Es zeichnete sich schon ab, als das Jobcenter Leipzig seinen Abschlussbericht für 2011 zur Abstimmung in die Dienstberatung des Oberbürgermeisters gab. Anfang April war das. Am 16. Mai soll das Papier dem Stadtrat zur Kenntnisnahme vorgelegt werden. Mit den Instrumenten von Hartz IV kommt Leipzig nicht runter von den hohen Bedarfszahlen. Und erst recht nicht von den enormen Kosten.

Im Arbeitsprogramm des Jobcenters mischen sich die Zielvorgaben. Der Bund will seine Kosten gedrückt sehen, die Stadt ist schon froh, wenn die ihr aufgehalsten Kosten für Unterkunft und Heizung nicht exorbitant weiter steigen.

Im Papier heißt es dazu im Klartext zu dem, was der Bund jetzt bei Leipzigs Arbeitslosen der 2. Klasse herausgeholt hat: “Die Zielvorgabe von 177,343 Mio. Euro wurde mit einer tatsächlichen Ausgabenhöhe von 179,906 Mio. Euro überschritten.”

Dabei hat man die Ausgaben für die so genannten “passiven Leistungen” auch 2011 wieder gedrückt, wo es nur ging – insgesamt um 8,092 Millionen Euro.

Natürlich würden die Kosten sinken. Das würde normalerweise funktionieren, wenn es in Leipzig irgendwie so etwas wie eine echte Beschäftigungsförderung gäbe. Das Wort wird zwar alle Nase lang benutzt, doch es hat keinen Inhalt. Außer dass man Unternehmen, die bei der Schaffung von Arbeitsplätzen rein auf Masse setzen und die Löhne mit allen durch die “Arbeitsmarktliberalisierung” möglichen Mitteln niedrig halten, seit Jahren den roten Teppich ausgerollt hat. Und dann freut man sich, wie das die offiziell gezählten Arbeitslosenzahlen drückt.

Leipzig ist zu einer Stadt der Callcenter, Päckchenpacker und Leiharbeiter geworden.

Das weiß man im Jobcenter Leipzig sehr gut. Doch die Ziele hat der Brotherr vorgegeben. Die Zahlen müssen runter.

Das Ziel 177 Millionen Euro war zu ehrgeizig, resümiert das Jobcenter in seiner Jahresauswertung. Seit Jahren presst es aus seinen Kunden heraus, was nur herauszupressen ist. 2008 und 2009 lag der “passive” Etat noch bei 193 Millionen Euro, 2010 wurde er auf 188 Millionen Euro gedrückt. Man ahnt da erst, wieviel Druck dazu gehört, diese Werte auf knapp 180 Millionen zu bekommen. 8 Millionen Euro, eingespart bei den Bedürftigsten.

Die dann in der Regel trotzdem bedürftig bleiben. Klartext im Bericht: “Die Zahl der erfolgreichen Integrationen in den 1. Arbeitsmarkt ist gegenüber 2010 gestiegen. Leider führt die Beschäftigungsaufnahme nicht immer zur Beendigung des Leistungsanspruches. Über 20.000 erwerbstätige Personen erhielten 2010 im Durchschnitt ergänzende SGB II-Leistungen.” 2011 werden die Zahlen nicht niedriger gewesen sein.

Das heißt: Die Stadt bleibt auf den ihr aufs Auge gedrückten Kosten für Unterkunft und Heizung sitzen. Deswegen hat sie nicht – wie der Bund – eine Senkung der Leistungen für Unterkunft (LfU) in die Zielvereinbarung geschrieben. Sie weiß ja, dass die Leute trotzdem wieder bei ihr landen, auch wenn sie für die Billighuber der Stadt vollzeitig arbeiten.

“Es wurde vereinbart, dass die Ausgaben für LfU im Jahr 2011 die Summe von max. 159,300 Mio. Euro nicht überschreiten sollen. Mit einer Höhe der Ausgabemittel von 155,953 Mio. Euro wurde der Zielwert unterschritten”, heißt es im Bericht des Jobcenters. 2010 lag diese Summe noch bei 154,898 Millionen. Leipzig hat also trotzdem wieder 1 Million Euro mehr hinblättern müssen. So werden in Deutschland Kosten verschoben – aber keine Probleme gelöst.Und so melden Arbeitsagentur und Jobcenter zwar auch im April 2012 wieder sinkende Arbeitslosenzahlen. In der Stadt Leipzig gibt es – Ende April – über beide Rechtskreise SGB III und SGB II hinweg insgesamt 32.348 arbeitslose Menschen. Im Vergleich zum Vormonat sind das 549 arbeitslose Menschen weniger. Davon entfallen 228 Personen auf den Rechtskreis SGB III und 321 auf den Rechtskreis SGB II.

Im Detail: Die Zahl der arbeitslosen Arbeitslosengeld II-Empfänger ist im Monat April auf 25.799 Personen gesunken. Das sind 321 Personen weniger als im Vormonat (26.120) und 3.304 weniger als noch vor einem Jahr (29.103).

