Transparenz ist eines dieser modernen Schlagworte, die sich im politischen Alltag so schön benutzen lassen. Aber wenn es tatsächlich ernst wird, Entscheidungsprozesse für den Bürger durchschaubar zu machen, dann tauchen immer wieder dubiose "Geheim!"-Stempel oder amtliche Verfahrenshoheiten auf, die einen Einblick leider nicht erlauben. Deswegen sollte Leipzig eigentlich schon am 30. Juni 2011 eine Informationsfreiheitssatzung bekommen.

Einen entsprechenden Vorstoß der Grünen-Fraktion befürwortete der Stadtrat in seiner Sitzung im März 2011. Im Beschluss stand der Umsetzungstag: 30. Juni 2011. Der verstrich. Ging in diversen Skandalen und Skandälchen unter. Zu nennen sei nur das Thema “Herrenlose Grundstücke”, das das Verwaltungsdezernat nun seit einem dreiviertel Jahr wieder beschäftigt und teilweise fast lahm gelegt hat.

In der Ratssitzung vom 18. April fragten die Grünen also nach. Ist ja nicht das einzige Thema, mit dem die Stadt Leipzig auf den Weg zu einer modernen Großstadt des 21. Jahrhunderts kommen sollte. Alles passiert ja mehr oder weniger gleichzeitig – aus gutem Grund: Die Umbrüche sind für die Bürger längst da. Sie müssen gestaltet werden. Von der umweltgerechten Verkehrspolitik über eine energiesparende Klimapolitik bis in die Art hinein, heutzutage Politik zu machen. Gerade die großen Proteste der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Hinterzimmerpolitik, die von einigen Parteien noch immer praktiziert wird, sichtbar negative Ergebnisse zeitigt. Sei es der Bau eines sinnlos überteuerten Bahnhofs in Stuttgart, die undurchsichtige Planung für den neuen Großflughafen Berlin-Schönefeld oder die Energiepolitik auf dem Schoß der vier großen Energiekonzerne.

Die modernen Medien machen’s möglich: Die Bürger sehen die Herren Lobbyisten geradezu hineinflitzen in die Amtstuben und zu den “Gipfeltreffen”, auf denen die politischen Beschlüsse ausgehandelt werden. Sie sehen praktisch schon in der Anbahnung, wie ihnen das Geld zugunsten einiger dubioser Unterhändler aus der Tasche verhandelt wird.In Sachsen und Leipzig ist das nicht besser. Die Bundesrepublik hat seit 2006 zumindest ein Informationsfreiheitsgesetz. Es hat noch seine Schwachstellen. Keine Frage. Noch sind die Spielräume der Bundesregierung, für sie brisanten Akten nicht frei zu geben, sehr groß.

Elf Bundesländer haben sich seit 1998 Informationsfreiheitsgesetze gegeben. Brandenburg war damals das erste Bundesland. Sachsen gehört heute – neben Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und Niedersachsen – zu den letzten Provinzkönigreichen, die sich dieser Transparenz verweigern. Was nicht ausschließt, dass zumindest die Kommunen für sich Informationsfreiheitssatzungen beschließen. Da sind Kommunen in Westdeutschland mittlerweile deutlich weiter als die im Osten. In Bayern, wo sich die Staatsregierung der Transparenz massiv verweigert, ist auf kommunaler Ebene eine regelrechte Tansparenz-Kultur entstanden, in der sich die Akteure mit immer weiterer Öffnung der Zugänge zu Amtsinformationen geradezu überbieten.

Im Osten scheint man da noch recht amtshörig. Leipzig wäre als Großstadt noch jetzt Vorreiter in dieser Beziehung. Und am 20. Juni 2012 soll es tatsächlich so weit sein. Seit dem 10. Mai ist – nachdem die Grünen so deutlich nachgefragt hatten – der Verwaltungsentwurf für eine “Informationsfreiheitssatzung der Stadt Leipzig” zur Begutachtung in den Fraktionen.Er ist noch nicht das, was sich die Grünen erwartet haben. Was daran liegen kann, dass das Papier in gewisser Hektik erstellt wurde, weil das Dezernat derzeit außer Atem ist. Es kann aber auch sein, dass die Verwaltung doch wieder vor der hohen Hürde scheute. Denn wer Transparenz zulässt, der gibt auch Wissen preis. Der bekommt es mit Bürgen zu tun, die im Streitfall genauso viel wissen wie die Amtsträger. Deswegen sind einige nicht ganz unwichtige Hürden eingebaut. So zum Beispiel die Tatsache, dass der Antrag auf Auskunft bei der zuständigen Stelle gestellt werden muss. Was den eh schon schlecht informierten Bürger vor das erste Rätsel stellt: Wo in diesem Ämterwirrwarr ist nun für meine Frage die zuständige Stelle?

Schon so simple Fälle wie der Bau eines Einkaufscenters zeigen schnell, dass es die Bürger – wenn sie sich mal trauen – mit einem ganzen Kompetenzfeld verschiedenster Ämter zu tun haben. Der eine kümmert sich um die Bauplanvorgaben, der nächste um den Verkehr, der dritte um die Anmaßungen der Umweltverbände … – In Lindenau ja in schönster Praxis durchexerziert: Eine Verkehrsleitplanung für das Kaufland-Center existierte weder beim B-Plan-Beschluss noch bei der Baugenehmigung, noch bei der Eröffnung am 9. Mai.

Der Bürger darf sich zurecht verschaukelt fühlen.

Eine weitere Hürde kommt als eigene Vorlage des Oberbürgermeisters daher: die Änderung der Verwaltungskostensatzung von 2003. Denn natürlich kostet das Beschaffen und Ausgeben von Informationen Geld. Wieviel, weiß aber niemand, so lange es keine Strukturen dafür gibt. Und indem die Verwaltung die zuständigen Ämter als Anlaufstelle bestimmt, macht sie es sich ganz einfach: Da muss der Bürger erst mal hinfinden. Der Bürger darf sich wohl an die berühmte Szene im Zeichentrickfilm “Asterix erobert Rom” erinnern, als Asterix und Obelix versuchen, den berühmten Passierschein A 38 zu bekommen.

Kleine Extra-Dreingabe in Deutschland: Auskünfte kosten Geld. Also soll am 20. Juni auch eine Gebührentabelle in neuer Ausführung beschlossen werden, in der die Kosten für “Amtshandlungen nach Informationsfreiheitssatzung” aufgelistet sind. Und die haben es in sich. Bei einfachen Auskünften ist der Bürger mit 5 Euro dabei, wenn’s schriftlich und aufwändiger wird, steigern sich die Kosten auf 200, 250, bis zu 500 Euro. Da werden die meisten Leipziger schon das Handtuch werfen, weil sie sich solche Gelage gar nicht leisten können.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat schon deutlich gemacht, dass sie ein paar gravierende Änderungswünsche hat.

Dazu mehr morgen an dieser Stelle.

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