Wenn man den Teufel an die Wand malt, dann kommt er auch. So könnte man das interpretieren, was den Förderkreis der Oper jetzt auf den Plan gerufen hat. Dort ist man nämlich die ständigen Schließungs-Diskussionen hinsichtlich der Leipziger Kulturszene leid. In Person des Vorsitzenden Wolfgang Ramsner zeigt man sich darüber verärgert und nagelte symbolisch 10 Kulturthesen an das Tor des Leipziger Rathauses.

Wolfgang Ramsner zu den Motiven des Vereins: “Uns fehlt völlig das Verständnis, wenn eine angebliche Finanzierungskrise im Promillebereich des städtischen Haushaltes lediglich zu einer Kürzungs- und Schließungsdiskussion führt. Die exzellenten Leipziger Kulturbetriebe sind für uns jedenfalls kein lästiger Kostenfaktor. Sie sind der wertvollste Aktivposten, den die Stadt Leipzig im internationalen Wettbewerb aufzubieten hat.”

Weiter heißt es in der Pressemeldung des Förderkreises, dass in vielen vergleichbaren Initiativen tausende ehrenamtliche Mitglieder aus voller Überzeugung und mit viel Erfolg daran arbeiten, dieses Kulturangebot mit privaten Mitteln zu fördern.
Ramsner weiter: “Das wird vollends unmöglich,wenn die politisch Verantwortlichen über jahrelange Kürzungsdebatten nicht hinauskommen. Wer soll denn private Mittel in ein Kulturprojekt einer Stadt stecken, die sich mehr und mehr aus der Verantwortung stiehlt. Dass die Stadt ihre Verantwortung nun bequemerweise auf externe Gutachter abschieben will, grenzt aus unserer Sicht an eine Bankrotterklärung.”

Und dann fragt Wolfgang Ramsner provokant; “Wieviel Geld kann ich für Schuhe sparen, wenn ich mir ein Bein amputieren lasse? Wer mit so einer Frage noch externen Sachverstand beauftragt, hat seinen aktiven politischen Gestaltungswillen verloren.”

Richtig wäre vielmehr, so der Vorsitzende weiter, eine Diskussion darüber, wie das hervorragende Kulturangebot künftig besser vermarktet werden könne. Gebraucht werde ein nachhaltiges Kulturentwicklungskonzept und ein offensives Stadtmarketing.

Ramsner abschließend: “Ich bin überzeugt, dass unzählige Leipziger, wie auch viele Gäste und Firmen gerne bereit sind, das Kulturangebot zu unterstützen und zu fördern. Unabdingbar dafür sind dann aber auch das materielle Bekenntnis der Stadt sowie eine positive, zukunftsorientierte Debatte.”1. Zum wiederholten Male werden die Leipziger Kulturbetriebe, besonders aber die Oper, in der politischen Debatte in die bloße Rolle von “Kostenfaktoren” gedrängt. Dies ist nicht hinnehmbar. Die Kulturbetriebe sind vielmehr unschätzbare Aktivposten für Leipzig, die nicht nur entscheidend Bekanntheit und Renommee unserer Stadt prägen, sondern auch in vielfältiger Weise zum finanziellen Einkommen der Stadt beitragen.

2. Eine Diskussion über unsere Kulturbetriebe, die sich allein auf die Frage beschränkt, welche Kürzungen oder gar Schließungen den geringsten Schaden anrichten, führt in die falsche Richtung. Aus ihr kann kein positives Szenario für eine gedeihliche Entwicklung unserer Kulturlandschaft erwachsen. Schon die Fragestellung an die Actori-Gutachter ist daher auf das Schärfste zu kritisieren.

3. Das exzellente Kulturangebot der Stadt Leipzig ist das wichtigste, vielleicht einzige internationale Alleinstellungsmerkmal unserer Stadt. Dieses Angebot weiterzuentwickeln und zu verstärken ist zentrale Aufgabe aller Verantwortlichen in Leipzig.

4. Ein gutachterlich vorhergesagtes zukünftiges “Finanzierungsloch” von angeblich etwa drei Promille des städtischen Haushaltes zum Anlass für Debatten über Sparten- oder Spielstättenschließungen zu nehmen ist nicht nachvollziehbar. Offenbar soll damit das Unvermögen der politisch Verantwortlichen verschleiert werden, eine nachhaltige und zukunftsorientierte Kulturpolitik für Leipzig zu formulieren. Für eine Stadt, die Kulturhauptstadt Europas werden will, ist eine Schließungsdiskussion ein Armutszeugnis.

5. Die Bemühungen zahlreicher ehrenamtlicher bürgerschaftlicher Vereinigungen, private Fördermittel für die Kultur in Leipzig zu mobilisieren, werden verunmöglicht, wenn die politisch Verantwortlichen in Leipzig die eigenen Betriebe schlecht reden, die Betriebe nur als Kostenfaktor begreifen und daher über eine ständige Kürzungs- und Schließungsdebatte nicht hinauskommen.

6. Gemessen an der weltweit einmaligen Musiktradition in Leipzig und an ihrem insgesamt exzellenten Kulturangebot bleibt dessen internationale Bekanntheit und damit der Nutzen für die Stadt bisher leider weit hinter den Möglichkeiten zurück. Den flagranten Defiziten beim Stadtmarketing und ebenso bei der Außenkommunikation der Stadt wird aber mit einer Strangulierungsdebatte bei den Kulturbetrieben nicht beizukommen sein.

7. Es soll nicht verkannt werden, dass finanzielle Zwänge eine Diskussion über Prioritäten und damit auch Nachrangigkeiten in der Kulturlandschaft erfordern. Dies muss aber in Respekt vor den Leipziger Traditionen, vor allem der Musik, erfolgen. Eine Überführung der Musikalischen Komödie in eine Jugendmusikeinrichtung – bei faktischer Entlassung des Ensembles – zu propagieren und dies eine “Fortentwicklung” * zu nennen, ist in unseren Augen geradezu eine Verhöhnung dieses traditionsreichen Hauses.

8. Notwendig sind hingegen eine Finanzierung und Vermarktung der Leipziger Kulturbetriebe nach dem Vorbild weltweit bekannter Kulturmetropolen. International einmaligen, ja konkurrenzlosen Museen einen Marketingetat zu verweigern, hoch renommierten Orchestern, Theatern oder Chören finanziell so enge Fesseln anzulegen, dass an offensive Werbung nicht zu denken ist, ist ein politischer Irrweg.

9. Die Leipziger Kulturentwicklung braucht Nachhaltigkeit. Kulturaufwendungen angeblich zu “deckeln”, in Wahrheit aber jährlich zu kürzen in der Erwartung, dass Kosten- und Lohnsteigerungen dauerhaft von den Kulturbetrieben selbst erwirtschaftet werden, ist ganz offensichtlich unrealistisch und lohnt keine nähere Betrachtung. Selbst nach massivsten Amputationen wäre mit diesem Vorgehen ein – fragwürdiger – Erfolg nur von kurzer Dauer.

10. Unsere Stadt braucht ein integriertes, aktives Stadtmarketing zur besseren Nutzbarmachung des exzellenten Leipziger Kulturangebotes. So lange uns viel kleinere Städte bei der internationalen Bekanntheit als Kulturmetropolen den Rang ablaufen, benötigen wir keine Schließungsdiskussion. Was wir brauchen ist eine ehrliche Bestandsaufnahme der Defizite unserer Kommunikation und als Konsequenz daraus deren Beseitigung.

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