“Der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt setzt sich auch im April fort. Dass wir mit unseren Vermittlungsfachkräften eine Reduzierung der Arbeitslosenzahlen erreicht haben, freut mich sehr”, sagt Dr. Simone Simon, Geschäftsführerin des Jobcenters Leipzig. “Besonders mit Blick auf die Zahl der Bedarfsgemeinschaften in Leipzig wird deutlich, dass die Richtung stimmt. Vor einem Jahr hat das Jobcenter Leipzig noch 47.210 Bedarfsgemeinschaften betreut, jetzt sind es noch 45.151. Einen Rückgang bei den Bedarfsgemeinschaften innerhalb eines Jahres von über 2.000 werte ich als schönen Erfolg. An diese gute Entwicklung werden wir anknüpfen und die Zahl der Menschen, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind, weiter senken”.

Das wird fortan eigentlich sogar ganz automatisch geschehen. Denn im Wesentlichen resultiert der Rückgang der Bedürftigenzahl im Bereich des Jobcenters aus dem Abgang der älteren Jahreskohorten in die Altersbedürftigkeit und dem seit 2010 deutlich verminderten Zugang von jungen Leuten im Arbeitsmarkt.

So standen 2011 zum Beispiel 5.000 Leipzigern, die mit 65 Jahren in den Ruhestand gingen, nur noch 2.600 junge Leute im Alter von 18 Jahren gegenüber. Der Leipziger Arbeitsmarkt hatte also rein rechnerisch 2.400 zusätzliche freie Arbeitskräfte zu bieten. Das ist im Jahr 2012 in ähnlicher Dimension ebenso.

Was ja bekanntlich auch seine positiven Seiten hat: Junge Leute bekommen schneller einen Ausbildungsplatz und bekommen danach auch deutlich schneller eine Vollerwerbsstelle als noch vor Jahren. Was sogar in der Einkommensentwicklung sichtbar wird.

Denn genau zu dem Zeitpunkt, als die geburtenschwachen Jahrgänge den Leipziger Arbeitsmarkt erreichten, begann sich das Einkommensniveau der 18- bis 34-Jährigen, das seit Jahren deutlich unter dem eh schon niedrigen Leipziger Durchschnitt lag, sichtbar zu erhöhen – von 826 Euro im Krisenjahr 2009 auf 914 Euro ein Jahr später und 972 Euro im Jahr 2011. Was natürlich die Voraussetzungen für Familiengründung in Leipzig ebenfalls verbessert.

Und was auch die Chancen von Jugendlichen verbessert, die sonst eine Dauerkarriere im Jobcenter vor sich gehabt hätten.

Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 2.378 Jugendliche unter 25 Jahren. Das sind 71 Jugendliche weniger als im Vormonat und 532 Jugendliche weniger als im April 2011.

Dass der Prozess den Bedürftigen am andern Ende der Altersskala kaum zugute kommt, belegt eine andere Zahl aus dem Jobcenter: Die Zahl der arbeitslosen Personen über 50 Jahre ist mit aktuell 7.074 im Vergleich zum Vormonat um 140 gefallen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist die Zahl insgesamt nur um 163 zurückgegangen.

Und: Die Zahl der langzeitarbeitslosen Männer und Frauen ist leicht um neun Personen auf nun insgesamt 10.442 Personen gesunken. Im Vergleich zum Vorjahresmonat konnte die Zahl der Langzeitarbeitslosen um 1.782 Personen reduziert werden.

“Das Ziel war die Verringerung der Personen mit einer Dauer der Kundenbetreuung größer 24 Monate im Vergleich zum Vorjahr um mindestens – 8,4 % auf 13.222 im Jahresdurchschnitt”, heißt es dazu im Jahresbericht des Jobcenters. “Mit einer Anzahl von 13.175 Kunden hat das Jobcenter Leipzig die Zielvereinbarung erfüllt. Gegenüber 2010 bedeutet das eine Verringerung um 1.263 Personen im Jahresdurchschnitt.”

Und wie schafft man das?

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Das Jobcenter dazu: “Vor allem Personen, die bereits seit längerer Zeit in Betreuung des Jobcenter waren, wurden bei der Umsetzung der beiden Bundesprogramme berücksichtigt. Damit haben die Integrationserfolge beim ‘Projekt 50plus’ und bei der ‘Bürgerarbeit’ zum Rückgang wesentlich mit beigetragen. Aber auch der verstärkte Einsatz von Aktivierungs- und Eingliederungsmaßnahmen haben zu dieser positiven Zielerreichung geführt.”

Die Zahlen zum “Projekt 50plus”: 3.780 betroffene Klienten des Jobcenters wurden “aktiviert”, wie es so schön heißt. Tatsächlich in den 1. Arbeitsmarkt vermittelt wurden 742. Wobei über die Qualität und Bezahlung der vermittelten Arbeit nichts gesagt ist.

Über “Bürgerarbeit” wurden 555 Personen in den 1. Arbeitsmarkt vermittelt. Aber das ist natürlich auch geschönt. Denn “Bürgerarbeit” ist, wie auch Wikipedia so schön definiert, Tätigkeit “im öffentlichen Interesse, für die kein regulärer Arbeitsmarkt besteht.” Entsprechend schlecht wird sie honoriert. 1. Arbeitsmarkt ist das nun wahrhaftig nicht.

Der Jahresbericht des Jobcenters Leipzig: http://notes.leipzig.de

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