Die sächsische Arbeitsagentur hat es gerade recht drastisch auf den Punkt gebracht: Rund 600.000 Erwerbstätige gehen in Sachsen in den nächsten Jahren in Rente, nur 300.000 junge Berufsanfänger treten an ihre Stelle. Seit 2010 ist die Schere so auseinander gegangen. Und das ist auch der Hauptgrund dafür, dass Sachsen aktuell die stärksten Rückgänge bei den Arbeitslosenzahlen hat. Bundesweit.

Den Vergleich hat zum Jahresbeginn wieder Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) vorgelegt. Eine ähnliche Statistik hat er auch schon im Jahresverlauf gemacht. Immerhin waren die ostdeutschen Bundesländer über Jahre mit einer hohen Arbeitslosenzahl konfrontiert. Bis 2010 mussten halbe Jahrgänge von Berufsanfängern ihre Heimatbundesländer verlassen und im Westen und Süden der Republik nach einem Start ins Berufsleben suchen.

Das ist mittlerweile vorbei. Die Arbeitslosigkeit schmilzt im Osten sogar stärker ab als im Westen: “In Westdeutschland (zehn Länder) wurden 37.000 (1,9 %) weniger Arbeitslose registriert als im Dezember 2014, in Ostdeutschland 45.000 (5,7 %) weniger.” So bilanziert Schröder für den Dezember 2015. Überdeutlich wird, dass die ostdeutschen Bundesländer mittlerweile allesamt in einer Situation sind, in der sie ihre arge Not haben, die Arbeitsplätze aus dem eigenen Nachwuchs sichern zu können.

Was natürlich zu verstärkten Anstrengungen führt, auch jene Jugendlichen zur Ausbildungsreife zu bringen, die vor sechs Jahren noch chancenlos geblieben wären. Was im ersten Effekt dazu führt, dass die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen (unter 25 Jahren) deutlich sinkt.

Beispiel Sachsen: Waren im Dezember 2014 noch 10.878 junge Menschen in Sachsen arbeitslos registriert, waren es im Dezember nur noch 9.429. Das ist ein Rückgang von 13,3 Prozent. Und das ist bundesweit die Spitze. Länder wie Brandenburg (12,8 %) und Mecklenburg-Vorpommern (7,3 %) folgen dahinter. Und das wird so weitergehen. Viele Unternehmen haben mittlerweile ihre Möglichkeiten verbessert, die jungen Leute in eine Ausbildung zu bekommen und fit zu machen für den Beruf.

Noch hat Sachsen mit 5,9 Prozent Jugendarbeitslosigkeit einen vergleichsweise hohen Wert, liegt aber schon deutlich unterm ostdeutschen Durchschnitt von 7,6 Prozent. Es sind Länder wie Berlin (9,1 Prozent) und Sachsen-Anhalt (8,6 Prozent), die diesen Wert hoch halten, wo augenscheinlich der Hunger der vorhandenen Wirtschaft nach neuen Arbeitskräften auch noch nicht so hoch ist wie in Sachsen. Denn wenn solche Quoten so stark sinken, dann hat das mit einem vorhandenen Bedarf zu tun.

Das spiegelt sich auch in den Zahlen zum ALG I.

Im Dezember 2014 waren im Rechtskreis SGB III (das sind sie ALG-I-Empfänger in der Arbeitsagentur) noch 47.130 Personen registriert – ein Jahr später waren es noch 41.846.

Und nicht nur hier schmilzt die Reserve für den Arbeitsmarkt ab, sondern auch im Jobcenter bei den ALG-II-Empfängern. Hier sank die Zahl der Registrierten von 131.390 auf 121.544. Wobei nicht alle, die hier im Dezember 2015 nicht mehr verzeichnet waren, nun doch noch in Arbeit gekommen sind. Mehr als die Hälfte ist aus Altersgründen aus der Statistik gefallen.

Mit einem Rückgang der offiziellen Arbeitslosigkeit um 8,5 Prozent führt Sachsen die Liste der Bundesländer ebenfalls allein an, gefolgt von Brandenburg mit – 6,9 Prozent, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern mit jeweils – 5,8 Prozent. Die ostdeutschen Bundesländer liegen allesamt über dem bundesdeutschen Schnitt von 3,0 Prozent, während einige der westlichen Bundesländer sogar eine Zunahme der Arbeitslosigkeit registrierten. Besondere Probleme hat augenblicklich das Saarland, wo die Arbeitslosenzahl um 1,9 Prozent stieg, was sogar mehr war als in Bremen (+ 0,2 %) und Hamburg (+ 0,5 %).

Das Saarland hat besonders mit einer rapide wachsenden Jugendarbeitslosigkeit (+ 8,6 Prozent) zu tun, Bremen und Schleswig-Holstein in etwas abgeschwächter Form.

Die Struktur der Arbeitsmärkte hat sich also in den diversen Regionen völlig unterschiedlich entwickelt. Und das ostdeutsche Problem der seit 2010 quasi halbierten Jahrgänge der Berufsanfänger wird im Vergleich sehr deutlich sichtbar. Und die Aufgabe wird sichtbar, die die Unternehmen jetzt leisten müssen, denn die jahrelang aufgebaute Reserve junger Arbeitsloser, die nur aufgrund ihrer schlechten Vorbildung nicht in Arbeit kamen, ist (zumindest in Sachsen) fast aufgebraucht.

Dass gerade ältere Arbeitnehmer über 55 Jahre mittlerweile länger in Beschäftigung bleiben und die Statistik damit ebenfalls entlasten, ist aus den Zahlenreihen ja nicht ablesbar.

Aber die Frage steht wirklich: Wie decken die Unternehmen künftig ihren Bedarf an Arbeitskräften, wenn nun einmal der landeseigene Nachwuchs nicht ausreicht?

Ohne Zuwanderung und Integration von Ausländern wird das nicht gehen. Und fest steht eigentlich schon jetzt: Das Bundesland, das diese Integration am besten meistert, hat künftig die besseren Karten, im Wettbewerb der Regionen zu bestehen.

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