Nicht nur Menschen, die im Arbeitsleben stehen und trotzdem nicht genug verdienen, müssen beim Jobcenter eine „Aufstockung“ beantragen. Auch mehr als jeder Zehnte, der eigentlich Anspruch auf ALG I hat, muss aufstocken, weil das Arbeitslosengeld nicht zum Leben reicht. Für Sachsens Grüne ein klarer Grund, ein Mindestarbeitslosengeld zu fordern.

„Die aktuell positive Situation am Arbeitsmarkt darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eben auch viel Schatten gibt. Menschen, die nach Verlust des Arbeitsplatzes zwar einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben, dieses aber so gering ausfällt, dass sie gleichzeitig auf Hartz IV-Leistungen angewiesen sind, gehören zu den Verlierern der Solidargemeinschaft“, stellt dazu Petra Zais, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, fest. „Dass ihre Zahl auf hohem Niveau stagniert, ist besorgniserregend. Trotz Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung ist es ihnen nicht gelungen, sich für den Fall der Arbeitslosigkeit ausreichend abzusichern.“

In den westlichen Bundesländern ist der Anteil der ALG-I-Bezieher, die aufstocken müssen, seit 2007 kontinuierlich gewachsen von damals 7,8 Prozent auf 9,7 Prozent im Jahr 2015. Die Zahl der Betroffenen schwankt dort um die 60.000.

Im Osten waren zwar anteilmäßig von Anfang an mehr Menschen gezwungen, ein kärgliches ALG I aufzustocken – 15,4 Prozent waren es im Jahr 2007, wie Paul M. Schröder vom BIAJ festgestellt hat. 2015 lag der Anteil immer noch bei 15,4 Prozent. Die konkrete Zahl der Betroffenen aber ist gesunken – von 47.755 auf 29.808. Das hat mit der viel deutlicher gesunkenen Zahl von Menschen zu tun, die überhaupt noch Anspruch auf ALG I hatten. Während im Westen diese Zahl von 768.852 auf 638.753 fiel, hat sich diese Zahl von 310.776 auf 193.925 viel stärker verringert. Erstens kommt der Wirtschaftsaufschwung im Osten zuallererst den Menschen zugute, die in der Arbeitsagentur selbst betreut werden und deutlich schneller wieder in Arbeit kommen. Andererseits haben in den vergangenen Jahren viele Erwerbstätige so wenig verdient, dass sie im Fall der Arbeitslosigkeit gleich wieder in ALG II rutschten.

Es ist also ein mehr bürokratisches als in irgendeiner Weise sinnvolles System, das die „Arbeitsmarktreformer“ da mit ihrer Hartz-Gesetzgebung aufgelegt haben. Es bestraft genau die Menschen, die sich andienen mussten, „jeden zumutbaren Arbeitsplatz“ anzunehmen, auch noch dafür und macht sie zu Almosenempfängern, wenn sie den „zumutbaren Arbeitsplatz“ wieder verlieren.

„Niedriglöhner, Leiharbeiter und ArbeitnehmerInnen in Teilzeit müssen besser abgesichert werden. Dass sie trotz Arbeit in Hartz IV getrieben werden, ist unwürdig. Für sie ist die Arbeitslosenversicherung ein reines Zwangsabgabensystem, ohne im Falle der Arbeitslosigkeit tatsächlich vor Hartz IV schützen zu können“, erklärt Petra Zais dazu und plädiert für die Festsetzung eines Mindestarbeitslosengeldes, zunächst wenigstens für ehemals vollzeiterwerbstätige ArbeitslosengeldbezieherInnen: „Damit könnten eine Vielzahl Betroffener vor Hartz IV bewahrt und so das Vertrauen in die Arbeitslosenversicherung verbessert werden.“

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