Im Oktober 2013 zählt Deutschland 6,58 Millionen überschuldete Privatpersonen. Im Vorjahr lag die Zahl geringfügig höher (6,59 Millionen). Die Schuldnerquote betrug 2012 noch 9,65 Prozent, im Jahr 2013 sind es 9,81 Prozent, stellt die Creditreform Wirtschaftsforschung fest, die jetzt den neuesten Schuldneratlas für Deutschland vorgestellt hat.

Die Erhöhung der Quote kommt durch die Revision der Einwohnerzahlen in Deutschland zustande: Das Statistische Bundesamt erkannte auf der Basis eines neuen Zensus, dass Deutschland tatsächlich weniger Einwohner zählt als bisher angenommen. Die aktuelle Quote der Schuldner von 9,81 Prozent errechnet sich auf der Basis von 67,13 Millionen volljährigen Erwachsenen.

3,33 Millionen Haushalte sind überschuldet und nachhaltig zahlungsgestört. Und das trotz guter Konjunktur. Die Hauptursachen für das wirtschaftliche Aus von Verbrauchern sind immer noch in der Arbeitslosigkeit, der familiären Situation, Krankheit, Konsum und in gescheiterter Selbstständigkeit zu finden. Auf der Basis eines soliden Arbeitsmarkts mit steigender Beschäftigung hat die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. Auch eine gescheiterte Selbstständigkeit als Auslöser der Überschuldung spielt – im Zeichen einer geringeren Zahl von Neugründungen – eine untergeordnete Rolle (minus 12 bzw. minus 14 Prozent 2008/2013).

Dagegen haben Krankheitsgründe (plus 14 Prozent) sowie ein unangebrachtes Konsumverhalten (19 Prozent) in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen. Damit zeigt sich in Zeiten volkswirtschaftlicher Stabilität eine Kehrseite der Sicherheit: Verbraucher trauen sich die Finanzierung ihres Konsums eher zu.

Entsprechend hat der Anteil von Überschuldung mit leichter Intensität (weniger Gläubiger, geringere Forderungen und keine Eintragungen in Schuldnerverzeichnissen) gegenüber den Fällen mit harter Intensität zugenommen.

Überschuldung überhaupt liegt vor, wenn ein Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen in absehbarer Zeit nicht begleichen kann und ihm weder Vermögen noch andere Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen.Die Schuldnerquote in den neuen Bundesländern liegt mit 9,97 Prozent zwar geringfügig über der in den alten Ländern (9,78 Prozent), insgesamt haben sich aber die Schuldnerzahlen in Ost und West kaum verändert – im Gegensatz zum Trend des letzten Jahres ist die Überschuldung in Ostdeutschland aktuell stabil geblieben (2012 und 2013: jeweils 1,09 Millionen Schuldner – im Westen 2012: 5,51 Millionen Schuldner, 2013: 5,50 Millionen Schuldner).

Das durchschnittliche Schuldenvolumen in Deutschland beträgt 33.500 Euro (Vorjahr: 33.700 Euro).

Den höchsten Anteil überschuldeter Bürger weisen 2013 Bremerhaven (19,84 Prozent), Offenbach am Main (18,61 Prozent), Wuppertal (17,89 Prozent), Pirmasens (17,73 Prozent) sowie Halle/Saale (17,57 Prozent) auf. Die wenigsten Schuldner im Verhältnis zur Einwohnerzahl registrieren Eichstätt (3,71 Prozent), Erlangen-Höchstadt (4,63 Prozent) und Schweinfurt (4,81 Prozent).

An der Spitze der Großstädte stehen Duisburg (15,36 Prozent), Dortmund (14,01 Prozent) und Berlin (13,12 Prozent).Leipzig folgt mit 12,91 Prozent. Aber mit einem Zuwachs von 0,73 Prozent hat es deutlich stärker zugelegt als andere Großstädte. Dass es derart zugelegt hat, hat wiederum mit dem “Zensus 2011” zu tun, nach dem Leipzig überproportional an Einwohnern “eingebüßt” hat. Trotzdem liegt die Schuldnerquote deutlich höher als etwa in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden, wo Creditreform eine Schuldnerquote von 8,91 Prozent errechnet hat.

