Es könnte so schön sein, dachte sich der Ortschaftsrat Seehausen im April: Man bräuchte nur so eine neue App, mit der man kurzerhand bei Leipzigs Stadtreinigung Müll und Dreckecken im Stadtgebiet anzeigt, das Müllauto kommt, Dreck verschwindet. Also eine schöne "Dreck-weg-App für Smartphones". Schöne neue Welt. Am 16. Juli kommt der Antrag in den Leipziger Stadtrat. Die Verwaltung hat aber schon mal erklärt, dass der schöne Traum ganz schön teuer wird.

Das geht schon bei der Programmierung der App los, stellt das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport fest. “Die Einrichtung einer App bedarf einer entsprechenden Programmierung und Einstellung in die entsprechenden App-Stores. Diese sind mit nicht unerheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden, die im Haushalt für 2014 ff. nicht geplant sind”, schreibt es in seinem Verwaltungsstandpunkt. Und nicht nur Geld würde so ein neues Programm kosten. “Darüber hinaus sind die notwendigen datenschutzrechtlichen und sicherheitstechnischen Rahmenbedingungen und Parameter bei der Erstellung und vor Installierung abzuprüfen und die notwendigen Beteiligungs- und Bewilligungsverfahren einzuhalten. Die Marktanteile der beiden am häufigsten verwendeten Mobilfunk-Betriebssysteme betragen derzeit bei Android ca. 80 % und bei Apple iOS ca. 15 %.”

Vorgeschlagen wurde die App bei der Sitzung des Seehausener Ortschaftsrates am 8. April durch Sven Rickelt, Mitglied der Freien Wähler und Pensionsbetreiber. Am 8. April hatte man auch extra das Ordnungsamt eingeladen, das die Sauberkeit in Seehausen als gut einschätzte und darum bat, bei Problemen den kurzen Weg – am besten die E-Mail – zu nutzen.

Seit Jahr und Tag bewirbt die Stadt Leipzig die Nummer des Ordnungstelefons: (0341) 123-888. Ist zwar nicht ganz so einfach wie eine App. Aber funktioniert.

“Bereits zum jetzigen Zeitpunkt werden durch die Bevölkerung die vorhandenen Möglichkeiten (Bürgertelefon, Ordnungstelefon, Schriftverkehr, E-Mail, persönliche Ansprache u. a.) zur Meldung von Sauberkeitsproblemen rege genutzt. So gingen 2013 mehr als 3.800 Bürgerhinweise allein beim Stadtordnungsdienst ein. Durch die Teilnehmer des Förderprojektes'”BürgerdienstLE’ wurden weitere 20.000 Hinweise auf Unsauberkeit an die jeweiligen Fachämter weitergeleitet. Anhand dieser Zahlen ist zu erkennen, dass es keinen Mangel an Input-Informationen gibt.”

Und nach dem Anruf fängt die eigentliche Arbeit erst an: “Bereits jetzt ist jeder Hinweis im Einzelfall abzuprüfen und die notwendigen und rechtlich möglichen Maßnahmen abzuleiten und zu veranlassen”, erklärt hier mit unverkennbarem Tonfall Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke). “Eine Vielzahl der Sachverhalte bleibt jedoch unerledigt, da hierfür entweder keine Zuständigkeit der Stadtverwaltung (Privatflächen) oder kein Rechtsverstoß bzw. Gefahrentatbestand erfüllt wird. Auch bei Einführung einer sog. ‘Dreck-weg-App’ würden die damit verbundenen Erwartungshaltungen des Hinweisgebers nicht in jedem Fall erfüllt werden können.”Denn der Ortschaftsrat Seehausen hat sich ja eindeutig so etwas wie eine Allround-App für jeden Dreck gewünscht: “Mit dieser App können Bürgerinnen und Bürger Verschmutzungen in der Stadt wie z. B. wilde Ablagerungen auf Grundstücken, Verschmutzungen an Bäumen, städtischen Objekten oder Straßenbegleitgrün, überfüllte Wertstoffcontainer usw. umgehend melden.”

Das braucht dann schon zur Prüfung, wie Rosental feststellt, einen “Ausbau der personellen und technischen Ressourcen”.

“Diese zusätzlichen Kosten können aus rechtlichen Gründen nicht auf die Abfallgebühren umgelegt werden. Auch ist darauf hinzuweisen, dass diese App keinesfalls genutzt werden kann, um die mit aufgezählten ‘überfüllten Wertstoffcontainer’ anzuzeigen. Es gibt rund 130.000 Wertstoffcontainer in Leipzig. Diese werden turnusmäßig durch einen beauftragten Dienstleister geleert. Das heißt, außerhalb dieses Turnus ist keine Leerung möglich und eine Anzeige dazu könnte nicht bearbeitet werden.”

Beim Verweis auf die Erfahrungen der Stadt Dresden sei zu beachten, dass diese App gemeinsam vom Land Sachsen mit der Landeshauptstadt Dresden entwickelt wurde. “Die eingehenden Informationen laufen hier zuerst auf die E-Government Plattform des Freistaates ein und werden von dort auf die Plattform der Landeshauptstadt Dresden weitergeleitet. Eine solche vergleichbare IT-Infrastruktur ist in der Stadt Leipzig nicht vorhanden”, stellt Rosenthal fest. “Das Bezirksamt Berlin Mitte hat über einen vergleichbaren Antrag abschlägig beschieden. In seiner Begründung teilte das Bezirksamt Mitte am 23.01.2014 mit ‘Es fehlt hierzu auf Landes- und Bezirksebene in Berlin an der notwendigen IT-Infrastruktur.'”

Der Antrag des Ortschaftsrats Seehausen: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/85525E2DFD957754C1257CBC003C2356/$FILE/v-or-40.pdf

Die Antwort des Ordnungsdezernats: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/CD807755A2C34B7CC1257D020028F77C/$FILE/v-a-40-vsp.pdf

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