorschlag von Baubürgermeister Thomas Dienberg auf den Weg gebracht, der Stadtrat entscheidet abschließend darüber“, hieß es da.Der Grund ist allen dortigen Verkehrsteilnehmern bekannt: „Die Cöthner Straße und der Abschnitt der Mottelerstraße sind stark verschlissen, die Fahrbahnen sind unregelmäßig breit und haben zahlreiche Schlaglöcher. Durch den grundhaften Ausbau soll sich die Verkehrssicherheit und auch die Aufenthaltsqualität in dem Bereich verbessern.“

Aber es geht nicht nur um die zerschlissene Straße. Hier gibt es noch mehr zu reparieren.
„Die Gestaltung orientiert sich dabei an der historisch gewachsenen Situation. So wird der schadhafte Straßenbelag erneuert, beidseitig der dann 4,50 Meter breiten Fahrbahn werden Parkstreifen und Gehwege eingeordnet, sodass künftig auch PKW sicher aneinander vorbeifahren können. Radfahrerinnen und Radfahrer werden weiter auf der Straße geführt – dies ist im Nebennetz bei Tempo 30 üblich“, betont die Verwaltung.

In den Kreuzungsbereichen werden jeweils Gehwegnasen eingeordnet: Sie verkürzen Fußgängerinnen und Fußgängern den Übergang zur anderen Straßenseite und sollen die Sichtverhältnisse an der Kreuzung verbessern. Auch die Straßenbeleuchtung sowie die Entwässerung werden modernisiert.

Mehr Bäume, weniger Stellplätze

Aber schon beim Blick in die Straße wird sichtbar: Hier fehlt es an Bäumen. Also sollen auch noch 44 neue Bäume gepflanzt werden, in der Mottelerstraße dann weitere sieben. Dabei entstehen an den Kreuzungen sogenannte Baumtore, betont die Verwaltung.

Der Blick in die Vorlage zeigt dann, dass die Bäume vor allem auf Baumscheiben zwischen den Stellplätzen angeordnet werden sollen. Eigentlich mittlerweile in vielen Leipziger Straßen bewährt. Denn damit bekommen endlich auch Straßen ohne Straßenbäume Grün. Die Bäume sorgen für Schatten und Kühlung.

Nur eine Fraktion hatte damit ein Problem: Die AfD-Fraktion, die extra einen Änderungsantrag stellte, nachdem sie sich eine hypothetische Zahl an verloren gehenden Stellplätzen ausgedacht hatte. Ob die Zahl stimmt, wurde in der Ratsversammlung am 8. Dezember nicht weiter verifiziert. Denn eigentlich ist es längst klar, dass man in den beschränkten Straßenräumen immer Kompromisse schließen muss.

Und wenn man Bäume haben will, die die Stadt in künftigen Hitzeperioden kühlen, geht das nicht ohne Verlust von Stellplätzen. Stellplätzen, die man meist auch nicht mehr in der Nähe findet. Denn darauf zielte der AfD-Änderungsantrag, dass die Stadt für die wegfallenden Stellplätze irgendwo in der Nähe Flächen findet, die als Ersatz dienen können. Das ist aber in diesem dichtbebauten Wohnquartier praktisch ein Ding der Unmöglichkeit.

Weshalb der AfD-Antrag am Ende wieder nur die Stimmen von AfD- und CDU-Fraktion bekam, die sich beide nicht wirklich an die Vorstellung gewöhnen können, dass das Autozeitalter in Leipzig an seine Grenzen gekommen sein könnte.

Und dass auch eine Aufwertung des Straßenraums für Fußgänger und Radfahrer die Bewohner animieren kann, ihre Verkehrsmittel zu wechseln.

Mehr Fahrradbügel und mehr Bänke

Dabei entfachte sich am 8. Dezember ein kleiner Streit, nachdem Kristina Weyh für die Grünen-Fraktion die Aufnahme einer Protokollnotiz beantragt hatte. Danach soll die Stadtverwaltung prüfen, ob es möglich ist, noch deutlich mehr Fahrradbügel und auch Sitzbänke im Straßenraum unterzubringen. Ein Antrag, den dann wieder SPD-Stadtrat Andreas Geisler hinterfragte: Wozu braucht man Fahrradbügel in einer Straße, in der es keine Geschäfte gibt, sondern nur Wohnbebauung?

Widerspruch bekam er von Grünen-Stadtrat Tim Elschner, der darauf hinwies, dass auch die von Geisler erwähnten Fahrradbügel in der Waldstraße gut angenommen werden. Und ihm zur Seite sprang FDP-Stadtrat Sascha Matzke, der auf das Kleingewerbe in der Cöthner Straße hinwies.

Es gibt also durchaus gute Gründe, in der Cöthner und der Mottelerstraße mehr Fahrradbügel aufzustellen, auch wenn Andreas Geisler bis heute jene Antwort aus dem Verkehrsdezernat bekommen hat, ob man nun auf einem Kfz-Stellplatz nur zwei, sondern auch drei Fahrradbügel unterbringen könne. Wahrscheinlich lautet die Antwort sogar „Ja“.

Und OBM Burkhard Jung fand sich auch bereit, den Wunsch der Grünen als Prüfauftrag zu übernehmen.

Die Vorlage der Verwaltung ging dann ohne Gegenstimmen durch. Nur elf Stadträt/-innen enthielten sich.

Eine Gohliser Besonderheit

Was in der Meldung der Stadt gar nicht vorkam, war eine Gohliser Besonderheit. In der Vorlage heißt es dazu: „Im Bereich zwischen Sasstraße und Reginenstraße werden vor südlichen Hausfassaden Vorgärten ergänzt.“

Denn das ganze Gebiet ist durch solche Vorgärten geprägt, manche dicht bewachsen, manche als simple Rasenfläche ausgeprägt. Manche aber auch liebevoll gestaltet oder mit Bäumen besetzt. Und vor manchen Häusern fehlen sie einfach, weil frühere Hausbesitzer die Fläche gepflastert haben. Oder weil – wie an der Sasstraße – der Straßenraum für Stellplätze aufgeweitet wurde. Das fällt nicht nur auf – es verstört in einem Gebiet, dessen Wohnqualität sehr stark durch diese Vorgärten geprägt wird.

Zum Prüfen, wo noch weitere Fahrradbügel und Bänke untergebracht werden können, hat das Verkehrs- und Tiefbauamt nicht viel Zeit. Denn die Arbeiten sollen im Mai starten und spätestens Ende des Jahres 2023 abgeschlossen sein.

Beide Bauabschnitte liegen im Sanierungsgebiet „Leipzig-Gohlis“. In den vergangenen Jahren wurden hier erhebliche Fördermittel zur Aufwertung des Ortsteils eingesetzt. Nach den Regelungen des Baugesetzbuches müssen die Grundstückseigentümer daher Ausgleichsbeträge für die sanierungsbedingten Bodenwerterhöhungen zahlen. Aus diesen bereits eingenommenen Ausgleichsbeträgen kann die Umgestaltung nun finanziert werden.

Die Debatte vom 8. Dezember 2021 im Stadtrat

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Es gibt 6 Kommentare

Hauptsache es wird nicht so gemacht wie in der Körnerstraße! Dort wurden – nachdem der von den Linken eingebrachte Änderungsantrag beschlossen wurde – Fahrradbügel auf alle vermeintlich freien Ecken auf den Gehwegen gezimmert, ohne dass ein einziger Kfz-Parkplatz weggefallen ist. Teilweise sind die Bügel nicht richtig nutzbar, teilweise würde man sich als Fußgänger über mehr freien Platz auf neu geschaffenen Gehwegnasen freuen.

Das wird dann von der Straßenlänge her eine der größeren Baustellen in 2022.

In den Außenstadtteilen (wo auch Herr Geisler wohnt) gibt es bei Vielen die Angst, dass in den Straßen Fahrradbügel aufgestellt werden könnten und dann Parkplätze verloren gingen.

Er hat schon Recht, dass man als Bewohner ein etwas teureres Rad nicht über Nacht an einem Fahrradbügel stehen lässt. Aber wenn man von der Arbeit kommt, später nochmal Einkaufen geht, jemanden besucht oder aus anderen Gründen nochmal aus dem Haus muss, will sein Fahrrad nicht zwischendrin in den Keller schleppen müssen. Außerdem können die Bewohner selber Besuch bekommen. Und manche Fahrradfahrer haben auch so ein altes Fahrrad, dass Sie billigend die Wahrscheinlichkeit in Kauf nehmen, dass es nachts geklaut wird.

Guter Vergleich dafür: Schleußig ist auch ein reines Wohngebiet und trotzdem sind die Fahrradbügel voll!

@Christian: Während in Anger-Crottendorf einige die Vorgärten abreissen wollen um ihr privates Parkproblem zu lösen, läufts in Gohlis genau andersrum. Da verschwinden Querparker (s. Foto) und es werden bei einer Straßenbaumaßnahme “Vorgärten ergänzt”. Grund: “Aufenthaltsqualitiät”! Verrückt!!! Wann gründet sich dort ein AutoClub? Wo ist da die CDU?

Bzgl. weiterer Radbügel in der Peilickestraße: Reiche dazu bitte einen “Vorschlag” zum Stadtbezirksbudget ein. https://www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/stadtrat/stadtbezirksbeiraete/stadtbezirksbudget#c229444

“SPD-Stadtrat Andreas Geisler hinterfragte: Wozu braucht man Fahrradbügel in einer Straße, in der es keine Geschäfte gibt, sondern nur Wohnbebauung?”

Das ist ja wohl das Sinnfreieste, was ich dazu gehört habe. Chapeau SPD!

Und wozu braucht man denn Parkplätze in einer Straße, ist der es keine Geschäfte gibt, sondern nur Wohnbebauung?

In Anger-Crottendorf wurden nun bei der Umgestaltung Kreuzung Stünzer Straße / Sellerhäuser Straße auch Bügel installiert. Bravo!
Etwas weiter wurden vor einigen Jahren in der Peilickestraße 2 Bügel – privat finanziert – aufgestellt mit dem Ergebnis, dass sich viele dieser bedienen, sodass die Finanzierer sogar zu kurz kommen.
Nur leider hat sich noch niemand gefunden, weitere Bügel zu bezahlen, wenn diese dann durch Fremde genutzt werden. So ganz geht das Konzept natürlich nicht auf.
Hier sollte man einfach den Bedarf akzeptieren und weitere Bügel durch die Kommune aufstellen lassen.

Fahrradbügel werden fast überall gut angenommen und genutzt.

Auch wenn man jemanden dort Wohnenden mit dem Fahrrad besuchen möchte, freut man sich über Fahrradbügel. Ich hoffe mein Kommentar trägt zur Horizonterweiterung einiger (Stadträte) in dieser Stadt bei. Vom Vertreter welcher Partei das Argument kam, dass man Fahrradbügel nur in Verbindung mit Ladengeschäften bräuchte, erschreckt mich schon ein wenig.

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