Was nutzt es engagierten Vereinen, wenn sie bei ihrer Kritik an der Arbeit kommunaler Ämter Recht bekommen, wenn die Berechtigung ihrer Kritik an städtischen Entscheidungen erst nach der Zerstörung eines wichtigen Biotops bestätigt wird?

So wie es der Initiative Stadtnatur nun geschah, die extra Fachaufsichtsbeschwerde bei der Landesdirektion eingereicht hatte, weil aus ihrer Sicht die Brache am Bayerischen Bahnhof widerrechtlich beräumt worden war und ein wertvolles Habitat der Zauneidechse einfach zerstört wurde.

Die untere Naturschutzbehörde der Stadt Leipzig hätte die Beräumung gar nicht ohne gültigen B-Plan erlauben dürfen, teilte die Landesdirektion nun der Initiative Stadtnatur mit.

Die Initiative Stadtnatur Leipzig hatte gegen das Verwaltungshandeln bzw. das Nicht Handeln der Unteren Naturschutzbehörde und die Genehmigung der Zerstörung von Lebensräumen nicht nur der Zauneidechse, sondern aller Brutvögel und Insekten bei der Landesdirektion Sachsen Beschwerde eingelegt.

Die artenschutzrechtlichen Genehmigungen erfolgten ohne Artenschutzprüfung und vor dem Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 397.1 „Stadtraum Bayerischer Bahnhof – Stadtquartier Lößniger Straße“ im August.

Geschützte Arten gar nicht alle erfasst

In ihrer Stellungnahme gegenüber der Initiative Stadtnatur wird die Landesdirektion sehr deutlich: „Zusammenfassend ist festzustellen, dass Ihre Beschwerde überwiegend begründet war. Wir haben die untere Naturschutzbehörde angewiesen, die festgestellten Mängel zu beheben und künftig die einschlägigen Vorgaben strikt zu beachten. Wir danken Ihnen ausdrücklich für Ihr Engagement für den Arten- und Naturschutz im Gebiet der Stadt Leipzig und Ihre berechtigte Fachaufsichtsbeschwerde. Wir hoffen, Ihnen mit diesem Schreiben einen nachvollziehbaren Überblick über das Ergebnis unserer fachaufsichtlichen Prüfung gegeben zu haben.“

„Die Untere Naturschutzbehörde wurde bezüglich ihrer Verstöße gegen das Naturschutz- und Artenschutzrecht in mehrfacher Hinsicht gerügt. Das ist ein großer Erfolg. Wir weisen schon lange bei mehreren Bauprojekten auf die vorhabenträgerfreundliche und meist nicht rechtskonforme ‚Auslegung‘ des Naturschutzrechts durch die Behörde hin“, kommentiert die Initiative Stadtnatur die Prüfung durch die Landesdirektion.

Laut Anschreiben der Landesdirektion wurde die Untere Naturschutzbehörde aufgefordert, den Vorhabenträger zu einer nachträglichen Beantragung des Eingriffes anzuhalten. Ziel sei es, den Eingriff nachträglich zu genehmigen und dabei auch die erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bzw. Ersatzgeldzahlungen festzulegen.

Ein Problem dabei ist: Die Untere Naturschutzbehörde hat vor der Genehmigung gar nicht alle geschützten Arten auf dem Gelände erfasst.

Die Landesdirektion formulierte es so: „Notwendiger Bestandteil der artenschutzrechtlichen Prüfung wäre entweder eine naturschutzfachliche Erfassung der nur national besonders geschützten Arten oder eine Worst-Case-Annahme, die das Vorkommen aller aufgrund des Habitatpotentials zu erwartenden nur national besonders geschützten Arten unterstellt und daraus die notwendigen CEF- und FCS-Maßnahmen ableitet, gewesen.

Eine derartige Erfassung oder Worst-Case-Betrachtung unterblieb im konkreten Fall. Auch setzte sich der Artenschutzfachbeitrag zum Bebauungsplan 397.1 nicht mit den nur national besonders geschützten Arten auseinander. Es ist davon auszugehen, dass durch die Maßnahme zur Habitatpessimierung für die Zauneidechse artenschutzrechtliche Verbotstatbestände bezogen auf die nur national besonders geschützten Arten ausgelöst wurden.“

Schon die Abholzung erfüllte einen Verbotstatbestand

Dennoch gibt es eine Vorstellung davon, was da auf der jahrzehntelang brachliegenden Fläche durch die generelle Abholzung verloren gegangen ist, wie es die Landesdirektion umreißt: „Die von Ihnen gerügten Maßnahmen zur Habitatpessimierung für die Zauneidechse umfassten nach dem zugrunde liegenden Pessimierungskonzept eine Fläche von etwa 4 ha.

Auf dieser Fläche befanden sich umfassende Bereiche mit geschlossenem Gehölzbestand und lichter Kraut- und Gehölzsukzession, die (mit Ausnahme weniger der Gehölzschutzsatzung der Stadt Leipzig unterliegenden Gehölze) in ein Feinplanum umgewandelt wurden. Dieses soll zu einer mehrschürigen Wiese entwickelt werden, um die Attraktivität der Flächen für die Zauneidechse zu reduzieren. Damit gehen auf einer Fläche mit einer für eine Innenstadtlage in einer Großstadt erheblichen Ausdehnung alle Strukturen verloren, auf denen in Sträuchern und Gehölzen brütende europäische Vogelarten ihre Nester anlegen könnten.

Ein Ausweichen der Individuen in benachbarte Bereiche ist aufgrund der angrenzenden Bebauung und da davon auszugehen ist, dass die Reviere in den nicht beräumten Teilflächen des ehemaligen bayerischen Bahnhofs bereits besetzt sind, nicht anzunehmen. Daraus folgt, dass Reviere dieser Vogelarten dauerhaft verloren gehen werden. Dies ist der Entnahme von Fortpflanzungs- und Ruhestätten nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG gleichzusetzen und daher Artenschutz rechtlich nicht zulässig.

Eine entsprechende Einschätzung wurde auch von der Unteren Naturschutzbehörde im Rahmen der Erstellung des Artenschutzfachbeitrags zum Bebauungsplan 397.1 vertreten. Im Zusammenhang mit der Anzeige der Maßnahmen zur Habitatpessimierung durch den Vorhabenträger übersah die Untere Naturschutzbehörde jedoch, dass bereits die nahezu vollständige Entnahme der Gehölze auf den betreffenden Flächen den artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand auslöste und nicht erst die unmittelbar bauvorbereitenden Maßnahmen im Zuge der Realisierung des Bebauungsplanes 397.1. Diese Fehleinschätzung wurde fachaufsichtlich beanstandet.“

Es gibt keine Ersatzlebensräume im Umfeld

Aber es ist eben nur eine Rüge, die nachträglich das – teilweise voreilige – Handeln der Unteren Naturschutzbehörde kritisiert. Retten lässt sich damit am devastierten Gebiet am Bayerischen Bahnhof nichts.

Und so äußert sich denn auch die Initiative Stadtnatur recht enttäuscht: „Leider bleibt die Rüge aber bezüglich des besonderen Artenschutzes von Insekten, europäischen Vogelarten und der Zauneidechse weitgehend ohne Konsequenzen. Die Landesdirektion hält die Durchführung zusätzlicher Maßnahmen für diese Arten nicht für angemessen und zweckmäßig, u.a. weil der Bebauungsplan zwischenzeitlich beschlossen wurde und insektenbezogene Festsetzungen enthalte. Ein Umweltschaden durch den Vorhabenträger liege nicht vor, weil dieser sich umfassend mit der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt habe.“

Die Initiative Stadtnatur fordert deshalb weitere artenschutzrechtliche Maßnahmen.

„Die Lebensräume der Brutvögel auf dem Areal des Wilhelm-Leuschner-Platzes wurden vollständig vernichtet. Die Arten konnten – wie auch die Landesdirektion bestätigt – nicht ausweichen. Es wurden keine Ersatzlebensräume im Umfeld hergestellt. Die Zerstörung der Vegetation, die als Vermeidungsmaßnahme für die Zauneidechse dargestellt wurde, hat zu einer Beseitigung der Vegetation und vollständigen Planierung des Geländes geführt, obwohl vermutlich nur ein Teil der Zauneidechsen abgesammelt werden konnte.

Gemäß Endbericht zur Umsiedlung der Zauneidechse wurden nur 210 Tiere abgefangen, während bei den Kartierungen noch von bis zu 520 Individuen ausgegangen worden war. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Zauneidechsen in ihren Winterquartieren (im Boden in Zwischenräumen an Wurzeln z.B.) durch die Maßnahme getötet wurden.“

Die Initiative geht auch nach dem Prüfergebnis davon aus, dass auf dem Bayerischen Bahnhof ein Umweltschaden nach § 19 Bundesnaturschutzgesetz entstanden ist und dass weitere Artenschutzmaßnahmen für Zauneidechsen, Brutvögel und Insekten erforderlich sind. Und aus Sicht der Initiative hat auch der im August beschlossene Bebauungsplan die Zerstörung der wertvollen, artenreichen Brache am Bayerischen Bahnhof nicht geheilt.

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