Erst die Anträge der Ratsfraktionen sorgten dafür, dass 2019 überhaupt genug Geld für all die Straßenbaum-Neupflanzungen in den Haushalt eingestellt wurde, die die Stadt versprochen hatte. Und das ja bekanntlich auch erst nach jahrelangem Druck der Ratsfraktionen, endlich ein richtiges Straßenbaumkonzept auf den Weg zu bringen. Das hatte die Verwaltung auch erst 2019 fertig. Was für eine dramatische Entwicklung da gebremst wurde, machen jetzt zwei Grafiken deutlich.

Erarbeitet hat sie Alexander John, der das Thema ja auch aus Radfahrerperspektive begleitet. Denn immer wieder spielen diverse Parteien ja auch die (nicht ausgewiesenen) Radwege gegen mögliche Kfz-Stellplätze und Straßenbaumpflanzungen aus, sodass man das Gefühl bekommen könnte, die Bäume würden jetzt überall in der Stadt den teuren Parkraum auffressen.

Aber dem ist nicht so. Selbst bei den geplanten Umbauten von Ludwigstraße und Gaudigplatz sind nur ausnahmsweise neue Bäume geplant. Die Antwort, die Marianne Ramson dazu im Herbst 2019 von der Verwaltung bekam, war geradezu ausweichend. Ganz so, als hätte das Thema Straßengrün bei den Planern der Straße eigentlich keine Rolle gespielt.

In ihrer Einwohneranfrage hatte sie das Drama ein wenig auf den Punkt gebracht: „Bei der Vorstellung des Straßenbaumkonzeptes führte Ihr Umweltbürgermeister aus: ,Die konzeptionelle Erweiterung des Straßenbaumbestands gilt als eine zentrale Zukunftsaufgabe‘, ,Mit mehr Straßenbäumen für Leipzig soll nicht nur dem Luftreinhalteplan und dem Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum Rechnung getragen werden, sondern auch den Folgen des Klimawandels.‘ Ziel sei es, jährlich 1.000 Bäume neu zu pflanzen, so wie es schon der kürzlich erneuerte Luftreinhalteplan vorsehe. Schwerpunkt der Neupflanzungen sei der Leipziger Osten. Pro Monat müssten also durchschnittlich mehr als 83 Bäume gepflanzt werden. So viel zur Theorie.

Wie sieht die Praxis aus: entspr. Vorlage – VI-DS-08239 wird die Ludwigstraße zwischen Rosa-Luxemburg-Straße und Bussestraße im nächsten Jahr saniert. Mit der Begründung, dass „mit neuen Straßenbaumpflanzungen ein Beitrag zur notwendigen Anpassung an den Klimawandel geleistet wird“ sind in der Ludwigstraße auf einer Gesamtlänge von 120 Metern ( 2 x 60m (Nord- und Südseite)), ganze 2 (zwei !) neue Bäume vorgesehen. Im angrenzenden Baubereich in der Bussestraße nochmals 2 Bäume.

Ähnlich sieht es beim Umbau des Gaudigplatzes aus: gleichfalls ganze 2 neue Baumpflanzungen. Schaut man sich die Planungen zur Körnerstraße, Arndtstraße, Alfred-Kästner-Straße an, ergibt sich ein ähnliches Bild: Wenige Bäume und viele Parkplätze.“

Nachdem das Staßenbaumkonzept am 27. Juni 2019 endlich vom Stadtrat beschlossen worden war, hatte Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal gesagt: „Insgesamt zeigt das Straßenbaumkonzept zusätzlich zu den 57.000 bereits vorhandenen Straßenbäumen ein Potential von 45.000 weiteren Baumstandorten auf. Ein wesentlicher Baustein sind Erstpflanzungen in bisher baumlosen Straßen, vor allem in den stark verdichteten urbanen Stadtteilen, aber auch an Ortsteilverbindungsstraßen.“

Neupflanzungen von Straßenbäumen laut Statististisches Jahrbuch der Stadt Leipzig. Grafik: Alexander John
Neupflanzungen von Straßenbäumen laut Statistischem Jahrbuch der Stadt Leipzig. Grafik: Alexander John

Schon die 57.000 hätte stutzig machen müssen. Aber das Amt für Statistik und Wahlen weist im aktuellen Jahrbuch immer nur den aktuellen Baumbestand aus, nicht die Entwicklung bei den Straßenbäumen über die letzten Jahre hinweg. Die 57.000 waren auch schon übertrieben, denn gerade von 2016 zu 2017 hat die Stadt massiv an Straßenbäumen verloren, von über 60.000 fiel ihre Zahl auf 56.737 und dann 2018 noch weiter auf 56.417.

Die Fällbrigaden sind in Leipzig eindeutig schneller als die Pflanzbrigaden. Und die Statistik zeigt eben auch, was passiert, wenn die Verwaltung nicht Jahr für Jahr mindestens 1 Million Euro in den Aufbau des Bestands an Straßenbäumen investiert. Der Ökolöwe hat sogar 1,5 Millionen Euro gefordert. Wenn nicht nachgepflanzt wird, verliert die Stadt jedes Jahr um die 1.000 Bäume einfach durch Altersverlust.

Die Statistik der nachgepflanzten Bäume zeigt, dass sie den Verlust ab 2017 nicht mehr ausgleichen konnten. Nur 2014 und 2015 war die vom Stadtrat vorgegebene Zielmarke von 1.000 neuen Bäumen erreicht worden. In den Folgejahren waren es wieder nur zwischen 651 und 821.

Eine eindeutige Inkonsequenz, die sich auch nicht mit dem (späten) Beschluss zum Straßenbaumkonzept entschuldigen lässt, denn das definiert ja erst einmal zusätzliche Baumstandorte in Straßen, die noch keine Bäume hatten und haben. Ein Beispiel ist die Kochstraße im Leipziger Süden.

Tatsächlich hatte sich Leipzigs Verwaltung schon 2009 – mit dem damals beschlossenen Luftreinhalteplan – verpflichtet, allein von 2009 bis 2015 5.000 zusätzliche Straßenbäume zu pflanzen: „Verstärkte Begrünung von Straßenraum und Straßenrand (Vermeidung unbefestigter, vegetationsloser Flächen) – Erhöhung des Baumbestandes um 5.000 Bäume bis 2015 und Erhalt des Altbaumbestandes“, lautete der Punkt M4.2.

Das Ziel wurde zumindest angestrebt und die Baumzahl von 57.732 auf 61.063 erhöht. Aber dann schien man alle Schaufeln fallen gelassen zu haben. Ab da sank der Baumbestand wieder und mit 56.417 sogar noch unter den völlig ungenügenden Wert von 2009. Das aktuelle Jahrbuch weist freilich im Unterschied zu diesen Zahlen 1.122 Neupflanzungen für 2017 (?) aus.

Was aber für 2018 (?) trotzdem nur 56.729 Straßenbäume für Leipzig ergibt, also trotzdem weniger als 2009. Wahrscheinlich sind die Jahreszahlen noch nicht aktualisiert, sodass wir es hier mit den Zahlen von 2019 zu tun haben. Der Weg, auch nur die Zahlen von 2015 wieder zu erreichen, ist noch weit.

Leipziger Ökolöwe fordert jetzt schnelle Besetzung der Personalstellen und Beginn der Neupflanzungen

Leipziger Ökolöwe fordert jetzt schnelle Besetzung der Personalstellen und Beginn der Neupflanzungen

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Natürlich werden auch die L-IZ.de und die LEIPZIGER ZEITUNG in den kommenden Tagen und Wochen von den anstehenden Entwicklungen nicht unberührt bleiben. Ausfälle wegen Erkrankungen, Werbekunden, die keine Anzeigen mehr schalten, allgemeine Unsicherheiten bis hin zu Steuerlasten bei zurückgehenden Einnahmen sind auch bei unseren Zeitungen L-IZ.de und LZ zu befürchten.

Doch Aufgeben oder Bangemachen gilt nicht 😉 Selbstverständlich werden wir weiter für Sie berichten. Und wir haben bereits vor Tagen unser gesamtes Archiv für alle Leser geöffnet – es gibt also derzeit auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere selbstverständlich weitergehende Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar