Ein Teil des Leipziger Innenstadtrings wird auch künftig den Namen des Reformators und Judenfeindes Martin Luther tragen. Dies entschied der Stadtrat mit großer Mehrheit und stellte sich damit gegen einen Vorschlag der „PARTEI“, den Ringabschnitt stattdessen nach Martin Sonneborn zu benennen. Zwischen Linksfraktion und Vertretern anderer Fraktionen entbrannte dabei eine hitzige Debatte.

Sollte eine zentrale Straße in Leipzig nach einer Person benannt sein, die Juden als „Plage“ ohne „menschliches Herz“ bezeichnete, sie versklaven oder vertreiben lassen wollte und mit seinen Schriften eine vermeintliche Legitimation für die Verbrechen der Nationalsozialisten schaffte? Thomas „Kuno“ Kumbernuß, der Leipziger Vorsitzende der „PARTEI“, hat diese Frage klar mit „Nein“ beantwortet und vorgeschlagen, den Martin-Luther-Ring nach dem Bundesvorsitzenden der „PARTEI“, Martin Sonneborn, zu benennen.

Die Debatte um Luther. Quelle: Livestream aus dem Stadtrat. Die gesamte Ratssitzung (alle Player, auch Apple) vom 21. Juni 2017 hier.

In der entsprechenden Petition heißt es: „Leipzig geriert sich immer wieder als Stadt der Toleranz und der Menschlichkeit. Wie heuchlerisch wirkt es aber gerade für aufgeklärte Menschen, wenn eine Straße im Herzen der Stadt seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten den Namen eines Mannes trägt, dessen Handeln und Tun zu einem nicht geringen Teil auch auf die Verunmöglichmachung des Lebens eines Teils der Bevölkerung abzielte?“

Stattdessen solle jener Teil des Innenstadtrings künftig nach einem „großartigen Politiker, Humanisten, Demokraten, Aufklärer und Journalisten“ benannt werden, der ein „leuchtendes Vorbild für Mitmenschlichkeit und ein zivilisiertes Miteinander“ darstelle.

Die Stadtverwaltung erklärte in ihrer Stellungnahme, dass es keinen „Hinweis auf eine nationalsozialistische Instrumentalisierung Luthers im Zusammenhang mit der Ringbenennung“ gebe und kam zu dem Fazit: „Martin Luther ist unbestritten eine bedeutende Persönlichkeit der Zeitgeschichte – auch mit Kenntnis derjenigen seiner Ansichten, die heute als falsch angesehen und abgelehnt werden. Eine Umbenennung des Martin-Luther-Ringes wird demnach nicht in Betracht gezogen.“

Im Stadtrat entbrannte anlässlich dieser Petition eine hitzige Debatte über die Person Luther. „Er war Antisemit, behindertenfeindlich und seine Reformation wurde mit dem Schwert durchgesetzt“, eröffnete Werner Kujat (Die Linke) die Auseinandersetzung. „Luther akzeptierte Juden nie als gleichwertig.“ Da Kujat das Anliegen der Petition grundsätzlich als „nachvollziehbar“ betrachtete, kündigte er an, nicht dagegen zu stimmen.

SPD-Stadträtin Nicole Wohlfarth betonte, dass einige Positionen Luthers zu seinen Lebzeiten ungewöhnlich gewesen seien: Forderung der Ehe zwischen Christen und Juden, Forderung der Aufhebung eines verhängten Berufsverbotes und – zumindest streckenweise – ein Widerspruch gegen judenfeindliche Lügen. „Luther war ein Kind seiner Zeit.“ Ihn nur als Antisemiten oder Vorkämpfer jüdischer Rechte zu bezeichnen, sei zu einseitig.

Insbesondere aus der CDU-Fraktion erntete Kujat heftige Kritik. Achim Haas empörte sich darüber, dass der Linkspolitiker Jesus angeblich als Nazi bezeichnet hätte und Michael Weickert äußerte Erschrecken darüber, dass Kujat einen roten Faden von Luther zum Nationalsozialismus gezogen hätte. „Damit gehen Sie den Nazis auf den Leim.“ Zudem verwies Weickert darauf, dass Straßen in Leipzig auch nach Karl Liebknecht und Karl Marx benannt sind – seiner Ansicht nach ebenfalls fragwürdige Personen. AfD-Stadtrat Christian Kriegel stimmte in den Chor ein und warf Kujat eine „hetzerische Rede“ gegen Martin Luther vor.

Am Ende äußerte sich dann auch noch Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD): „Mich enttäuscht zutiefst, dass wir solch eine wichtige Diskussion anlässlich eines unsinniges Namensvorschlags führen.“ Die Stadträte schlugen sich schließlich fast einstimmig auf die Seite der Verwaltung und lehnten die Petition ab. Lediglich Piratin Ute Elisabeth Gabelmann aus der Freibeuterfraktion und einige Linkspolitiker votierten anders.

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Die Leipziger Zeitung Nr. 44: Über die Grenzen hinaus

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