Geburtenfreude und Geld, geht das eigentlich zusammen? Eigentlich gehören doch Kinder zum Leben? Wäre da nicht das liebe Geld. Falk Abel und Andrea Schultz haben das Thema mal im neuen Quartalsbericht der Stadt untersucht: „Lebens- und Einkommenssituation Leipziger Familien“. Familien sind dabei Erwachsenenhaushalte mit mindestens einem minderjährigen Kind.

Das ist sowieso schon eine Minderheit. Die Zeiten, als Kinder ganz selbstverständlich zu fast jedem Haushalt gehörten, sind lange vorbei. Die letzten Jahrzehnte waren ein fortschreitender Prozess der Vereinzelung. Nur noch in 18 Prozent der Leipziger Haushalte sind überhaupt noch Kinder anzutreffen. Trotz steigender Kinderzahl. Aber dafür können die Kinder ja nichts und schon gar nicht die Eltern oder Nicht-Eltern.

Die Entscheidung, ob sich zwei Menschen trauen, eine Familie zu gründen, ist nur in dritter Linie eine Frage der Liebe. Auch wenn es Fernsehmärchen anders erzählen. In erster Linie ist es eine wirtschaftliche Frage: Kann man darauf vertrauen, dass man in den nächsten Jahren (gemeinsam) so sichere Einkommen hat, dass man dem Kind eine unbeschwerte Kindheit und Jugend garantieren kann?

Auch die zweite Dimension ist eigentlich eine wirtschaftliche: Kann man die Partnerschaft so konfliktarm gestalten, dass sie in den nächsten 18 bis 20 Jahren nicht einfach zerbricht, weil Freiräume zur Aussprache, Konfliktbewältigung und gegenseitige Stärkung verloren gehen?

Wer in den vergangenen 25 Jahren die Leipziger Rahmenbedingungen erlebt hat, weiß, dass diese Stadt riesiges Glück hatte, dass trotzdem noch Kinder geboren wurden. Da hat dann doch die Liebe gesiegt.

Was nicht bedeutet, dass diese Familien dann problemlos durch die ganzen heißen Phasen des Familienlebens kamen. Denn wenn 27 Prozent der Leipziger Familien solche mit Alleinerziehenden sind, dann heißt das eben auch, dass die Partnerschaften, die dem ursprünglich zugrunde lagen, in die Binsen gegangen sind. Hauptgründe sind immer wirtschaftliche, egal, wie man es dreht. Auch wenn es oft genug nach dem Versagen eines Partners aussah und aussieht.

Auf den Tag, da sich Leipzigs Statistiker einmal ausführlich mit den Problemen von Männern in einer mehrfachen Leistungsgesellschaft – und die gesellschaftlichen Erwartungen an ihre Prioritäten – beschäftigen, warten wir hier sehnlichst.

So bleiben auch die Zahlen zu Familien eben leider trocken und die Frage schwebt im Raum: Warum gibt es in Leipzig so viele Alleinerziehende?

Die Mehrheit der (jungen) Familien sind Paare. Sie verdienen in der Regel ganz gut, auch wenn man ein Haushaltseinkommen von 1.650 Euro (Paare mit einem Kind) oder 1.597 Euro (Paare mit mehreren Kindern) nicht wirklich als üppig bezeichnen kann. Das ist das Nettoäquivalenzeinkommen, das die beiden Statistiker hier zur Grundlage genommen haben. Was eigentlich kein Bild abgibt. Aber wir müssen ja Statistiker nicht immer verstehen, wenn die versuchen, Dinge auf höchste theoretische Ebene zu abstrahieren.

Denn 1.600 Euro sind wirklich wenig. Wir haben extra noch einmal in die Bürgerumfrage 2015 geschaut. Da sieht das schon anders aus. 78 Prozent der Paare mit Kindern hatten da nämlich ein Haushaltsnettoeinkommen von über 2.300 Euro.

Was den Satz natürlich auf andere Weise unterstreicht: Sie hatten wirklich ein vergleichsweise günstiges Einkommensverhältnis. Denn Leipzig ist eine Stadt, wo man im Normalfall zwei Vollverdiener braucht, um einen Haushalt schuldenfrei zu betreiben.

Schwierig wird es, wenn nur einer was verdient.

Das ist nicht nur das Problem der Alleinerziehenden, wo nur 15 Prozent mehr als 2.300 Euro Monatseinkommen hatten, was dann als Nettoäquivalenzeinkommen ausgedrückt nur noch 1.047 sind. Womit niemand etwas anfangen kann.

Was aber eben trotzdem bedeutet, dass 34 Prozent der Alleinerziehenden in Leipzig als armutsgefährdet gelten.

In einer Stadt wie Leipzig bedeutet aber Armutsgefährdung eben auch real Armut. Was deutlicher wird, wenn man sieht, dass 13 Prozent der Alleinerziehenden mit weniger als 1.100 Euro im Monat auskommen müssen. Das braucht echte Überlebenskünste.

Darüber hinaus wird es schwieriger, weil Leipzigs Statistiker beharrlich die Einkommensspanne „1.100 bis 2.300 Euro“ abfragen. Jeder Leipziger weiß, dass 1.100 Euro ein Armenbrot sind – man mit 2.300 Euro aber selbst mit Kind relativ gut zurechtkommt.

Die Schmerzgrenze liegt in der Region 1.600 bis 1.800 Euro. Aber so detailliert wird leider nicht gefragt.

Dass Alleinerziehende so oft armutsgefährdet sind, hat natürlich damit zu tun, dass sich ein Familienhaushalt, den man allein schmeißen muss, mit den meisten Jobangeboten in Leipzig nicht verträgt. 25 Prozent der Alleinerziehenden waren auch 2015 noch auf ALG oder Sozialhilfe angewiesen. Das waren schon deutlich weniger als 2012. Da waren es noch 36 Prozent. Aber die Statistiker betonen: Hier zählt die Sozialunterstützung als Hauptquelle des Lebensunterhaltes. Die Armutsgefährdungsquote deutet darauf hin, dass viele Alleinerziehende zwar einen Job haben – aber eher einen schlecht bezahlten, so dass sie weiterhin „aufstocken“ müssen.

Dazu kommt, dass sie nicht einfach wie Singles in noch kleinere Wohnungen ziehen können. Sie haben also prozentual auch noch höhere Mietbelastungen als alle anderen – im Schnitt 33 Prozent. Paare mit einem Kind haben z.B. nur eine Mietbelastung von 24 Prozent.

Man kann aus den Zahlen eine Besserung der Lage ablesen: Anteilmäßig sind weniger Alleinerziehende armutsbedroht und weniger Kinder in Armut als noch vor vier Jahren. Die tatsächlichen Zahlen schmelzen aber viel langsamer ab. Im Sommer waren noch immer 16.463 Kinder unter 15 Jahren in Leipziger Bedarfsgemeinschaften registriert, nur rund 300 weniger als im Vorjahr (nur knapp 2 Prozent weniger). Die Zahl der Alleinerziehenden in Bedarfsgemeinschaften betrug 7.251, knapp 250 weniger als vor einem Jahr.

Was darauf hindeutet, dass Alleinerziehende zumindest seltener in die Hilfsbedürftigkeit abrutschen und auch auskömmlichere Arbeit finden in Leipzig.

Was dann sogar die Lebenszufriedenheit erhöht. Im doppelten Sinn. Nicht nur, dass Alleinerziehende seit 2012 deutlich zufriedener sind mit ihrem Leben (der Wert stieg von 49 auf 66 Prozent). Denn wenn das Einkommen endlich wieder fürs Notwendigste reicht, dann fällt den Betroffenen ja nicht nur eine Last von den Schultern, sie haben auch wieder mehr Zeit für die Kinder und mehr Freude mit ihnen. Die Analyse von Abel und Schultz zeigt eines deutlich: Wenn beide Dinge da sind – eine auskömmliche Erwerbstätigkeit und Kinder, dann steigt der Zufriedenheitsfaktor noch stärker. Paare mit Kindern sind mit 82 bzw. 86 Prozent deutlich zufriedener als der Leipziger Durchschnitt.

Fazit: Kinder machen glücklicher.

Warum gibt es dann nur so verdammt viele Singles in Leipzig?

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