Am Freitag, 4. Januar, veröffentlichte die Arbeitsagentur die neuen Zahlen zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Dezember 2018. Demnach gab es ein kleines Plus bei den arbeitslos Gemeldeten. So klein, dass der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, Steffen Leonhardi, geradezu in Freudensprünge ausbrach. Zahlen können so schön sein.

„Das Jahr 2018 war für den Leipziger Arbeitsmarkt erneut ein gutes Jahr. So war in der Stadt im November und Dezember mit 6,1 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote seit 1991 zu verzeichnen. Der leichte Anstieg der Arbeitslosigkeit im Dezember um 224 Personen ist saisonbedingt und wirkte sich nicht auf die gegenwärtige Arbeitslosenquote von 6,1 Prozent aus. Dem steht für das zweite Quartal 2018 ein neuer Höchststand bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gegenüber. Allen Prognosen zufolge, setzt sich der Trend sinkender Arbeitslosigkeit und wachsender Beschäftigung auch im Jahr 2019 fort. Es bleibt für alle Akteure am Arbeitsmarkt noch einiges zu tun, aber die Richtung stimmt und die Entwicklung verstetigt sich“.

So Steffen Leonhardi in seiner Jahresbilanz 2018  zum Arbeitsmarkt.

Gleichzeitig kam eine Meldung des DGB Sachsen ins Haus, der zu Recht darauf hinwies, was für eine elementare Rolle die Einführung des Mindestlohns 2015 für die Beschäftigung und die wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen hatte. Gleichzeitig stieg der Stundensatz für den Mindestlohn mit Jahresbeginn auf 9,19 Euro – noch lange kein armutsfester Lohn, nicht ausreichend für eine gute Rente – für viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aber eine echte Entspannung in ihren finanziellen Nöten.

Aber der DGB ging auch auf die Effekte ein. Denn einige Branchen profitieren besonders stark vom Aufschwung. Und dabei sind einige von denen, die vor Einführung des Mindestlohns geradezu den wirtschaftlichen Kollaps des Ostens vorausgesagt hatten.

Das Gegenteil ist eingetreten. Und die Gewerkschaften hätten alles Recht der Welt, wenn sie plakatieren würden: „Ordentliche Bezahlung sorgt für wirtschaftliche Stabilität.“

Mindestlohn schafft Arbeitsplätze

Die Kurzbilanz des DGB: „Bis Ende September 2018 lag das Plus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Sachsen bei 7,4 Prozent. Besonders stark stieg die sozialversicherungspflichtige Teilzeit- und Vollzeit-Beschäftigung (ohne Minijobber) im Gastgewerbe mit 14,3 Prozent (Leipzig Stadt erreichte den Spitzenwert von 24,7 Prozent).

Der Bereich Information und Kommunikation punktet mit 23,1 Prozent Plus bei sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Der Wirtschaftszweig Heime und Sozialwesen legte hier um 16,8 Prozent zu, bei Verkehr und Lagerei zählte die Statistik bis September 2018 15,5 Prozent mehr Beschäftigte.“

Das behalten wir einfach mal im Hinterkopf, wenn wir uns die neuen Zahlen der Arbeitsagentur anschauen.

Im Dezember nahm die Zahl der arbeitslosen Menschen in Leipzig saisonbedingt zu, meldete die Arbeitsagentur. Nachdem in den letzten Monaten die Arbeitslosigkeit immer weiter zurückging, ist diese im Dezember leicht um 224 Personen gestiegen. Insgesamt waren im Dezember 2018 18.822 (Vormonat 19.046) Männer und Frauen in Leipzig arbeitslos gemeldet. Gegenüber Dezember 2017 ging die Arbeitslosigkeit um 2.099 Personen bzw. 10,0 Prozent deutlich zurück.

Rückgang der Arbeitslosigkeit in Arbeitsagentur und Jobcenter Leipzig seit 2012. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Rückgang der Arbeitslosigkeit in Arbeitsagentur und Jobcenter Leipzig seit 2012. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Das haken wir schon einmal ein, weil die Zahl von „224 Personen“ natürlich so allgemein ist, dass sie in Wirklichkeit in die Irre führt.

