Am 7. März berichteten wir an dieser Stelle über die Stellungnahme der Leipziger Stadtverwaltung zu einer Petition des Bündnisses „Leipzig kohlefrei“, das von 2.000 Leipzigern unterschrieben war. Die Stadt lehnte das Ansinnen der Petition ab. Und begründete das auch. Die Gründe muss man nicht teilen. Es ist durchaus eine spannende Frage: Kann Leipzig schon jetzt einfach aus dem Kohlestrom aussteigen und 2023 komplett auch aus der Lippendorfer Fernwärme?

Eine Frage, mit der sich der Leipziger Stadtrat beschäftigen muss. Unter anderem liegt ja der Antrag der Grünen-Fraktion zum Ausstieg aus der Fernwärmeversorgung von Lippendorf vor – die Verwaltung soll die Ausstiegsszenarien 2023 bzw. 2030 prüfen.

Das sind natürlich im Zeichen des Klimawandels sehr lange Ausstiegszeiträume, während derer im Kraftwerk Lippendorf weiter Braunkohle verbrannt wird.

Das Bündnis „Leipzig kohlefrei“ sieht die Chance, viel schneller zumindest aus dem Kohlestrom aussteigen zu können und die Verträge mit Lippendorf auch schon 2023 enden zu lassen.

Dazu hat das Bündnis seine Haltung noch einmal ausführlich erläutert. Wir bringen sie hier einfach in kompletter Länge als Stoff zum Diskutieren:

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Stellungnahme des Bündnisses „Leipzig kohlefrei“ zum Verwaltungsstandpunkt zur Petition „Kohleausstieg der Stadtwerke Leipzig“

Die Stadtverwaltung schlägt vor, unsere Petition abzulehnen. Die Begründung geht aber am Kern der Petition völlig vorbei. So versucht die Stadtverwaltung, sich vor der Verantwortung um eine nachhaltige Entwicklung zu drücken, obwohl diese von mehr als 2000 Bürgerinnen und Bürgern eingefordert wurde. Wir appellieren an die gesellschaftliche Verantwortung der Stadträte und der Verwaltung und möchten verhindern, dass unsere Petition ohne jede ernstzunehmende Diskussion abgewiesen wird.

1. Zur Ablehnung der Forderung: „Leipzig zum Vorreiter beim Klimaschutz machen“

Leipzig ist natürlich kein Vertragsstaat des Klimaabkommens von Paris. Die im Abkommen gestellten Zielvorgaben für die Bundesrepublik Deutschland sind allerdings nur durch Mitwirken der Kommunen, Länder und verschiedener zivilgesellschaftlicher Gruppen erreichbar. Daher ist es notwendig, dass auch Leipzig seinen Beitrag leistet.

Leipzig als Weltstadt mit vielen umweltbewussten Bürgerinnen und Bürgern ist prädestiniert dafür, zukunftstragende Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Die Stadt Leipzig muss dieser Verantwortung gerecht werden. Die Begründung erweckt den Anschein, dass die Stadt Leipzig versucht das Problem auszusitzen und damit auf künftige Generationen abzuschieben. Leipzig darf auch nicht die Verantwortung auf den Bund schieben und muss selbst aktiv werden. Würden alle Kommunen wie Leipzig argumentieren, würde das die völkerrechtlich verbindliche Einhaltung des Klimaabkommens von Paris stark erschweren. Die Stadtverwaltung macht es sich hier zu einfach. Leipzig wird einen angemessenen Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen. Im Sinne einer nachhaltigen Stadtpolitik ist es erforderlich, dass jetzt – und nicht erst irgendwann – damit begonnen wird.

Die Stadt Leipzig gibt sich das Etikett einer Klimaschutzkommune, wirksame Maßnahmen werden bisher jedoch nicht genügend und nicht schnell genug umgesetzt. Dies zeigt sich vor allem in der Stagnation der Treibhausgasemissionen pro Kopf, wie im Umsetzungsbericht zum kommunalen Klimaschutz deutlich wird. Der Verwaltung fehlt es am vorausschauenden Blick, unsere Stadt für künftige Generationen zu gestalten. Die Reaktion auf unsere Petition zeigt, dass es der Stadtverwaltung an einer Zukunftsvision fehlt und dass ein Strategiewechsel dringend notwendig ist. Wir werden weiter öffentlichen und politischen Druck ausüben, um den Kohleausstieg und den Klimaschutz in Leipzig voranzubringen.

2. Zur Ablehnung der Forderung: „Ausschluss von Kohlestrom im Strommix der Leipziger Stadtwerke“

Bisheriges Engagement: Es wird noch nicht genug getan. Die Stadtverwaltung schreibt, es werde bereits sehr viel für den Klimaschutz getan. Allerdings wurde das Thema Kohleausstieg bis zur Gründung des Bündnisses Leipzig kohlefrei nicht einmal im Ansatz behandelt. Deswegen gibt es auch keine Szenarien, auf die sich die Stadtverwaltung in einer fundierten Stellungnahme zu der Petition beziehen könnte.

