Am Freitag, 27. Januar, veröffentlichte das Statistische Landesamt die Beschäftigtenzahlen für Sachsen im Jahr 2016. Danach stieg die Erwerbstätigenzahl 2016 auf den Höchststand seit dem Jahr 1991. Durchschnittlich 2,033 Millionen Menschen hatten im vergangenen Jahr ihren Arbeitsplatz im Freistaat Sachsen, 19.000 mehr als noch 2015. Und sofort reklamierte die CDU diesen Erfolg für sich. Aber da liegt auch Alexander Krauß völlig daneben.

„In Sachsen geht es weiter stabil aufwärts, das zeigt der neue Erwerbstätigen-Rekord! In den vergangenen 25 Jahren gab es nicht so viele Jobs wie heute“, jubelte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU-Fraktion am Freitag, 27. Januar, und meinte sogar, Sachsens Wirtschaft boome. „Davon profitieren die Menschen, die dadurch in Lohn und Brot stehen. Mittlerweile haben wir prozentual weniger Arbeitslose im Vergleich zum Vorjahr als das größte westdeutsche Bundesland, Nordrhein-Westfalen. Das ist das Ergebnis von jahrelang erfolgreicher CDU-Politik!“

Wenn es nur so wäre.

Aber der simple Blick auf genau die Meldung des Sächsischen Landesamtes, die er bejubelt, zeigt: Sachsens CDU-Regierung kann nichts, reineweg gar nichts für diesen Zuwachs. Und von einem Boom kann nirgendwo die Rede sein.

Sachsen schwimmt auch im Jahr 2016 nur mit. Keinem einzigen der ostdeutschen Bundesländer ist es bislang gelungen, eine wirklich eigenständige tragende Wirtschaft aufzubauen. Sie hängen allesamt am Tropf der Nation. Und was die ostdeutschen Bundesländer seit 2010 erleben, ist vor allem eine Stabilisierung im Windschatten der westdeutschen Bundesländer. Dort wird nach wie vor das Tempo gemacht, sind die großen Firmenzentralen, passiert auch der Hauptteil des Beschäftigungsaufbaus.

Nicht vergessen ist, dass Sachsen mit seiner Wirtschaftspolitik bis 2014 auf das Thema Niedriglohn gesetzt hat, stärker als jedes andere ostdeutsche Bundesland.

Niedriglohn heißt aber auch immer: Dämpfung von Konsum und Auftragslage. Wo ein Drittel der Erwerbstätigen sich vom Magerlohn nichts leisten kann, fehlen auch heimischen Anbietern die Umsätze.

Das taucht – leider – in den Berechnungen der diversen Wirtschaftsinstitute nie auf. Höchstens indirekt, wenn man über stagnierende Umsätze im Einzelhandel jammert. Aber wenn diese Umsätze fehlen, dämpft das die Binnenkonjunktur. Nur die Zahlen fehlen. Waren es 0,1 Prozent, die am Umsatzwachstum fehlten? 0,5 Prozent? 1 Prozent?

Wenn der Arbeitsmarkt-Experte der CDU nun so jubelt, fragt man natürlich: Wo sind denn die großen Wirtschaftsprogramme der CDU in Sachsen?

Die findet man nicht. Es gibt sie auch nicht. Im Gegenteil: Da, wo investiert werden muss, wird gebremst. Beispiel erneuerbare Energien. Ein leidiges Thema, bei dem aber mittlerweile alle Nachbar-Bundesländer davonziehen, während Sachsen mit seiner Besessenheit von Kohle gerade in ein nächstes Finanzloch hineinsteuert, das sich problemlos mit dem Finanzloch durch das Sachsen-LB-Desaster vergleichen kann.

Und was heißt das?

Was heißt es, wenn ein Bundesland wie Sachsen seine eigene Investitionstätigkeit über zehn Jahre um 2,75 Milliarden Euro reduziert? Das ist ja das Geld, das man für die Folgekosten des Sachsen-LB-Unglücks aus dem Haushalt abgezweigt hat. 275 Millionen Euro jährlich, die man eben nicht in Schulen, Kitas, Brücken, Krankenhäuser usw. investiert hat.

Und wenn es Wirtschaftskompetenz gäbe bei der sächsischen CDU, dann wüsste man dort auch, dass nur investiertes Geld wieder Umsätze und Arbeitsplätze schafft.

Aber nicht nur da hat sich ja der Freistaat aus den Wirtschaftskreisläufen herausgespart. Dasselbe hat er ja auch mit seiner fatalen Personalpolitik getan und die eigene Funktionsfähigkeit auf Jahre hinaus beschädigt. Welche Folgekosten aber hat das, wenn 1.000 Polizisten, 2.000 Lehrer und an die 500 Angestellte im Justizwesen fehlen? Wie groß ist der volkswirtschaftliche Schaden?

Das Ergebnis ist in der Tabelle des Statistischen Landesamtes ablesbar: Sachsen landet nur bei 1,0 Prozent Arbeitskräftezuwachs. Das sieht nur wie ein Erfolg aus, wenn man nicht hinschaut, wo die eigentlichen Zugmaschinen im Osten sind. Das sind nun schon seit ebenfalls fast fünf Jahren Berlin mit 2,5 Prozent Zuwachs und Brandenburg mit 1,2 Prozent. Wobei Brandenburg teilweise im Schlepptau Berlins mitschwimmt.

Was den Fokus auf ein anderes Thema richtet, das die sächsische Investitionsstrategie völlig ausblendet: Dass das Wachstum mittlerweile gänzlich und allein in den Großstädten produziert wird. Die man in Sachsen mit allen Mitteln versucht auszubremsen, obwohl sie die Arbeitsplätze schaffen – vor allem in einem Geflecht von Dienstleistungsunternehmen, die in Sachsen nicht allzu viel Aufmerksamkeit bekommen.

Es deutet Vieles darauf hin, dass die in Sachsen praktizierte (Wirtschafts-)Politik nicht nur dafür gesorgt hat, dass Sachsen seine in den 1990er Jahren erreichte Position des Aufsteigers im Osten völlig eingebüßt hat und bei allen wirtschaftsrelevanten Faktoren auf Platz 3 abgeschmiert ist – hinter Berlin und Brandenburg. Und es deutet Vieles darauf hin, dass die Austeritätspolitik, die in Sachsen seit über zehn Jahren gefahren wird, dem Bundesland ein Wirtschaftswachstum von mindestens 0,5 Prozent im Jahr gekostet hat. Was man sich in Dresden natürlich wohlweislich hütet, einmal ausrechnen zu lassen. Zum Beispiel vom politiknahen ifo-Institut in Dresden.

Man könnte ja was lernen dabei. Aber man will nichts lernen. Und setzt sich dann Lorbeeren auf, die man gar nicht verdient hat.

Das Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum in Sachsen ist ein Geliehenes. Und selbst die 19.000 Arbeitsplätze, über die sich Alexander Krauß freut, sind deutlich weniger als das, was dieses Land eigentlich braucht. Denn nach wie vor ist der Freistaat selbst nicht wieder eingestiegen, sein Personal auf den nötigen Stand zu bringen. All die gerade erst beschlossenen Programme fürs Landespersonal werden frühestens ab 2019, 2020 Wirkung zeigen.

Tatsächlich wächst die sächsische Wirtschaft trotz der sächsischen Regierungspolitik, setzt sich die Rolle der kleinen Metropolkerne trotz aller provinziellen Kraftmeierei durch. Aber die Großstädte laufen die ganze Zeit mit Bleigewichten an den Füßen. Und die Ungnädigkeit der sächsischen Regierung diesen Metropolen gegenüber gehört mit zu diesen Bleigewichten. Es wird gebremst, nicht befeuert.

Ein Ruhmesblatt für die regierende CDU ist das nicht.

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