Denn die Zahlen, die die Arbeitsagentur verkündet, sind ja nur die Endsummen, das, was übrig bleibt, wenn man Abgänge in Arbeit, in Rente, in Ausbildung und die Zugänge aus Arbeit, Umschulung, Ausbildung usw. gegeneinander rechnet. Und schon der erste Blick in die Tabelle zeigt: So klein, wie die Zahl 224 wirkt, ist sie gar nicht. Der Winter bringt noch immer dieselben großen Schwankungen mit sich wie in allen Vorjahren.

Tatsächlich meldeten sich im Dezember 2.289 Menschen in der Arbeitsagentur Leipzig arbeitslos: 1.814 kamen direkt aus einer Arbeit auf dem 1. Arbeitsmarkt, 328 aus Beschäftigung im 2. Arbeitsmarkt und dazu kamen noch 135 Selbstständige.

Gegenrechnen kann man hier jene Menschen, die im Dezember irgendeine Art von Arbeit gefunden haben: 1.731.

Rechnerisch hätte die Leipziger Arbeitslosigkeit also um 558 steigen müssen.

Aber diese Entwicklung wird immer noch dadurch gedämpft, dass mehr arbeitslose Menschen in den Ruhestand gehen, als junge Leute aus der Ausbildung arbeitslos werden. Kamen im Dezember 1.932 Leipziger aus der Nichterwerbstätigkeit (wozu auch Arbeitsunfähigkeit gehört), so verabschiedeten sich im selben Zeitraum 2.200 Menschen ins Nichterwerbsleben. Die Differenz: 268.

Das ist der Hauptgrund dafür, warum die Arbeitslosigkeit vor allem im SGB II seit 2005 jedes Jahr um rund 2.000 Personen sinkt. Genau so verschwinden sie aus der Statistik und entsteht die offiziell so schön sinkende Arbeitslosenquote in Leipzig.

Die Zahlen im Einzelnen:

Bei den unter 25-Jährigen nahm die Arbeitslosigkeit unwesentlich um neun Personen bzw. 0,5 Prozent zu. In der Altersgruppe der 50-Jährigen und älteren betrug der Anstieg zum Vormonat 158 Personen bzw. 3,0 Prozent.

So zählte die Statistik im Dezember 1.695 Jugendliche unter 25 Jahren, das sind 37 Personen weniger als im Dezember 2017. Die Zahl der älteren Arbeitslosen ab 50 Jahren lag im Dezember bei 5.369 Personen (minus 605 zum Vorjahr).

Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen verzeichnete die Arbeitsagentur Leipzig im Dezember einen Rückgang gegenüber dem Vormonat. Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 1.561 freie Stellen zur Besetzung angeboten. Das waren 607 Stellen weniger als im davorliegenden Monat bzw. 225 Stellen weniger als vor einem Jahr.

Zum statistischen Zähltag im Dezember betrug die Arbeitslosenquote in der Stadt Leipzig 6,1 Prozent (Vormonat: 6,1 Prozent). Im Dezember 2017 lag sie noch bei 7,0 Prozent.

Im Dezember waren 5.951 Menschen in der Arbeitsagentur Leipzig arbeitslos gemeldet. Das waren 267 Personen mehr als im Vormonat. Beim Jobcenter Leipzig waren 12.871 Menschen arbeitslos registriert. Das waren 43 Personen weniger als im November.

In Leipzig gab es im Dezember 34.632 Bedarfsgemeinschaften. Das waren 266 Bedarfsgemeinschaften weniger als im Vormonat und 2.333 weniger als im Dezember 2017. Aktuell betreut das Jobcenter Leipzig 44.186 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat blieb deren Zahl fast unverändert (plus 35) und ging im Vergleich zum Vorjahr um 2.480 Personen bzw. 5,3 Prozent zurück.

Beschäftigungsauf- bzw. -abbau in einzelnen Wirtschaftsbereichen. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Beschäftigungsauf- bzw. -abbau in einzelnen Wirtschaftsbereichen. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

„Der Rückgang zum Vorjahr macht deutlich, dass die positive wirtschaftliche Entwicklung in Leipzig nicht an den Menschen, die im Jobcenter betreut werden, vorbeigeht“, zeigte sich Steffen Leonhardi überzeugt.

Die Zahlen deuten eher auf das Gegenteil hin. Einige Gruppen von Menschen profitieren so gut wie gar nicht von der Arbeitsmarktentwicklung.

