Nicht nur Vereine und Verbände haben sich mittlerweile zum neuen Landesentwicklungsplan (LEP) des Freistaates Sachsen kritisch geäußert. Auch die Stadt Leipzig hat schon zwei umfängliche Stellungnahmen abgegeben. Die erste am 21. März 2012, die zweite wurde am 8. Januar in der Dienstberatung des OBM diskutiert. Denn auch im überarbeiteten LEP sind wichtige Kritikpunkte der Stadt Leipzig nicht berücksichtigt.

Das ist umso alarmierender, als so ein LEP die Weichen für die nächsten zehn Jahre stellt. Damit taktet der Freistaat seine Großprojekte und die Geldflüsse ein. Im Normalfall korrigiert man auch die Fehlentwicklungen aus dem letzten LEP, nimmt neue Entwicklungen mit auf und justiert das Paket so, dass es die Potenziale des Landes so weit wie möglich stärkt.

Aber das ist mit dem neuen LEP nicht der Fall.

Nicht bei den nötigen Grundplanungen für die Änderung der Energieversorgung, um die auch Sachsen in den nächsten Jahren nicht umhin kommt, nicht bei der Sicherung eines nachhaltigen und umweltfreundlichen Verkehrs und auch nicht bei der Sicherung von Infrastrukturen, in denen die Sachsen leben können. Stichwort: demografische Entwicklung.

Man hat zwar in den Dresdner Ministerien sehr wohl mitbekommen, dass gerade die ländlichen Räume immer stärker von Abwanderung betroffen sind. Aber man blendet völlig aus, dass sich im Land die Gewichte neu verteilen und die drei Großstädte immer mehr zum Zentrum der Entwicklung werden. Was eigentlich in einer Zeit, in der auch europäische Institutionen die steigende Bedeutung von Metropolen und Metropolregionen immer mehr in den Fokus der Politik rücken, geradezu fahrlässig ist.

Doch was der neue LEP tut, ist noch viel stärker als bisher die Umverteilung wichtiger Ressourcen in die ländlichen Räume – verbunden mit der Schwächung der Großstädte.

Und so stellt auch die neue Stellungnahme, die Planungsbürgermeister Martin zur Nedden in der Dienstberatung vorgestellt hat, fest: “Keine Berücksichtigung im geänderten Entwurf konnte allerdings festgestellt werden im Hinblick auf die Kernforderungen I. (Belange der Oberzentren) und III. (Tragfähigkeit des Zentralörtlichen Systems).”

Und falls man das Schreiben aus dem März im Innenministerium verbummelt haben sollte, hat zur Nedden die Kernforderungen der Stadt Leipzig aus ihrer Stellungnahme vom 21. März noch einmal aufgelistet. Das sind sie:

I. Berücksichtigung der Belange der Oberzentren. Die wichtigsten Oberzentren des Freistaates sind in ihrer Funktion als Hauptträger der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und verkehrlichen Entwicklung, d.h. als “Leuchttürme” einer zukunftsgerichteten Entwicklung in Sachsen mit positiven Ausstrahlungseffekten in die Regionen zu stärken.

II. Europäische Metropolregion Mitteldeutschland. Die Europäische Metropolregion Mitteldeutschland ist in ihrer Entwicklung zu einer bedeutenden ländergrenzenüberschreitenden Wirtschafts- und Technologieregion zu entwickeln.

III. Zentralörtliches System. Das System der Zentralen Orte und Verbindungs- und Entwicklungsachsen ist vor dem Hintergrund des demographischen Wandels derart anzupassen, dass es auch mittel- und langfristig tragfähig und bezahlbar ist und die zukunftsgerichtete Entwicklung der Wachstumskerne in Sachsen befördert.

IV. Ländergrenzenübergreifende Zusammenarbeit. Die länderübergreifende Zusammenarbeit in Mitteldeutschland, insbesondere im Raum Leipzig-Halle, ist weiterzuentwickeln und zu stärken.Dem vierten Punkt, so stellt zur Nedden fest, wurde nur partiell gefolgt. Es gibt zwar die Metropolregion Mitteldeutschland seit nunmehr zehn Jahren. Aber sie ist seitdem auf der Arbeitsebene der mittlerweile elf Mitgliedsstädte geblieben, zu denen neben sächsischen auch Städte aus Thüringen und Sachsen-Anhalt gehören. Was bis heute fehlt, ist die engagierte Unterstützung der drei Landesregierungen.