Weiterhin wird in der Ablehnung suggeriert, die Stadtwerke könnten heute schon den Großteil Leipzigs mit erneuerbarem Strom versorgen. Letztlich verkaufen die Stadtwerke aber 28 % Kohlestrom an ihre Endkunden. Daran ändert auch das Schönrechnen durch die Stadtverwaltung nichts. Die Stadtverwaltung verweist auf ihr nachhaltiges Gaskraftwerk. Die Stromerzeugung aus Erdgas kann nur eine Brückentechnologie sein, ist aber keine langfristige Lösung. Wenn der Stadtverwaltung und dem Oberbürgermeister etwas am Klimaschutz gelegen ist, dann muss als erstes beim Kohlestrom angesetzt werden. Die Maßnahmen des Energie- und Klimaschutzplans 2014-2020 der Stadt Leipzig sind ein löblicher Anfang, reichen aber bei Weitem nicht aus und werden zudem nur schleppend umgesetzt. Das hat der BUND Leipzig bereits 2016 im Positionspapier „Leipzig erneuerbar“ angemahnt.

Wirtschaftlichkeit mit Erneuerbaren Energien nachhaltig sichern!

Das Argument, mehr Erneuerbare Energien würden höhere Kosten bedeuten, entspricht nicht mehr der heutigen Situation. Reine Ökostromanbieter arbeiten seit vielen Jahren wirtschaftlich und bieten 100 % erneuerbaren Strom. Die Strompreise sind im Falle der von Umweltverbänden empfohlenen Ökostromanbieter Greenpeace Energy und EWS Schönau günstiger als bei den Stadtwerken Leipzig. Es ist zu kurzfristig gedacht, über den Handel mit Graustrom Gewinn zu erwirtschaften, denn bei steigenden Preisen an der Börse kann der Kohlestrom (Graustrom) im Einkauf plötzlich deutlich teurer sein. Laut der Stadtverwaltung könne das Ökostrom-Angebot der Stadtwerke kurzfristig auf Kundenwunsch deutlich ausgeweitet werden. Die Stadtwerke nehmen das Thema Ökostrom aber nicht ernst: Ihr Ökostromangebot ist auf der Webseite versteckt, taucht in der prominenten Stromrechner-Übersicht nicht auf und wird nicht aktiv beworben. In einem ersten Schritt müssen die Stadtwerke daher ihr Ökostromangebot besser bewerben. Vor allem aber muss der Zubau von eigenen Erneuerbaren-Anlagen dringend in großem Maße vorangetrieben werden. Die Kosten, sich an den Klimawandel anzupassen, sind nicht überschaubar. Sie dürfen nicht ausgeblendet werden, weil sie erst in einigen Jahren entstehen. Jetzt in die Zukunft zu investieren, bedeutet große finanzielle Belastungen in der Zukunft zu vermeiden. Auch solche Kosten sind in Wirtschaftlichkeitsberechnungen aufzunehmen.

3. Zur Ablehnung der Forderung: „Zukunftsfähige Wärmeversorgung unabhängig vom Braunkohlekraftwerk Lippendorf“

Die Fernwärme-Lieferverträge mit dem Braunkohle-Kraftwerk Lippendorf enden, wie in unserer Forderung genannt, 2023, und nicht, wie fälschlicherweise durch die Stadtverwaltung wiedergegeben, 2030. Der Verwaltungsstandpunkt sagt, es werden bereits Szenarien erstellt. Die Petition fordert jedoch keine Szenarien, sondern Beschlüsse und konkrete Maßnahmen für eine Fernwärmeversorgung ohne die klimaschädliche Braunkohle. Somit geht die Begründung der Stadtverwaltung an unserer Forderung vorbei. Einen Entschluss im Sinne der Forderung kann der Stadtrat jetzt fällen, denn es ist klar, dass der Ausstieg kommen muss. So muss bereits jetzt mit dem Um- und Ausbau des Fernwärmenetzes begonnen werden, denn das Kraftwerk Lippendorf wird früher oder später vom Netz gehen und dann muss die Fernwärmeversorgung bereits ohne Braunkohle funktionieren.

Die Szenarien, welche laut Stadtratsantrag VI-A-04105-NF-02 erstellt werden sollen, untersuchen den Zeitpunkt für eine Wärmeversorgung für Leipzig, die ohne Braunkohle auskommt. Eine Entscheidung für eine saubere, kohlefreie und lokale Fernwärmeversorgung ist unabhängig von Jahreszahlen schon jetzt möglich und würde eine klare Zielmarke für die Entwicklung Leipzigs vorgeben.

Die Begründung der Stadtverwaltung geht zum großen Teil an unseren Forderungen vorbei, weicht aus und zeigt, dass eine vorausschauende Planung des Kohleausstiegs bisher nicht gewollt ist. Ohne ein zügiges Handeln beim Kohleausstieg wird das Energie- und Klimaschutzprogramm 2014-2020 obsolet – dieses ist ohnehin unzureichend und wird nur schleppend umgesetzt. Der Titel Klimaschutzkommune, den die Stadt trägt, darf nicht nur eine Werbefloskel sein. Leipzig wird dem Titel bisher nicht gerecht: der Titel muss durch Maßnahmen bestätigt werden, die über das Erstellen von Szenarien hinausgehen.

Wir fordern daher alle Mitglieder des Stadtrates auf, sich ausführlich mit dem Thema Kohleausstieg auf kommunaler Ebene auseinanderzusetzen, um der Verantwortung für uns und nachfolgende Generationen gerecht zu werden.

Die Petition soll den Anstoß zu einer zukunftsbewussten, enkeltauglichen, verantwortungsvollen Politik geben.

Der Stadtrat ist nun am Zug, diese Politik mit verschiedenen Beschlüssen umzusetzen. Der Kohleausstieg ist dafür nur ein Baustein, allerdings ein sehr wirkungsvoller.

Leipzig plant längst den Kohleaustieg und die Straßenbahn fährt seit dem 1. Januar mit Öko-Strom

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