So geht das: Ein schönes Tässchen Kaffee, ein ruhiges Plätzchen und ein bisschen Zeit. Zumindest für den Start. Denn mittlerweile hat sich unter Freunden und Kennern der „Leipziger Zeitung“ ja herumgesprochen, dass man alles in der Regel nicht auf einen Rutsch schafft. Es ist nun einmal keine Schnell-mal-durchblätter-Zeitung. Sie braucht ihre Zeit. Und sie schenkt Zeit mit Lesefreude.

Also eigentlich die richtige Kaffeehaus-Zeitung. Noch nicht ganz fertig durchgesponnen. Dafür setzen sich die bärtigen Herren der Blattorganisation ja immer wieder in eins ihrer Lieblingscafés oder -kaffeehäuser (es gibt ungefähr drei Dutzend davon – aber ich verrate nicht, welche es sind) und machen sich Gedanken darüber, wie man das Kaffeehaus-Leseerlebnis noch verschönern kann. Oder verbessern. Es gibt ja auch den bekannten Weltverbesserer, der in solchen Runden nie fehlt.

Und nicht fehlen darf.

Was auch so ein Punkt ist, den wir irgendwann akzeptieren mussten: Wenn man eine Zeitung mit Herz machen möchte, dann geht das ohne den beharrlichen Wunsch, die Welt besser zu machen, gar nicht. Wenigstens diese Ecke von der Welt.

Und der alte Spruch, den uns einige hochverdienende Kollegen der schreibenden und kommentierenden Zunft immer wieder auf dem Tellerchen servierten – Journalismus dürfe sich mit nichts gemein machen, auch nicht mit einer guten Sache – zeigt sich immer wieder als im besten Fall gut gemeinte Lüge.

Er darf nicht zum Parteigänger werden. Das stimmt.

Was freilich 99 Prozent der geliebten und geschätzten Kolleginnen und Kollegen nicht vergönnt ist. Denn auch wenn sie vor lauter Vergnügen quieken, wenn sie in die Mikrophone jauchzen oder zur großen Wertungsnote in ihren Leitartikeln ansetzen, es gilt fast immer und ist leider auch oft genug zu spüren und nicht zu übersehen: Wes Brot ich ess’ …

Und das gilt nicht nur für die privat Versendeten und die ganz und gar unabhängig Öffentlich-Berechtigten, das gilt auch noch …

Die LZ 44, Ausgabe Juni 2017. Screen Titelseite
Die LZ 44, Ausgabe Juni 2017. Screen Titelseite

Aber das wissen Sie ja.

Das Ergebnis all dieser bärterauschenden Beratungen im Kaffeehaus ist in der Regel ein Kompromiss. Vieles schaffen wir schon. Manches noch nicht. Manchmal sorgt das Tagesgeschehen dafür, dass sich Themensetzungen verändern, manchmal fehlen noch Antworten aus Amtsstuben, Ministerien und anderen zögerlichen Institutionen.

So drängte sich mit Sachsens Innenminister Markus Ulbig beim Thema “Der ,Terrorist’ von Leipzig” diesmal ein Mann ins Blatt, der wie kein anderer für die Umwertung aller Werte in Sachsen steht: die immer mehr zur Ministeragenda werdende Verachtung für demokratische Freiheiten, Bürger und Asylsuchende. Tatsächlich ist auch er nur ein konservativer Vertreter einer Entwicklung, mit der die Regierungen der westlichen Staaten seit 2001 systematisch die Bürgerrechte immer weiter unterlaufen.

Die Soziologin Andrea Kretschmann brachte es just am Freitag in einem Interview auf „Zeit Online“ auf den Punkt, was da passiert: „Die Zeit, in der die subjektive Sicherheit als kriminalpolitische Größe ins Spiel kommt, ist die Zeit, in der man beginnt, den Wohlfahrtsstaat zurück- und umzubauen. Diese Parallele ist kein Zufall. Kriminologen sehen Kriminalpolitik in Teilen auch als Ersatzpolitik. Soziale Probleme werden in Sicherheitsprobleme umkodiert, indem Migration zum Beispiel primär als Sicherheitsproblem gesehen wird. Auf diese Weise spricht die Politik bestimmte Emotionen in der Bevölkerung an.“

Aber das Ansprechen von bestimmten Teilen der Bevölkerung ist das eine – das Schüren von Angst und das Erzeugen einer Atmosphäre der Verunsicherung sind das andere.

Und auch dafür steht Abschiebe-Minister Markus Ulbig: für die Demontage der sächsischen Polizei. Denn während die öffentlich-voneinander-abschreibenden Medien allesamt in einen regelrechten Furor der Panik-Berichterstattung verfallen sind, haben die deutschen Polizeiminister emsig am Schrumpfen der Polizei gearbeitet.

Was natürlich wieder korrespondiert mit dem Thema „Versagen der EU“, die aus ganz ähnlichen Gründen nicht (mehr) funktioniert und Vertrauen verloren hat. Denn sie erzählt ebenfalls von einer Art Politikverständnis, in dem „Politikexperten“ so tun, als würden sie die Sache für den kleinen, verängstigten Bürger schon deichseln. Dumm nur, dass die Deichsler seit neun Jahren dastehen und die Sache gar nicht gedeichselt bekommen. So etwas unterläuft Vertrauen. Und es führt dazu, dass immer mehr Bürger mit gutem Recht endlich eine richtige Republik Europa fordern. Das in der L-IZ gestartete „Europa-Projekt“ findet also auch zum ersten Mal unter der Überschrift “Die Briten hatten Recht” seinen Weg in die LZ.

