Dass Leipzigs Verwaltung immer mehr ureigene Aufgaben auslagert an Berater, Gutachter und andere externe Unternehmen, verblüfft jetzt auch die CDU-Fraktion. Denn dass die Verwaltung es fast komplett einer externen Personalberatung überlassen will, den neuen Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung zu finden, das empfinden auch die Christdemokraten als herben Eingriff in die Rechte des Stadtrates.

„Das Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle Amtsleiter/-in Wirtschaftsförderung wird durch ein Personalberatungsunternehmen durchgeführt. Der Zuschlag wird nach Auswertung der dazu eingeholten Angebote dem Personalberatungsunternehmen ‚zfm – Zentrum für Management- und Personalberatung Edmund Mastiaux & Partner‘erteilt“, klingt das in der gemeinsamen Vorlage von Wirtschafts- und Verwaltungsdezernat. Wer die genauer liest, merkt, dass es noch viel schlimmer ist, dass sich Leipzigs Verwaltung immer mehr wie eine Konzernspitze benimmt, die den gewählten Stadträtinnen und Stadträten nicht mehr viel zumutet und nicht zutraut. Immer mehr Entscheidungen werden ausgelagert. In diesem Fall hat die Verwaltung sogar extra ein Bieterverfahren veranstaltet, bei dem fünf Personalagenturen aufgefordert wurden, ihre Angebote abzugeben.

Und das, weil es „zunehmend schwieriger (werde), für diese Positionen in der Stadtverwaltung geeignetes und entsprechend qualifiziertes Personal zu gewinnen. Bei der Besetzung von Amtsleiterstellen, u. a. mit fachspezifischem Hintergrund, wie der Stelle der Amtsleitung Wirtschaftsförderung kommt hinzu, dass die Stadtverwaltung als Arbeitgeber in Konkurrenz zu anderen attraktiven Unternehmen bzw. Arbeitgebern in Leipzig steht.“

Das ist das Eingeständnis eines Versagens. Wenn es einer „Boomtown“ wie Leipzig nicht mehr gelingt, kompetente Bewerber für wichtige Führungspositionen zu bekommen, dann läuft etwas schief. Dann fehlt entweder eine professionelle Aufbauarbeit für das eigene Personal (und wir vermuten stark, dass es so ist), fehlen die professionellen Netzwerke in die regionale Wirtschaft und die regionalen Karrierenetzwerke hinein (und wir vermuten, dass auch das der Fall ist) und/oder die Leipziger Verwaltung hat keinen wirklich guten Ruf als attraktiver Arbeitgeber, sonst würden sich gute Leute schon aus Eigeninitiative bewerben (da sagen wir jetzt lieber nichts zu).

Dass Kommunen im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft nicht mehr mithalten können, ist wohl eher eine Ausrede, denn Unternehmensmanager müssen letztlich ganz andere Profile ausfüllen als Personen, die die Wirtschaftsförderung für eine (mehr oder weniger prosperierende) Kommune/Region bewerkstelligen sollen. Diese Aufgabe ist wesentlich komplexer. Vielleicht ist es sogar so, dass deutschlandweit überhaupt die Ausbildung solcher Berufsprofile fehlt, eine Art Hochschule für kommunales Management. Sonst müssten nicht Dutzende deutscher Kommunen die Suche nach geeignetem Personal an solche Agenturen auslagern.

29.500 Euro Pauschalhonorar berechnet das ausgewählte Unternehmen für die Findung eine neuen Amtsleiters/einer Amtsleiterin – plus ein paar Spesen.

Aber das ist nicht der Punkt, den die CDU änderungswürdig findet. Sie sieht die Suche nach einer neuen Amtsleiterin/einem Amtsleiter für Wirtschaftsförderung auf derselben Entscheidungsebene wie die Suche nach neuen Dezernenten. Dazu ist der Job einfach zu wichtig. Da wollen die Fraktionen ein Wörtchen mitreden.

„Mit der Vorbereitung der Besetzung der Amtsleiterstelle Wirtschaftsförderung und der Auswahl eines Bewerbers/einer Bewerberin wird eine aus Vertretern aller Ratsfraktionen gebildete Auswahlkommission beauftragt“, beantragt die CDU-Fraktion also als neue Beschlussfassung. „Das Auswahlverfahren kann von einem Personalberatungsunternehmen begleitet und unterstützt werden, sofern dies der Auswahlkommission aufgrund besonderer Umstände (geringe Anzahl qualifizierter Bewerber o. ä.) erforderlich erscheint. Die abschließenden Entscheidungen zur Stellenbesetzung trifft die Ratsversammlung auf Vorschlag der Auswahlkommission.“

Und dann gibt es eine zwar sachliche, aber deutliche Kritik für den Vorstoß der Verwaltung: „Das beschriebene Verfahren wird in dieser Form auch bei künftigen Stellenbesetzungen angewendet, für die der Rat nach Hauptsatzung zuständig ist.

Und es ist schon erstaunlich, wie genau die Christdemokraten hier gespürt haben, dass schon wieder ein Teil kommunaler Selbstverwaltung einfach der Hoheit des Stadtrates entzogen werden soll.

„Die Entscheidung über die Besetzung der hier infrage stehenden – für Leipzig außerordentlich wichtigen Amtsleiterstelle –  ist Sache der Ratsversammlung“, betont die Fraktion in ihrer Begründung. „Werden wesentliche Teile des Auswahlprozesses – von der gezielten Direktansprache der Kandidaten bis hin zur Vorauswahl – von einem Personalberatungsunternehmen durchgeführt, wie in der Beschlussvorlage der Verwaltung vorgesehen, dann werden die Entscheidungsmöglichkeit der Ratsversammlung erheblich eingeschränkt. Eine solche Einschränkung der Kompetenzen des Stadtrates ist nur aus zwingenden Gründen und dann auch nur unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig.“

Und was nun die Beauftragung eines externen Unternehmens betrifft, formuliert die Faktion ihre Skepsis zumindest sehr deutlich: „Selbstverständlich ist bei der Auswahlentscheidung Art. 33 Grundgesetz zu berücksichtigen, d. h. unter den geeigneten Kandidaten ist der bzw. die besten geeignete auszuwählen. Auch müssen wir – um überhaupt zu einer Bestenauswahl zu kommen – erreichen, dass sich möglichst viele geeignete Kandidaten um die Stelle bewerben. Dies gelingt in der Regel aber auch ohne die Beteiligung eines  Personalberatungsunternehmens. Liegen ausnahmsweise Umstände vor, die eine Unterstützung durch externen personalwirtschaftlichen Sachverstand erfordern und empfiehlt die Auswahlkommission deshalb die Beauftragung eines solchen externen Dienstleisters, dann mag dessen Beauftragung erfolgen.“

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