Die aktuellen Zahlen von Aufstockern in Sachsen liegen zwar noch nicht vor. Die bekommt der Landtagsabgeordnete der Linken Dr. Dietmar Pellmann auf seine aktuelle Anfrage hin erst im April. Aber dass das Thema "Aufstocker" gerade die Sozialetats der Kommunen belastet, ist ja bekannt. Und gerade der so heftig befeindete Mindestlohn könne daran etwas ändern, stellt die sächsische DGB-Vorsitzende Iris Kloppich fest.

Der geplante gesetzliche Mindestlohn würde die Haushalte von sächsischen Kommunen um rund 300 Millionen entlasten, schätzt sie. “Nicht nur Geringverdiener bekommen durch den Mindestlohn mehr Geld, sondern auch die sächsischen Kommunen werden deutlich entlastet”, sagte sie am Freitag, 28. März, dazu.

Die Kommunen und der Bund stocken die Einkommen von rund 47.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Sachsen mit monatlich durchschnittlich 530 Euro auf. Viele der betroffenen Niedriglöhner müssen in Zukunft nicht mehr zum Job-Center und ihre niedrigen Einkommen zusätzlich aufstocken.

Sie sind also nicht arbeitslos, müssen aber trotzdem zum Jobcenter gehen, um jene Lücke zu schließen, die ihnen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes fehlt.

Sehr verschwiemelt hat das ja im Mai 2013 mal die Bundesagentur für Arbeit ausgedrückt, als sie erklärte, Betroffene würden “durch steigende ‘Hartz IV’-Regelsätze,” besser gestellt, “die mehr Menschen am Rand der Existenzsicherung neu in das Grundsicherungssystem holen. Zum anderen kann es auch Folge steigender Miet- und Energiekosten sein, dass Single-Haushalte sich zusätzliche finanzielle Unterstützung holen.”Als wäre ein Hartz-IV-Satz eine Verbesserung und nicht Zeichen dafür, dass die steigenden Lebenserhaltungskosten immer mehr Niedriglöhner in Existenznot bringen. Die Bundesagentur spekulierte ja sogar darüber, dass man in ländlichen Regionen mit 900 Euro sogar prima über die Runden käme und “vermutlich ohne zusätzliche Transferleistungen” auskäme. Das kann man auch in Sachsen nicht. Aber der Spruch sagt eine Menge über die Einstellung der Nürnberger Verwalter. Das steuerrechtliche Existenzminimum in Deutschland liegt übrigens bei 1.045,04 Euro.

Dass Menschen trotz Vollzeitbeschäftigung in die knickrige Betreuung des Jobcenters gehen, ist nicht nur peinlich. Es zeigt erst, welchen Druck die Hartz-Reformen auf Beschäftigte in Deutschland tatsächlich aufbauen und wie dünn die Decke ist zwischen einer “auskömmlichen” Beschäftigung und der “Fürsorge” der Jobcenter.

“Es ist unerträglich, dass jährlich enorme Summen vom Steuerzahler aufgewendet werden, um Niedriglöhnern ein menschenwürdiges Einkommen zu sichern, weil Arbeitgeber ihre Beschäftigten nicht ordentlich bezahlen”, kritisiert deshalb die sächsische DGB-Chefin. Iris Kloppich warnte davor, weitere Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. “Jugendliche und Langzeitarbeitslose auszunehmen ist falsch. Jede weitere Ausnahme höhlt den Mindestlohn immer mehr aus. Das werden wir nicht hinnehmen. Würde kennt keine Ausnahmen. Für den DGB ist der Arbeitsvertrag der Maßstab für den gesetzlichen Mindestlohn”.

Für die Kommunen summiert sich die Bedürftigkeit der Menschen, die trotz Arbeit zum Jobcenter gehen müssen, um zum Beispiel das Geld für ihre Wohnung zu bekommen. In Leipzig sind es über 15.600 abhängig Beschäftigte, die ihr Erwerbseinkommen beim Jobcenter “aufstocken” müssen. Was dann den Haushalt der Kommune mit einer hohen zweistelligen Millionensumme belastet. Oder im Umkehrschluss: Die Stadt Leipzig subventioniert über diesen “Lohnzuschuss” eine ganze Reihe Unternehmen, die keine marktkonformen Löhne zahlen.

Wie sich die Einführung eines Mindestlohnes dann auf die Personalsituation auswirkt, ist in Teilen noch offen. Aber nach einer Erhebung des Ifo-Instituts und des Personaldienstleisters Randstad tragen sich nur 11 Prozent der in einer Studie befragten Unternehmen mit Entlassungen aufgrund des Mindestlohnes. Die meisten anderen werden die Mehrkosten dann wohl auf ihre Preise aufschlagen (müssen). Bestimmte Dienstleistungen wird es dann nicht mehr für “‘n Appel und ‘n Ei” geben. Aber wenn sie vor Ort gebraucht werden, werden sie auch nicht abwandern, wie manche Diskutanten immer befürchtet haben. Da die Einführung erst ab 2015 geplant ist, haben die meisten Unternehmen sogar Zeit, sich an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen.

www.dgb-sachsen.de

Unternehmensbefragung zum Mindestlohn: www.spiegel.de/karriere/berufsleben/mindestlohn-firmen-planen-kaum-entlassungen-a-959688.html

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