Seit Monaten rumort jetzt die Diskussion um den Deponieberg Seehausen und die dort geplante Photovoltaikanlage der WEE, einer Tochtergesellschaft der Leipziger Stadtwerke und der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft mbH (WEV). Was die Handlungsspielräume des Leipziger Stadtrats extrem einengt. Was in der Ratsversammlung am 12. Oktober wieder zu erleben war.

Da setzte sich SPD-Stadträtin Christina März vehement für den SPD-Antrag ein, in dem es vor allem darum ging, so viel Grün auf dem Berg zu erhalten und – wenn dann Bäume gefällt werden müssen – diese möglichst im Ort, also in Seehausen neu zu pflanzen.

Richtig Gegenrede gab es dafür eigentlich nicht, auch wenn Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal darauf hinwies, dass die Entscheidung zum Bau der Photovoltaikanlage nicht im Leipziger Stadtrat gefällt werden kann, sondern in der Hoheit der WEV liegt, die hier nun einmal eine Deponie in Betreuung hat, die zwar nicht mehr befüllt wird, aber nach wie vor als Deponie gilt.

„Um den Ausbau von Photovoltaikanlagen als Erneuerbare Energie zu fördern, eignen sich Deponiestandorte, die sich insbesondere noch viele Jahre in der Rekultivierung und Nachsorge befinden und damit nicht für die Öffentlichkeit freigegeben sind, sehr gut“, heißt es z. B. in der Stellungnahme der Stadt zum SPD-Antrag.

„Die teilweise Belegung der Deponie Seehausen sowie umlaufender Flächen mit einer Freiflächen-Photovoltaikanlage mit einer geplanten Leistung von 29 MWp durch die Westsächsische Erneuerbare Energien GmbH und Co. KG (WEE), eine Beteiligungsgesellschaft der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft mbH (WEV) und der Stadtwerke Leipzig GmbH, soll dieses Vorhaben realisieren. Die WEV ist die Tochtergesellschaft des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW).“

Der hart in Anspruch genommene Nordraum

„Gerade die Ortsteile im Norden der Stadt tragen erhebliche Lasten der wirtschaftlichen Entwicklung, von der die Gesamtstadt profitiert. Deshalb muss ein Anliegen der Stadtverwaltung sein, hier zügig entsprechende Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen, um die Lebensqualität im Norden der Stadt zu erhalten und zu steigern. Das geht auch mit kleineren, zügig umsetzbaren Maßnahmen“, hatte die SPD-Fraktion die Dringlichkeit ihres Anliegens betont.

Und in dem Sinne äußerte sich auch CDU-Stadtrat Claus Uwe Rothkegel. Eine Ablehnung des SPD-Antrags, so zurückhaltend er war, wäre an diesem Tag wie eine Ohrfeige für die Seehausener rübergekommen.

Dass dahinter noch ein ganz anderer Ärger drohte, sprach Christina März aus, als sie auf das Dilemma einging, dass hier zwar ein frisch gewachsener Wald in Anspruch genommen wird, aber auf Dächern, versiegelten Gewerbeflächen und Parkplätzen in Leipzig so gut wie nichts passiert, was den Ausbau der Photovoltaik betrifft. Explizit nannte sie den großen P+R-Parkplatz an der Neuen Messe.

„Wir brauchen beides“, sagte sie.

Und so meldete sich am nächsten Tag auch Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek zu Wort:

„Von einer echten Solaroffensive und dem Zubau auf bereits versiegelten Flächen ist Leipzig noch weit entfernt. Vor diesem Hintergrund ist auch die geplante Anlage in Seehausen zu bewerten. Es ist völlig verständlich, dass Initiativen kritisieren, dass ausgerechnet dort gebaut werden soll, wo im Plan ursprünglich eine Vorrangfläche für Wald eingetragen wurde.

Es ist gerade auch nicht zu vermitteln, dass einerseits Waldflächen in Anspruch genommen werden sollen, während ein Großteil der Dächer und versiegelten Freiflächen, wie Parkplätze nicht genutzt werden. Daher sind auch alle Leipziger/-innen aufgerufen, sich an der Diskussion zu beteiligen.“

Deutliches Votum für Seehausener Grün

Es herrscht also in der Stadtratsmehrheit Einigkeit darüber, dass man für Seehausen so viel Grün sichern muss wie möglich.

Da Kasek die punktweise Abstimmung beantragt hatte, ist diese deutliche Mehrheit auch gut zu erkennen.

Der erste Antragspunkt der SPD-Fraktion lautete: „Ausgleichsmaßnahmen für die Eingriffe in die Natur sollen möglichst zu einem großen Teil direkt vor Ort realisiert werden. Dazu sind auch kleinteilige Maßnahmen wie Grün- oder Baumstreifen an Straßen und Radwegen sowie das Anlegen eines Grünstreifens an der Autobahn A 14, als Beitrag des Zweckverbandes auch im B-Plan-Gebiet vor Ort zu prüfen und ggf. zu realisieren.“

Er bekam deutliche 43:0 Stimmen bei zehn Enthaltungen.

Der zweite Antragspunkt: „Es soll möglichst viel Grün auf dem Berg erhalten bleiben und Lücken zwischen den PV-Anlagen mit geeigneten Pflanzen begrünt werden, soweit dies möglich ist, ohne die Leistung der Anlage einzuschränken. Ebenso sollen alle Wege rund um die Deponie, so weit möglich, saniert, begrünt und nutzbar gemacht werden (Bsp.: Podelwitzer Weg und Bergweg).“

Der bekam 40 Stimmen ohne Gegenstimmen bei neun Enthaltungen.

Nur der dritte Punkt fiel durch, den Linke-Stadtrat Oliver Gebhardt mit einem Änderungsantrag noch einmal nachgeschärft hatte:

„Die Stadtverwaltung prüft, ob es die Möglichkeit gibt, der Ortschaft bzw. dem Ortschaftsrat Seehausen entsprechend der Regelung zu § 6 EEG mit bis zu 0,2ct pro Kilowattstunde an den Einnahmen aus der Nutzung der Photovoltaikanlage zusätzlich zu seinen bisherigen Mitteln zur Verfügung zu stellen. Das Prüfergebnis ist bis Q4/2022 dem Finanzausschuss und dem Ortschaftsrat vorzulegen.“

Dieser Punkt bekam nur 21:22 Stimmen bei elf Enthaltungen. Das war knapp. Aber das hat wieder mit dem Zugriffsrecht der Stadt zu tun, die die Photovoltaikanlage ja nicht betreiben wird. Rechtlich ist es möglich, dass der Betreiber die Seehausener an den Einnahmen für den erzeugten Strom beteiligt.

Das wird dann die WEE entscheiden müssen. Wobei dieses Beteiligungsmodell ja für die Stadtwerke Leipzig prinzipiell in der Diskussion ist. Die Akzeptanz von neuen Photovoltaikanlagen wächst nun einmal, wenn die Bürger am Wohnort an den Einnahmen beteiligt werden.

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