So ging zwar die Zahl der Bedarfsgemeinschaften von 34.898 auf 34.632 zurück. Aber augenscheinlich betraf das so gut wie keine Familie oder Alleinerziehende mit Kindern. Die Zahl der Kinder (erfasst in der Gruppe der nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten) sank nicht, sondern scheint sogar noch gestiegen zu sein – jedenfalls stieg die Zahl der nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten von 16.796 auf 16.899.

Was im Klartext nach wie vor heißt: Leipzig bietet einfach nicht genug familiengerechte Arbeitsplätze.

Dass die Beschäftigung trotzdem steigt, hat vor allem mit dem Zuzug junger Menschen nach Leipzig zu tun. Leipzig ist neben Dresden der wichtigste Knotenpunkt, wo junge Leute in Scharen hinziehen, weil hier die modernen Ausbildungsangebote und die modernen Jobs zu finden sind. Was im Ergebnis heißt: Die ländlichen Regionen veröden weiter. Großstadt und Landkreise werden immer weiter auseinanderdriften – mit heute politisch schon sichtbaren Folgen.

Welche Beschäftigung entsteht?

„Wir sehen vor Ort auch weiterhin einen hohen Bedarf an Arbeits- und insbesondere Fachkräften. Die Unternehmen, aber auch der öffentliche Sektor in unserer wachsenden Stadt, blicken optimistisch in die Zukunft und wir wollen das Wachstum mit ganzer Kraft unterstützen. Gerade für langzeitarbeitslose Menschen bieten sich auch künftig gute Perspektiven für eine Beschäftigung. Ab diesem Jahr stehen dem Jobcenter für diese Personengruppe zusätzliche Förderinstrumente für die Aufnahme einer Beschäftigung in den Unternehmen zur Verfügung“, meint Steffen Leonhardi.

Was man aus Unternehmen und öffentlichem Sektor hört, besagt genau das Gegenteil: Man bekommt einfach nicht mehr genug Fachpersonal. In einigen Branchen ist der Arbeitsmarkt regelrecht leergegrast.

Im Juni 2018, dem letzten Quartalsstichtag, der nun aktuell veröffentlicht wurde, lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Arbeitsort Leipzig bei 269.009 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Gegenüber dem Vorjahresquartal war das eine Zunahme um 6.472 Beschäftigte bzw. 2,5 Prozent. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze war seit über 20 Jahren noch niemals so hoch.

„Im Jahr 2004 lag die Beschäftigtenzahl in Leipzig noch bei 191.170. Damit stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten innerhalb von 14 Jahren um fast 80.000. Das ist eine überaus erfreuliche Entwicklung“, erklärte Steffen Leonhardi. „Und auch die Prognose für das Jahr 2019 ist sehr positiv. In Leipzig erwartet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in den nächsten zwölf Monaten einen weiteren Zuwachs um mehr als 6.000 Arbeitsplätze.“

Welche Branchen tatsächlich richtig viele Beschäftigungsplätze geschaffen haben, zeigt die Grafik. Allen voran das Cluster Information und Kommunikation, das binnen eines Jahres 1.255 neue Jobs geschaffen hat. In den freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen, die ebenso hohe Qualifizierungsanforderungen haben, entstanden 878 neue Arbeitsplätze – oder mal so formuliert: 878 Arbeitsplätze wurden zusätzlich besetzt. Einige hundert Stellen konnten gar nicht besetzt werden. Im Bereich Information und Kommunikation sind nach wie vor 415 Stellen zur Vergabe ausgeschrieben.

Der Handel, Heime und Sozialwesen, Gesundheitswesen, Verkehr, Bauwesen – sie alle haben hunderte Stellen zusätzlich besetzt.

Während im Produzierenden Gewerbe sogar Stellen verschwanden. Und nicht nur dort. Der Bereich der Zeitarbeit ist sogar um 964 Beschäftigte geschrumpft. Die Arbeitnehmerüberlassung, die zwar nach wie vor das Stellenangebot beherrscht, verwandelt sich immer mehr zur eigentlichen Arbeitsvermittlungsagentur, besorgt die Leute, macht das Recruiting, das sich viele Unternehmen nicht mehr leisten (können), behält die Leute aber immer seltener in eigenen Arbeitsverträgen, sondern gibt sie augenscheinlich bald in Festanstellungen ab.

Aber man darf durchaus fragen: Wo sollen die 6.000 neuen Fachkräfte herkommen, wenn der Zuzug nach Leipzig zurückgeht und das nötige Wohnungsangebot in der Stadt fehlt?

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