Seit einem Jahr schaut auch der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) sehr besorgt auf die Zahlen der verkauften Autos in Deutschland. Immer mit der Hoffnung, das der Rückgang im Jahr 2020 vor allem mit der Corona-Pandemie zu tun haben könnte. Aber selbst die aktuellen Zahlen fürs erste Halbjahr 2021 deuten darauf hin, dass dahinter ein langanhaltender Trend steckt. Und dass die Aufnahmekapazitäten der deutschen Städte für immer mehr Autos ausgereizt sind.

Dass der Markt also gesättigt ist. Und das mehr als 58 Pkw auf 100 Einwohner praktisch nicht geht, wenn überhaupt noch Kinder übrig bleiben, die noch keine Fahrerlaubnis haben. Und Menschen, die nur ÖPNV, Fahrrad oder ihre Füße benutzen. Aber irgendwie steckt in der deutschen Verkehrspolitik immernoch der Glaube, man könne den Pkw-Bestand in Deutschland unendlich steigern.Dabei ist Deutschland schon heute ein Land, das viel größere Flächen mit immer dichteren Autobahnnetzen zugebaut hat als alle anderen Länder Europas. Auch darüber berichtete das Statistische Bundesamt am 11. September 2020: „2019 standen knapp 230 000 Kilometer Straßen des überörtlichen Verkehrs etwa ein Sechstel an Schienen-Streckenlänge gegenüber (42.000 Kilometer inklusive Straßen- und Anschlussbahnen). (…) Während die Zahl der Autos in Deutschland seit Jahren steigt, stagnierte die Länge des Straßennetzes des überörtlichen Verkehrs. Von 1995 bis 2019 wuchs es in Deutschland um rund 1.200 Kilometer auf 230.000 Kilometer (+0,5 %).“

„Nach der deutschen Vereinigung standen vor allem Straßen in den östlichen Bundesländern im Fokus. Während zwischen 1995 und 2019 die Länge der Straßen des überörtlichen Verkehrs dort von 54.450 Kilometern auf 56.300 Kilometer anstieg (+3,4 %), ging im selben Zeitraum die Straßenlänge in den westlichen Bundesländern geringfügig zurück: von rund 174 150 auf 173 500 Kilometer (-0,4 %).“

Ihre Umsätze haben deutsche Autobauer in den vergangenen Jahren vor allen mit Exporten abgesichert. Der deutsche Markt selbst stagniert. Trotz all der Geschichten um Neu-Autofahrer, die vom ÖPNV aufs Auto umgestiegen sind, um einer Ansteckung mit COVID-19 auszuweichen.

Neuzulassungen im Juni. Grafik: VDIK
Neuzulassungen im Juni. Grafik: VDIK

Das aber treibt die Verkaufszahlen nicht wirklich in die Höhe. „In Deutschland wurden im ersten Halbjahr 2021 rund 1,39 Millionen Pkw neu zugelassen. Das ist ein Plus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dennoch erreichte der Markt nur das zweitniedrigste Niveau seit 1991“, meldet der VDIK, wozu Reinhard Zirpel, Präsident des Verbandes, erklärt: „Nach dem dramatischen Einbruch im vergangenen Jahr erholt sich der Pkw-Markt im laufenden Jahr nur langsam. Die Neuzulassungen bleiben 2021 noch deutlich unter dem Niveau vor Beginn der Corona-Pandemie. Besser sieht es dagegen im Nutzfahrzeug-Markt aus, der sein Vorkrisenlevel wieder erreicht.“

Hier ist es wieder, das Märchen vom „sich erholenden Markt“. Der Auto-Markt ist nicht krank. Er ist nur gesättigt, übersättigt mittlerweile, wenn man sich die wachsenden Stellplatzprobleme in den Großstädten so anschaut.

„Der Markt der privaten Neuzulassungen erholte sich deutlich langsamer als der Gesamtmarkt. Mit 455.000 Fahrzeugen von Januar bis Juni beträgt das Plus nur 7 Prozent“, bedauert der VDIK. „Viele Privatkunden hatten in der zweiten Hälfte 2020 früher als geplant einen Neuwagen gekauft, um von der gesenkten Mehrwertsteuer zu profitieren. Diese Nachfrage fehlt nun. Im zweiten Halbjahr 2021 wird der Privatmarkt voraussichtlich hinter dem Rekordniveau des Vorjahreszeitraums zurückbleiben.“

Was einmal mehr bestätigt, dass all die vom Bund gewährten Vergünstigungen für den Autokauf jedes Mal (wie schon 2009) wie ein Strohfeuer verpuffen. Sie gehen von einem unerschöpflichen Marktwachstum aus, das es in einer stagnierenden Gesellschaft nicht geben kann. Erst recht nicht, wenn gerade junge Menschen lieber ein Leben ohne Auto wählen. Was für Deutschlands Autobauer schon lange heißt, dass sie ihr Geschäftsfeld langsam aber sicher ändern müssen.

Selbst der Einstieg in den E-Auto-Markt erfolgt ja erstaunlich spät. Aber just seit dem Corona-Jahr 2020 kommt diese Entwicklung endlich in Gang. Noch haben zwar nicht alle deutschen Autobauer ein Ende ihrer Verbrenner-Produktion bekannt gegeben. Aber VW hat schon einmal das Jahr 2035 als Enddatum für den letzten Verbrenner genannt. Was natürlich viel zu spät ist. Hier spukt augenscheinlich das viel zu späte Ausstiegsdatum aus der Kohleverbrennung mit herüber in die Welt der Autobauer.

Aber jedes Enddatum für die fossile Technologie über das Jahr 2029 hinaus ist viel zu spät und verträgt sich nicht ansatzweise mit den deutschen Klimazielen.

Und so meldet der VDIK: „Deutliche Steigerungsraten verzeichneten weiterhin die alternativen Antriebe. Im ersten Halbjahr wurden rund 540.000 Pkw mit einer alternativen Antriebstechnik neu zugelassen. Das entspricht einem Plus von 159 Prozent. Der Anteil der neu zugelassenen Pkw mit einem alternativen Antrieb betrug 39 Prozent (Vorjahreszeitraum: 17 Prozent) und war damit so hoch wie der Marktanteil für herkömmliche Benziner (39 Prozent). Der Markt für Diesel-Pkw belief sich im ersten Halbjahr auf 314.500 Einheiten und war mit minus 19 Prozent weiter rückläufig. Für die Benziner lag das Minus bei 13 Prozent, es wurden 537.000 Fahrzeuge neu zugelassen.“

So richtig abfinden mit dem Ende des „Wachstums“ mag sich der VDIK nicht und erwartet für das zweite Halbjahr mit 1,7 Millionen neuen Pkw ein Marktvolumen auf dem Niveau des Vorjahres. Im Gesamtjahr 2021 würden so nach VDIK-Schätzung 3,1 Millionen Pkw-Neuzulassungen erreicht. Das entspräche einem Wachstum von 6 Prozent. Was im Angesicht der verstopften Städte einfach nur die Frage aufwirft: Wo soll das ganze Blech eigentlich parken?

Zirpel aber zeigt sich zuversichtlich: „Der Gesamtmarkt wird dann nur noch 4 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt liegen. Mit anderen Worten: Wir erwarten im zweiten Halbjahr einen stärkeren Markt als in den ersten sechs Monaten.“ Unter allen Neuzulassungen werden nach VDIK-Schätzung im laufenden Jahr über 700.000 Pkw einen elektrischen Antrieb (rein batterieelektrisch oder Plug-In-Hybrid) haben.

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Die Lösung ist doch ganz einfach: Autos bauen, die nach 25 Monaten kaputtgehen, so dass jede Garantie abgelaufen ist und also ein neues Auto gekauft werden muss. Dann gibts auch wieder mehr Absatz…

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