Jetzt sind die Zahlen offiziell. Nach langem Knobeln und Rechnen und Prüfen hat das Statistische Landesamt die offiziellen Bevölkerungszahlen für den Freistaat zum 31. Dezember 2015 veröffentlicht. Und für Leipzig war es der erwartete knappe Sprung über eine neue Marke: 560.472 Menschen lebten offiziell in der wachsenden Stadt an der Pleiße.

Womit Leipzig binnen eines Jahres um 15.993 Einwohner wuchs. Genau wie erwartet. Die Zahlen aus dem Melderegister hatten ja genau das schon belegt.

Die Statistiker in Kamenz nehmen die Sache dann freilich noch genauer, denn auf ihren amtlichen Zahlen basiert so Einiges – unter anderem auch die Finanzierungszuweisung durch den Freistaat, wo es punktgenau um jeden einzelnen Kopf geht. Mehr Einwohner bedeuten mehr Zuweisungen.

Aber nicht nur Leipzig ist ja Zugmaschine des sächsischen Einwohnerwachstums. Auch Dresden hat 2015 wieder ordentlich zugelegt, wuchs von 536.308  auf 543.825.

Dasselbe gilt mittlerweile auch für Chemnitz, dessen Bevölkerung von 243.521 auf  248.645 wuchs. Natürlich spielte überall auch die starke Zuwanderung eine Rolle, ein Thema, über das pünktlich mit der Saure-Gurken-Zeit wieder allerlei Politiker anfangen zu lamentieren, weil sie nicht wissen, wie sie die Zuwanderung finanzieren sollen. Man spürt, wie sehr die aktuelle Politikergeneration ihr Verständnis für Zusammenhänge verloren hat – man beklagt sich über Zuwanderung, sieht aber nicht in der falschen Austeritätspolitik der Bundesregierung den Grund dafür, dass es bei allen, bei wirklich allen sozialen Investitionen klemmt. Das reichste Land Europas bekommt es nicht hin, den Bestand seiner Schulen, Brücken, Straßen und Sozialwohnungen zu sichern, Kommunen stecken tief in der Haushaltsklemme und Landesregierungen planen lieber für vergreisende Zwergstaaten als für ein offenes Wachstum ihrer zentralen Großstädte.

Wachstum hat sich verändert. Keine Frage. Was heute wächst, sind Metropolstrukturen – auch wenn nicht immer eine Metropole den zentralen Netzknoten bildet. Aber eine Stadt muss keine Riesenstadt sein, um wichtige zentrale Aufgaben zu übernehmen, die heute ein wirtschaftlicher Kern in der Region braucht – von IT-Infrastrukturen über die Mobilitätsangebote bis hin zu Gesundheit, Bildung, Kultur … ein ganzer Strauß von Aufgaben, die heute zur Grundlage modernen Lebens und Wirtschaftens gehören. Und die wie Magnete wirken für alle gut ausgebildeten Menschen in der Region und damit für die umfassende Wanderbewegung aus ländlichen Regionen in die Großstädte.

Eigentlich ein echtes Plus, das Sachsen da hat mit drei Großstädten. Doch die Landesregierung versucht sich lieber im Spagat, hält die Großstädte knapp, dämpft die Infrastrukturinvestitionen und sieht nicht, dass die wachsenden Großstädte auch das Land wieder mitziehen können.

Denn dass Sachsen keine Bevölkerungsverluste mehr aufweist, hat ganz allein mit dem Wachsen der Großstädte zu tun.

4.084.851 Einwohner hatte Sachsen offiziell im Dezember 2015, fast 30.000 mehr als im Dezember des Vorjahres, da waren es 4.055.274 gewesen. Es hätten zwar noch 20.000 mehr sein können. Aber wie man erlebt hat, hat ja auch die Bundesregierung alles dafür getan, um den Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland fast komplett zu drosseln – in einem mehr als faulen Deal mit einem unberechenbaren Autokraten am Bosporus.

Durch die Zuwanderung sind auch erstmals wieder die Landkreise gewachsen – Nordsachsen von 197.042 auf 197.605 und der Landkreis Leipzig von 257.647 auf 258.408.

Was so nicht bleiben wird, wenn die verhärteten Innenminister in Berlin und Dresden in der Zuwanderungspolitik weiter die Richtung vorgeben. Sie kommen aus ihrem ins Nationale verklemmte Denken nicht heraus. Tatsächlich machen sie schon lange nur noch Politik für eine alt gewordene, in Ängsten erstarrte Wählerschaft.

Das nutzt nur dem Land nichts. Und es ist Politik gegen die junge Bevölkerung, die für all diese alten Leute die Renten und Diäten erwirtschaften soll. Und es ist eine permanente Politik gegen die Städte mit ihren modernen Wirtschafts- und Lebensmodellen. Die großen Städte wachsen trotzdem weiter. Da helfen alle zugerammelten Grenzen nichts. Und damit wird natürlich die Frage drängender: Wie kann man dann die kleineren Städte stabilisieren? Welche Strukturen braucht es dafür?

Es sieht derzeit ganz so aus, dass eine logistisch gute Anbindung dieser Städte ans Netzwerk der Großen die beste Chance ist, sie an der Veränderung der Wirtschaftswelten teilhaben zu lassen und selbst zum Baustein der neuen Strukturen zu machen. Das braucht eine andere Beantwortung der demografischen Frage. Aber wie wird eine Regierung Antworten finden, wenn sie nicht mal die Frage danach stellt?

Die neuen Bevölkerungszahlen aus dem Landesamt für Statistik.

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