Ungewöhnliche Stresssituation für Leipzigs Polizisten. Anonyme Verfasser aus der linken Szene haben im Internet zu einem "dezentralen Aktionstag" aufgerufen. Unter dem Motto "Freiheit wird erkämpft" sollen am Samstag im Stadtgebiet angeblich verschiedene Aktionen stattfinden. Von "kreativer Verkehrsgestaltung" bis zur Hausbesetzung ist die Rede. Anlass ist die Solidarität mit linken Strukturen in Griechenland. Das Besondere: Bisher fehlt vom Protest jede Spur.

Ursprünglich hatten die Initiatoren ab 15 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Markt aufgerufen. Weil die Veranstaltung bewusst nicht angemeldet wurde, sprach das Ordnungsamt für die gesamte Innenstadt ein Demonstrationsverbot aus. Die Allgemeinverfügung gilt von 10 bis 21 Uhr. Daraufhin drohten die Verfasser der Polizei unverhohlen mit Randale. “Lasst uns die Bullen als Dank für das Verbot doch einmal so richtig verrückt machen und es an allen Ecken und Enden der Stadt knallen.”

Die Beamten rüsteten entsprechend auf. Mehrere Hundertschaften sind in die Messestadt verlegt worden. Der Marktplatz ist von Polizeifahrzeugen umstellt. Im Connewitzer Szenekiez patrouillieren die Ordnungshüter in Mannschaftsstärke. Zudem scheinen Zivilbeamte im Einsatz zu sein. “Wir sind im gesamten Stadtgebiet präsent”, erklärt Polizeisprecher Uwe Voigt. Nur von den großspurig angekündigten Aktionen fehlt bislang jede Spur. “Bisher hat definitiv nichts stattgefunden”, so Voigt am späten Nachmittag.
Gut möglich, dass sich die Aktion für die Initiatoren als peinliches Eigentor allererster Güte entpuppt. Denn ein geruhsamer Kiezbummel dürfte am Samstag nur unter den wachsamen Augen der Staatsmacht möglich sein. Sehr zum Ärger der alternativen Anwohner im Süden und Westen. Vielleicht sollten die großen Unbekannten ihre nächste Demo besser anmelden. Nach Informationen von L-IZ.de genießt der “Aktionstag” nicht den Rückhalt etablierter Szene-Strukturen. “Ich weiß nicht, wer dazu aufgerufen hat”, erklärte beispielsweise Juliane Nagel (Die Linke). Die Leipziger Stadträtin ist seit Jahren in die Organisation linker Demonstrationen involviert und fungierte vielfach als Anmelderin.

Mehr zum Thema:

Nach Demoverbot: Linke Webseiten rufen zu dezentralen Aktionen auf
Nachdem die Stadtverwaltung am Donnerstag …

Freiheit wird erkämpft? Stadt verbietet linksradikale Demonstration
Die Stadt Leipzig hat am Donnerstag …

Ein Ziel haben die anonymen Verfasser immerhin erreicht: Sie haben den ersten Großeinsatz der Polizei 2013 provoziert. Doch kaum ein Leipziger wird die starke Polizeipräsenz (und etwaige Krawalle) mit der sozialen Situation in Griechenland assoziieren. Die Inhalte des Aufrufs treten an diesem Punkt hinter blanker Provokation und pubertärer Krawallwut zurück. Im Grunde können die Verfasser nur noch verlieren. Halten sie die Füße still, nimmt sie erst recht niemand mehr ernst. Sorgen sie für eine abendliche Eskalation, so dürften die Sympathien des Leipziger Bürgertums den hunderten Polizisten gelten, die ihr Wochenende opfern, um für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.

Glücklicherweise – so muss man zu ihren Gunsten einwenden – haben sie versäumt, ihren Namen unter die beiden Texte zu setzen, die die Behörden in Aufruhr versetzt haben. So bleibt den Urhebern wenigstens der Gesichtsverlust weitestgehend erspart. Ob Polizeipräsident Bernd Merbitz die horrenden Kosten des – bisher unnützen – Einsatzes zum Vorwand nehmen wird, um den Druck auf die Szene zu erhöhen, bleibt abzuwarten. Das von ihm geleitete “Operative Abwehrzentrum” soll nicht nur Neonazis auf den Zahn fühlen.

Zum Artikel vom 3. Februar 2013 auf L-IZ.de
Leipziger Krawalle: Sieben Anschläge auf Banken und Technisches Rathaus – Sechs Autos abgebrannt

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar