Wenn nun seit Monaten über „Lügenpresse“ und „Fakenews“ diskutiert wird, dann hat das viele Aspekte. Da sind die Interessen der Leute, die gern mit Lügen und Verschwörungstheorien Politik machen wollen. Da sind Medien, die durchaus selbst gern mutmaßen. Und dann sind da noch die Medien, die immer noch meinen, sie müssten Meldungen zu Gemunkel aufpeppen. Was dann natürlich – wie dieser Fall – wieder Stoff ist für die Verschwörungsgläubigen.

Welches Medium es diesmal war, das eine viertel Meldung, die nicht mal eine halbe Nachricht war, zum Geraune um ein Geheimtreffen aufblies, hat die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) in ihrer Anfrage nicht erwähnt. Aber man ahnt zumindest, welches Leipziger Medium das gewesen sein könnte. Immerhin gab es gleich nach den Krawallen um den G20-Gipfel in Hamburg am 7. und 8. Juli in Leipzig jede Menge Gemunkel-Punkte abzuholen. Die einen heizten mit wilden Vermutungen ein, wie viele Leipziger Linksautonome in Hamburg dabei gewesen sein könnten. Die nächsten forderten gleich bar jeder Grundlage die Schließung von Conne Island und Werk 2. Und die nächsten forderten wilde Konsequenzen von der Stadtverwaltung den Leipziger Linksautonomen gegenüber.

So macht man Stimmung. Obwohl kein einziger der Debattenteilnehmer zu dem Zeitpunkt irgendetwas wusste, ob auch nur ein einziger Leipziger in Hamburg mit dabei war und gar straffällig wurde.

Der einzige Fingerzeig auf Leipzig steckte in den Anschlägen auf Anlagen der Deutschen Bahn Tage zuvor, die bundesweit zeitgleich stattgefunden hatten. Zwei davon auch im Leipziger Raum. Nur erschließt sich der Sinn dieser Anschläge bis heute nicht, denn damit wurden ja vor allem potenzielle Demonstrationsteilnehmer an der Fahrt nach Hamburg gehindert.

Entweder sind die Linksextremen mittlerweile völlig hirnverbrannt – oder nicht einmal hier stimmt die Zuweisung.

Aber auch hier gilt – niemand weiß etwas. Noch immer laufen die Untersuchungen. Und die jüngsten Landtagsanfragen ergaben wieder nur, dass auch der Innenminister keine weiterführenden Informationen hat.

In einem solchen Diskussionsfeld, in dem lauter Mutmaßungen dominieren, lässt sich natürlich auch hübsch Punkte sammeln, wenn man dann noch eins draufsetzt und suggeriert, in Leipzig würde jetzt tatsächlich (ganz heimlich) ein Schlag gegen die linke Szene vorbereitet.

Oder aus der Anfrage von Juliane Nagel zitiert: „Laut Medienberichten fand am 20. Juli 2017 in Leipzig ein ,Geheimtreffen zwischen Spitzenvertretern von Stadtverwaltung, Polizei und dem Landesamt für Verfassungsschutz‘ statt. Thema soll der Umgang mit der ,linksextremistischen Szene‘ gewesen sein.“

Logisch, dass sie jetzt wissen wollte, was da dran war. Denn Staaten mit Geheimpolitik hatten wir ja schon zur Genüge. Hatten die zitierten Medien Recht, so eine neuerliche Geheimmauschelei zu vermuten?