“Eine weitere Aufwertung der Metropolregion im LEP 2012 wie von uns gefordert, u.a. durch die Umwandlung der Ziele in Grundsätze und die Verschiebung des Kapitels 1.6 an den Anfang, ist unterblieben. Insbesondere unsere Kernforderung II. zu einem grundsätzlichen Bekenntnis des Freistaates Sachsen zur Stärkung der Metropolregion Mitteldeutschland wurde nicht berücksichtigt”, kritisiert Martin zur Nedden. “Stattdessen sind mit dem nun vorliegenden Entwurf Aussagen zur Stärkung der die Metropolregion bildenden Oberzentren und der Selbstorganisation der Metropolregion aufgenommen worden. Auch wenn die für weitere Partner und neue Entwicklungen offene Selbstorganisation der Metropolregion eine wichtige Charakteristik dieses Zusammenschlusses darstellt, bedarf die Metropolregion der vielfältigen Unterstützung der Landesebene in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.”

Er wünscht sich eine klar formulierte Zielstellung wie: “Die bereits etablierte europäische Metropolregion Mitteldeutschland ist in ihrer Entwicklung zu einer bedeutenden länderübergreifenden Wirtschafts-, Wissenschafts-, Technologie-, Kultur- und Tourismusregion weiter zu stärken.”

Aber tatsächlich spricht der LEP eine andere Sprache. Die sächsische Landesregierung scheint eher von einer panischen Angst davor besessen zu sein, dass sich die Gewichte im Land noch weiter hin zu den wachsenden Großstädten und ihrer neuen Rolle als Wirtschaftsmotoren verschieben. Man schafft ja keine neuen oder gar modernen Strukturen, wenn man den Großstädten die Gelder entzieht und damit in den ländlichen Räumen versucht, “blühende Landschaften” zu erzeugen.

Zur Nedden in seiner Stellungnahme: “Damit bleibt es auch im aktuell vorliegenden Entwurf bei der im Vergleich zum LEP 2003 stärkeren Fokussierung auf die strukturschwachen ländlichen Räume bei fast gänzlicher Rücknahme der Zielstellungen zur Entwicklung der Oberzentren. Somit ist damit zu rechnen, dass perspektivisch Landesmittel verstärkt zugunsten des ländlichen Raumes eingesetzt werden deutlich über die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung dieses Raums hinaus. Ohne in Frage stellen zu wollen, dass der ländliche Raum grundsätzlich der Förderung durch die öffentliche Hand bedarf, kann eine substanzielle finanzielle Schwächung der Oberzentren als Hauptträger der wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und verkehrlichen Entwicklung im Sinne der Gesamtregion nicht akzeptiert werden. Statt einer Schwerpunktsetzung in einzelnen Räumen sollte der LEP grundsätzlich das Zusammenwirken von dynamischen Zentren und peripheren Regionen fördern bei gleichzeitiger Betonung der jeweiligen Stärken. Dies bedeutet zugleich aber auch zu akzeptieren, dass ohne die Förderung der wirtschaftlichen Zentren des Freistaates notwendige wirtschaftliche Impulse für den ländlichen Raumes nur unzureichend zu generieren sind.”

Das wird auch in der Leipziger Kritik an den augenscheinlich recht beliebig definierten “Verdichtungsräumen” und “zentralen Orten” im LEP deutlich, die in der Wahrnehmung der sächsischen Ministerialen irgendwo autark im Raum schweben und nicht mehr über die noch im LEP 2003 zu Grunde gelegten Pendlerverflechtungen definiert werden. Pendlerverflechtungen sind eines der simpelsten Mittel, um die zentrale Rolle von Metropolen zu beschreiben.

Was logischerweise auch Folgen für die Verkehrspolitik hat. Doch selbst hier agiert der Freistaat völlig unkoordiniert, irgendwie bemüht, die ungewollten Entwicklungen einer rasanten Metropolisierung des Landes auszubremsen, wo immer es geht. Aber so wird ein Land nicht wettbewerbsfähig. Und zum “Geberland” erst recht nicht.

Der Stadtrat bekommt diese zweite Stellungnahme ganz offiziell am 20. Februar zur Kenntnisnahme. Vorher geht sie noch durch die Fachausschüsse.

Die Stellungnahme: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/1186FE67C9B2A5EDC1257AD70049EAFE/$FILE/V-ds-2730-anlage-2.pdf

Die Metropolregion: www.region-mitteldeutschland.com

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