Das vom BMZ, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe, finanzierte Kooperationsnetzwerk Connective Cities, bei dem der Deutsche Städtetag, Engagement Global und die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit kooperieren, hat den ersten internationalen Expertenaustausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadt Leipzig durchgeführt. Ziel von Connective Cities ist es, Stadtexperten weltweit im Rahmen von Dialogveranstaltungen und bilateralen Workshops zu vernetzen.

Stadtexperten aus Lwiw und Leipzig trafen sich im Rahmen eines Expertenaustauschs mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadtverwaltung von Dar es Salaam in Tansania, um bei Workshops und Projektbesichtigungen Erfahrungen zu den Themen Revolvierende Finanzierungssysteme und Kleinkredite auszutauschen.

In Tansania, wie in vielen anderen Ländern des Südens, sind diese Systeme seit vielen Jahren der Motor für bürgerschaftliche Stadtentwicklungs- und Infrastrukturprojekte.

Für uns als Städtevertreter Leipzigs und Lwiws war es absolut beeindruckend, wie routiniert die revolvierenden Finanzierungssysteme von den Bewohnergruppen in Slumgebieten gemanagt und vernetzt werden. Finanzielle Basis ist die Einlage von Sparbeiträgen durch die Bewohner.

Diese bieten Finanzierungsmöglichkeiten vom Einzelkredit für das Kleinstunternehmen oder das öffentliche Trinkwasserprojekt bis hin zur Ko-Finanzierung von großen Wohnungsbauprojekten, bei städtischen Aufgabenbereichen also, in denen das kommunale Handeln in Ländern wie Tansania weitestgehend versagt.

Mit dem Aufbau und dem Management dieser Systeme und Projekte ist ein wichtiger Lernprozess sowie Kompetenzaufbau auf Seiten der Bewohnergruppen verbunden.

Die Projekte werden, wo möglich, miteinander gekoppelt und aus der Rückzahlung entstehen neue Projekte, die die Lebensverhältnisse in den ansonsten unterversorgten Siedlungen nachhaltig verbessern. Im Vergleich zum klassischen Zuschuss liegt im Recycling von Kapital ein immenses, hierzulande noch ungenutztes, Potential.

Im fördermittelverwöhnten Deutschland sind revolvierende Finanzierungssysteme bei Fördermittelgebern und Kämmerern leider immer noch ein ungeliebtes Thema. Darüber hinaus stehen wir uns hier aufgrund politischer Befindlichkeiten, Machtspielchen und rechtlicher Bedenken allzu oft selbst auf den Füßen.

Spricht man jedoch mit Bürgergruppen und zivilgesellschaftlichen Initiativen, stößt man auf großes Interesse. Bürgeraktivitäten sind seit der Volksbaukonferenz 1990 das herausragende Markenzeichen unserer Stadt. Leipzigs Exportschlager sind die Beratungsansätze, mit denen seit 1992 im Rahmen der behutsamen Stadterneuerung Leipziger Altbaubesitzer sowie Hausgemeinschaften und Bauherren bei der Eigentumsbildung im Altbau und Stadthaus unterstützt wurden. Heute profitieren von den Beratungs- und Kooperationsstrukturen vor allem Baugruppen und Kleingenossenschaften.

Das Beratungsnetzwerk Leipziger Freiheit, welches die vielfältigen Beratungsansätze bündelt und einer größeren Bürgerschaft zu Gute kommen soll, ist ein aktuelles Thema der Stadtpolitik und als Strategie für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im Wohnungspoltischen Konzept verankert.

Revolvierende Finanzierungssysteme werden in der Diskussion um praktische wohnungspolitische Maßnahmen ebenfalls als geeignete Instrumente für Hausgruppenprojekte und Kleingenossenschaften angesehen. Deren Aktivitäten können durch die Kopplung von Beratungsnetzwerk und revolvierenden Finanzierungsansätzen – an Stelle von staatlicher Förderung – einen relevanten Beitrag zu bezahlbarem Wohnraum liefern. Das Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung (ASW) verfolgt diese Ansätze schon seit längerem. Weitere wichtige Schritte sind die Bereitstellung von Mitteln zur Ausstattung eines revolvierenden Fonds und die Einbindung von Dienstleistern, die das Fondsmanagement durchführen.

Dafür können wir als europäische Städte von internationalen Netzwerken und Finanzierungssystemen – so wie jüngst in Tansania geschehen – immens lernen.

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Es gibt 2 Kommentare

Revolvierende Konten sind Konten, die immer im Soll geführt werden, also ständig im Minus sind. Man zahlt dann einzelne Raten auf das Konto ein, maximal bis es wieder ausgeglichen, also bei 0 ist und finanziert spätestens dann wieder die nächste Maßnahme damit. Man benötigt also kein Eigenkapital oder Fördermittel, die man verplant, sondern gibt das Geld zuerst aus und zahlt danach zurück. Gerade in wenig entwickelten Ländern mit geringer Kapitalquote wohl ein normales Finanzierungsmittel auch für Privatleute. Stichwort Kleinkredite.

Das klingt spannend. Aber was genau sind nun revolvierende Finanzierungssysteme? Wie hat man sich das in der Praxis vorzustellen?

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