„Wer hat aus welchen konkreten Gründen zu diesem Treffen eingeladen?“

Die Antwort von Innenminister Markus Ulbig: „Der Leiter der Polizeidirektion Leipzig hat wegen der Ereignisse während des G20-Gipfels in Hamburg und des Problemfeldes der extremistischen Gewalt in Leipzig zu der nur in den Medienberichten als ‚Geheimtreffen bezeichneten Zusammenkunft eingeladen.“

So viel Humor lässt Sachsens Innenminister selten durchschimmern. Aber das darf man durchaus einen zarten Hinweis darauf nennen, dass ihm die Lust der hier erwähnten Medien, aus einer simplen Lagebesprechung ein „Geheimtreffen“ zu machen, doch etwas zu weit geht. Denn wer als Medium die Welt so betrachtet, der kann aus jeder Beratungsrunde, zu der man keine Einladung bekommen hat, ein „Geheimtreffen“ machen. So erzeugt man natürlich erst das Geraune, das dazu führt, dass Politik den wabernden Geruch des Geheimbündlerischen bekommt. Zweiter Effekt: Da, wo tatsächlich gemauschelt wird, haben die orakelnden Medien dann meist gar keine Lust, genauer hinzuschauen.

Das besagte Treffen war nicht mal so geheim, dass die Teilnehmerliste nicht bekannt wäre.

„Wer hat an diesem Treffen teilgenommen?“, fragte Juliane Nagel.

Markus Ulbig: „Vertreter der Stadt Leipzig, des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen und der Polizeidirektion Leipzig haben teilgenommen.“

Solche Treffen gab es in Leipzig bekanntlich schon des Öfteren – etwa im Vorfeld der Randale in der Südvorstadt und Connewitz am 12. Dezember 2015. Der Verfassungsschutz sitzt immer irgendwie mit dabei, weil Stadt und Polizei hoffen, die Schlapphüte hätten irgendwas gehört, was bei der Prävention irgendwie nützlich wäre. Haben sie meistens aber nicht …

„Welche Themen wurden im Rahmen dieses Treffens erörtert und was sind Ergebnisse dieses Treffens?“, wollte Juliane Nagel gern wissen.

Markus Ulbig: „Es wurden ergebnisoffen die Ereignisse während des G20-Gipfels in Hamburg und das Problemfeld der extremistischen Gewalt in Leipzig erörtert.“

Man wusste also über beides nichts Genaueres – nicht über Hamburg und nicht über die heiß diskutierte „extremistische Gewalt in Leipzig“. Tatsächlich hat man die Ereignisse in Hamburg nur zum Anlass genommen, das als Themenschwerpunkt zu diskutieren. Denn das Erstaunliche ist: Diese Treffen finden in Leipzig regelmäßig statt. Sie sind Teil der Präventivarbeit, in der Stadt und Polizei ihre Arbeit abstimmen

Nächste Frage von Juliane Nagel: „Welche Gründe gibt es, besagtes Treffen als ‚Geheimtreffen‘ zu deklarieren und der Öffentlichkeit Fakten zu und Konsequenzen aus der öffentlich heiß diskutierten Behauptung über die Existenz sogenannter ‚rechtsfreier Räume‘ in Leipzig vorzuenthalten?“

Wobei einem eine Aussage von Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz einfällt, der eine Woche vor diesem „Geheimtreffen“ deutlich sagte: „In Leipzig gibt es keine rechtsfreien Räume.“ Diese Behauptung einiger Unionspolitiker kratzte den Polizeipräsidenten ganz sichtlich an seinem Stolz.

Ulbigs knappe (aber nur halbe) Antwort: „Eine Deklarierung als ‚Geheimtreffen‘ hat nicht stattgefunden.“

Man merkt, dass die Frage auch dem Innenminister nicht ganz genehm war. Auf den Teil mit den „,rechtsfreien Räumen‘ in Leipzig“ ging er gar nicht erst ein.

„Sind weitere entsprechende ‚Geheimtreffen‘ geplant?“, fragte die Landtagsabgeordnete noch.

Ulbigs Antwort: „Grundsätzlich fanden und finden auch weiterhin anlass- und nichtanlassbezogene Besprechungen zwischen den in der Antwort zur Fragestellung 2 benannten Vertretern der jeweiligen Institutionen statt, wobei die Bezeichnung als ‚Geheimtreffen‘, wie bereits in der Antwort auf die Frage 4 dargelegt, nicht zutreffend ist.“

Plopp.

Die Anfrage von Juliane Nagel (Die Linke). Drs. 10274

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