Aber es sind nicht primär lokale Ursachen, die die Überschuldung bedingen. Es sind – man könnte es fast erwarten – die Lebensumstände der Schuldner selbst: Aktuell ist die Zahl jugendlicher Schuldner unter 20 Jahren zwar von 216.000 Fällen (2012) auf 213.000 Fälle (2013) zurückgegangen, seit 2004 hat diese Altersgruppe jedoch mit einer Zunahme von 302 Prozent von 53.000 (2004) auf den aktuellen Wert von 213.000 am stärksten zugenommen. Eine markante Steigerung um 59,9 Prozent auf 1.581.000 Schuldner weist auch die nächste Altersgruppe der Twens zwischen 20 und 29 Jahren aus.

Diese Zunahme der Überschuldung bei den jüngeren Jahrgängen spricht im Grunde eine deutliche Sprache. Die Jungen bezahlen nämlich zuallererst für die Sparorgien der Alten – es sind ihre Arbeitsplätze, die mit den wilden “Arbeitsmarktreformen”seit 2002 in Midi- und Mini-Jobs verwandelt wurden, in schlecht oder gar nicht bezahlte Praktika. Und das bis in den universitären Bereich hinein, wo das Heer der billig arbeitenden studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte sogar die Beschäftigungsstatistik des Wissenschaftsministeriums aufhübscht. Die zunehmende Zahl von Studienkrediten erhöht die Schuldenlast der jungen Leute zusätzlich. Und es dauert immer länger, bis sie in Beschäftigungsverhältnisse kommen, mit denen sie den Schuldenberg abarbeiten können. Hier wird nicht “über die Verhältnisse” konsumiert, hier hält sich eine überalterte Gesellschaft mit all ihren “Reformen” an den jungen Jahrgängen wohlfeil.Aber die tatsächliche Reformunfähigkeit der letzten Regierungen macht sich auch am anderen Ende der Skala bemerkbar: Wenn auch auf deutlich geringerem Niveau absoluter Zahlen stimmt doch auch die Steigerung bei den über 70-jährigen Betroffenen von 42,3 Prozent auf 111.000 überschuldeter Privatpersonen von 2004 bis 2013 bedenklich. Heißt im Klartext: Von ihren geschrumpften Renten können immer mehr ältere Mitbürger die zwingend anfallenden Kosten nicht mehr begleichen. Besonders betroffen davon sind mittlerweile ältere Frauen.

Auch wenn sich die Zahl überschuldeter Frauen gegenüber dem letzten Jahr um 1,7 Prozent verringert hat (minus 40.000 Überschuldungsfälle) und die der Männer um 0,7 Prozent erhöht hat (plus 30.000 Fälle), bleibt es beim langjährigen Trend. Die Schuldnerquote der Frauen hat im Vergleich der Jahre 2004 und 2013 von 6,1 Prozent auf 6,9 Prozent zugenommen, die der männlichen Schuldner von 13,6 auf rund 12,9 Prozent abgenommen.

Noch ist Überschuldung eher Männern zuzuordnen: In Deutschland sind 2013 4,2 Millionen Schuldner männlich, 2,4 Millionen Schuldner weiblich. Was aber auch ein rein statistisches Problem sein kann, denn die meisten Großanschaffungen – wie Haus und Auto – laufen in deutschen Familien nach wie vor über den “Hauptverdiener” Ehemann. Das Ergebnis bekommen aber logischerweise auch die Frauen zu spüren.

Die Situation der Überschuldung hat sich 2013 in Deutschland gegenüber dem Vorjahr wenig verändert. Aber das gibt für Creditreform ein paar Rätsel auf: Es fragt sich, wie diese Stagnation auf hohem Niveau im Zeichen einer guten Konjunktur und eines soliden Arbeitsmarktes zu bewerten ist.

Vielleicht wirklich genau so: Die “gute Konjunktur” wird in Deutschland spätestens seit 2005 durch finanzielle Einbußen bei jüngeren und älteren Einwohnern abgefedert. Die einen stehen dem Arbeitsmarkt als Billigarbeitskräfte zur Verfügung, die anderen rutschen – oft nach lebenslanger Arbeit – trotzdem in die soziale Bedürftigkeit ab. Die Befürchtung von Creditreform ist berechtigt: Wenn das selbst in guten Konjunkturzeiten bestenfalls eine Stagnation ergibt, was passiert dann, wenn die Finanzkrise auch wieder auf Deutschland durchschlägt?

www.creditreform.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar