So macht man keinen vernünftigen Staat, wie das derzeit in Sachsen geschieht. Nicht nur bei der Lehrerplanung säuft das Land ja gerade ab. Dasselbe passiert auch bei den Planungen für Schulbauten – eigentlich eine kommunale Aufgabe. Aber aus eigener Kraft können gerade die Großstädte den notwendigen Schulneubau nicht stemmen. Doch statt den Freistaat stärker in die Pflicht zu nehmen, riskiert man unhaltbar überfüllte Schulen.

Man darf sich nur an die Diskussion im Sächsischen Landtag erinnern, als Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) sich heftige Kritik dafür anhören musste, dass sie ohne Diskussion den Klassenteiler aufgrund des von ihr verantworteten Lehrermangels von 28 auf 30 oder gar 32 hochsetzen würde. Das sei, aus ihrer Sicht, gar kein Problem.

Aus Sicht der eh schon überforderten Lehrer wird es wohl eins sein. Aber augenblicklich zeigen sich gerade im Schulbereich alle negativen Folgen einer völlig sinnfreien Sparpolitik auf Landesebene. Für die Kommune bedeutet diese Sparpolitik, dass es nicht genug Geld für Schulinvestitionen gab und gibt. Ergebnis ist ein riesiger Investitionsstau, der allein in Leipzig bis 2020 die Dimension von 300 Millionen Euro deutlich übersteigt.

Und das spiegelt sich auch in dem im Mai von Sozialbürgermeister Thomas Fabian vorgelegten „Schulentwicklungsplan der Stadt Leipzig. Fortschreibung 2017“. Ein Passus bringt das ganze Dilemma auf den Punkt. Zu den geplanten Kapazitäten heißt es da: „Bezogen auf den Kapazitätsrichtwert wird eine Auslastung zwischen 80 % und 120 % angestrebt. Es wird davon ausgegangen, dass der Bedarf an Hortgruppen mit der Klassenbildung einhergeht. Bei Horten in Grundschulen wird in der Regel von ca. 50 % der Gruppenraumfläche in gemeinsamer Nutzung mit der Schule ausgegangen.“

Eine 120-prozentige Auslastung? Das schießt wohl deutlich übers Ziel hinaus, kritisieren die Grünen und wollen diesen Passus geändert haben. Der Antrag geht fast unter im Berg der Änderungsanträge zum Schulentwicklungsplan, der gerade auf Ortsteilebene sichtbar macht, dass die Stadt mit viel zu wenig Schulen plant und immer noch nur die allernötigsten Projekte mit Planungen untersetzt. Etwa in Engelsdorf, wo man die Forderung nach einem eigenen Gymnasialstandort untermauert.

Aber das Dilemma, dass Leipzig noch immer zu wenig Neubau plant, steckt augenscheinlich in den 120 Prozent.

Obwohl, so schätzen es auch die Grünen ein, der neue Plan Mängel der Planungen der letzten Jahre überwunden hat. Der Grund ist simpel: „Die Bevölkerungsprognose brachte realistischere Zahlen für die Planung.“

Denn diese Prognosen, die Leipzig ein Wachstum auf über 700.000 Einwohner zuschreiben, haben auch der Verwaltungsspitze endgültig klar gemacht, dass sie mit dem alten Aschenbrödelmodus nie und nimmer die Kapazitäten schafft, die so eine Stadt braucht. Bislang war alles mit Ach und Krach auf eine 600.000-Einwohner-Stadt zugeschnitten. Was in manchem Dezernat auch das Gefühl aufkommen ließ, man hätte ja noch ein bisschen Zeit. Aber die Bevölkerung wächst so stark, dass schon längst alle Kapazitäten ausgereizt sind und sich das alte Tempo als viel zu langsam erweist.

Und irgendwie glaubt Leipzigs Verwaltungsspitze, immer noch mit knappesten Reserven planen zu können. Motto: Wenn die Schulen nicht reichen, muss man sie halt nur stärker auslasten.

Der Passus im Schulentwicklungsplan 2017. Screenshot: L-IZ
Der Passus im Schulentwicklungsplan 2017. Screenshot: L-IZ

Die Kritik der Grünen ist deutlich: „Aber neue Planungsmängel sind eingebaut worden. Jahrelanges Abwarten und viel zu zaghaftes Planen zusätzlicher Schulkapazitäten sollen jetzt alle ausbaden. Indem die Klassen so voll wie möglich gemacht werden, sind massive Überbelegungen ablesbar, der Stadtrat soll diese quasi bestätigen. Im Schulentwicklungsplan wird eine reguläre Belegung der Klassen von 80 bis 120 % angestrebt. Ein Planansatz, der den Platzmangel und übervolle Klassen einplant (bis zu 120 %) strapaziert Kinder und das pädagogische Personal. Besondere soziale und Förderbedarfe werden dadurch eingeengt. Wir sehen einen engen Zusammenhang zwischen Räumen für Kinder, drinnen und draußen, und ihrem Bildungserfolg.“

Schon jetzt ist Leipzig sachsenweit die Stadt mit den größten Problemen bei „Schulabbrechern“, Schulverweigerern und sozialer Diskriminierung schon im Schulalter. Ergebnis einer Landespolitik, die die Entwicklung in Leipzig seit Jahren bewusst stiefmütterlich unterstützt, was zu größerem Lehrermangel und höheren Ausfallquoten an Schulstunden führt.

Dass jetzt auch die Leipziger Stadtverwaltung diese Denkhaltung übernimmt, frappiert Katharina Krefft, schulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion.

„Das, was der Schulentwicklungsplan hier vorgibt, geht auf Kosten der Bildungsqualität und das akzeptieren wir nicht“, erklärt sie zum Änderungsantrag ihrer Fraktion. „Häufig sind Schulsport und Essenversorgung ungeklärt oder überstrapaziert. Das sind Themen, die zur Planung von räumlichen Unterrichtskapazitäten bedingungslos dazugehören, bisher sind Aussagen dazu nicht durchgängig im Schulentwicklungsplan zu finden. Deswegen haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der die Überbelegung von Klassen und die Berücksichtigung der besonderen Bedarfe von Kindern, gerade auch solchen mit Entwicklungshemmnissen, zurücknehmen soll. Klassen sollen nicht überbelegt werden – 100 % sollen planerisch das Maximum sein.“

Und dann versucht Leipzigs Verwaltung ja auch, das Fehlen von Schulen gerade in kinderreichen Stadtteilen dadurch zu kompensieren, dass die Schulbezirke wieder einmal neu zugeschnitten werden sollen.

Aber eigentlich hat man da schon fast alles ausgereizt, was noch drin war. Weitere Neuzuschnitte gehen wieder zulasten der Kinder und Eltern, stellt Krefft fest: „Auch auf weitere gemeinsame Grundschulbezirke, reinweg nur zur Optimierung eingeführt, soll verzichtet werden. Auch sollten die bisher bestehenden gemeinsamen Grundschulbezirke erst einmal überprüft werden.“

Der Änderungsantrag der Grünen-Fraktion.

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