Genauso wie all jene anderen Themen, die jetzt einfach dran sind und in den großen Wahlkampfreden zur Bundestagswahl trotzdem nicht vorkommen. Wie das Thema „Grundeinkommen“. Oder die von Roland Mey in zwei Kommentaren in der L-IZ schon aufgeworfene Frage: Wie viel Gestaltungsmacht geben eigentlich die Parteien den Bürgern noch? Oder sind sie längst zu introvertierten Gewerkschaften der Mandatsträger geworden? Ein ganzes Interview für alle, die sich noch Gedanken machen über das Funktionieren unserer Politik.

Oder unsere Justiz, in der es durchaus den einen oder anderen Richter gibt, der zwischen seinen persönlichen Ansichten und der Unabhängigkeit des Rechts keinen Unterschied macht. Einer davon hat so seine Schwierigkeiten mit Menschen, die ihren Weg suchen, ihr wirklich empfundenes Geschlecht zu leben. Sollte die Selbstbestimmung des Menschen über sein Leben nicht Vorrang haben?

Augenscheinlich haben wir wieder erstaunlich viele Entscheider, die nichts lieber tun, als andere zu gängeln und zu reglementieren. Was jetzt auch beginnt, die sächsische Hochschullandschaft in Mitleidenschaft zu ziehen. René Loch und Michael Freitag berichten über das, was derzeit gerade der Universität Leipzig passiert. Und es klingt gar nicht gut. Auch nicht für den Hochschulstandort Leipzig.

Was so nebenbei dazu führt, dass an der Uni auch die Emotionen hochkochen. Dazu gibt’s gleich zwei Extra-Geschichten.

Und wer die „LZ“ kennt, weiß, dass die Probleme der Zeit auch immer in lauter nachdenkliche Kommentare zur Zeit münden. Wie bei Jens-Uwe Joop, der sich Timothy Snyders Buch widmet, in dem der beschreibt, wie man durch zivilen und klugen Widerstand verhindert, dass Gesellschaften in eine Tyrannei abkippen.

Übrigens ein Thema, das derzeit in den beiden großen Leipziger Theatern – im Schauspiel und im Theater der Jungen Welt („Die denken alle, wir wären größer“) – immer wieder thematisiert wird.

Alles hängt miteinander zusammen in einer Gesellschaft wie der unseren. Das vergisst man so oft, wenn man sich vom Schnatterrausch der Nachrichtenbuden in bunten, unzusammenhängenden Nachrichten ersäufen lässt.

Man muss sich tatsächlich diese Zeit nehmen, sich auszuklinken, Kaffee bestellen, Zeitung aufschlagen und eintauchen in Geschichten, die am Ende alle davon erzählen, dass eine Gesellschaft wie die unsere nur funktioniert, wenn wir wieder lernen, die Dinge im Zusammenhang zu sehen. Und vor allem: uns selbst wieder als Teil des Ganzen. Das erst dann als übermächtig wirkt, wenn wir die Welt immer nur von der Couch aus betrachten. Wer losgeht und sich einmischt, der hat nicht die Angst, in der unsere Couchpotatoes sich derzeit gerade suhlen, als wäre das ein besonderes Schaumbad.

Unter Anderem in der Ausgabe 44 der LEIPZIGER ZEITUNG: Eine 16-seitige Beilage zum 3. Internationalen Fußballbegegnungsfest 2017, Das Beste an … Reudnitz, Republik Europa: Die Briten hatten Recht, Transgender vor Gericht: Der lange Weg von Rebecca Jäger, Begrenzter Zugang: Universität Leipzig plant Studiengebühren, Nazisau: Anonyme Morddrohung gegen RCDS-Mitglied, Das Derby ruft: Chemie und Lok wieder auf Augenhöhe, Fahrstuhl nach unten: Basketball und Frauenhockey fallen tief, Neben der Spur: Salon Similde und das Kulturny Dom Lipsk, TdJW steht Kopf „Die denken alle, wir wären größer.“, Fahrverbote ab 2018, Abschiebungen: Der „Terrorist“ von Leipzig.

Verschiebemasse Markttreiben: Fliegende Händler auf Rundreise in Leipzig, Das BGE: „Das Grundeinkommen ist ein Ent-Ängstigungsprogramm“, Der Stadtrat tagt: Ausblick auf einige Themen der Stadtratssitzung vom 21. Juni, Turbulenzen: Vier StadträtInnen überraschen mit Fraktions-Neugründung im Leipziger Stadtrat, Rein oder raus? Die Sache mit den Parteien, Aus dem Gerichtssaal, Man sieht sich: Ökofete im Clara-Zetkin-Park, Eine leicht pädagogische Kolumne, 13. Folge: Anmut und Würde, Culturetopia: Über Scham, Schauspiel Leipzig: „Der Streit“, Veranstaltungen: Ausgewählte Termine, „Zahl doch, was Du willst“: Die LZ & L-IZ Sommerauktion, Ilse Schnickenfittich: Nie mehr allein, Kolumne: „Sesam öffne Dich“ uvm.

Die neue „Leipziger Zeitung“ liegt ab Freitag, 16. Juni 2017, an allen bekannten Verkaufsstellen aus. Besonders in den Szeneläden, die an den Verkäufen direkt beteiligt werden. Also, support your local dealer. Da es vermehrt zu Ausverkäufen kam, ist natürlich auch ein LZ-Abonnement  zu 29,50 Euro im Jahr möglich oder ein LZ-L-IZ-Kombiabo zu 119 Euro jährlich möglich, um garantiert nichts mehr zu verpassen.

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