Leipzig muss sich um seine Künstlerinnen und Künstler kümmern. Auch um die, die nicht immer im Rampenlicht stehen. Denn rund um die Maler, die man im Zusammenhang mit der Leipziger Schule bzw. der Neuen Leipziger Schule kennt, haben Dutzende ein eindrucksvolles Werk geschaffen. Und Leipzig täte gut daran, diese Lebenswerke zu sichern. Ein Antrag der Grünen fand dazu am 20. Juni die Mehrheit im Stadtrat.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum aktiven Einsatz der Stadt für ein Leipziger Vor- und Nachlassarchiv fand am Mittwoch, 20. Juni, im Stadtrat eine breite Zustimmung. Wenn auch etwas abgewandelt, denn auch hier fehlen Leipzig zusätzliche Mittel, um ein eigenes Nachlassarchiv aus dem Boden zu stampfen.

„Die Stadt Leipzig hat Farbe bekannt, und ihren Museumsdirektor Alfred Weidinger beauftragt, in der Stadt die Federführung für die Entwicklung eines Vor- und Nachlassarchives zu übernehmen und regionale Beratungsstrukturen für die Leipziger Künstlerinnen und Künstler aufzubauen“, kommentiert Dr. Gesine Märtens, Stadträtin der Grünen und Mitglied des Kulturausschusses, das Ergebnis dieses Vorstoßes. „Mit dem Beschluss sichern wir das großartige Erbe der Leipziger Kunst des 20. Jahrhunderts für und in Leipzig.“

Für sie ist dabei vor allem die „Neue Leipziger Schule“ im Fokus, die sich mit Namen wie Neo Rauch, Hans Aichinger, Bruno Griesel, Rosa Loy oder Tilo Baumgärtel verbindet. Die „Neue Leipziger Schule“ der Malerei ist eine wesentliche Initiatorin Leipziger Weltruhms und hat einen großen Anteil am jüngeren Leipziger Image in der Welt und dem Aufschwung der Kulturstadt, die eben nicht nur aus Musik besteht. 2014, 25 Jahre nach der Friedlichen Revolution, fragte der „Guardian“ mit Blick auf das Spinnereigelände: „Is Leipzig the new Berlin?“ und stellte damit Leipzig in die Reihe der wichtigen deutschen Großstädte.

Der Anfang war bescheiden, erinnert sich Märtens: Als 1993, also vor 25 Jahren, ein kleine Gruppe Leipziger Maler mit ihrem Galeristen Gerd Harry Lybke nach New York aufbrach, konnte das keiner vermuten. „Die waren damals so klamm, dass sie es wahrscheinlich nicht bis nach New York geschafft hätten, wenn der damalige Regionalvertreter der Lufthansa in Leipzig Andreas Bürger ihnen nicht Flüge zum halben Preis spendiert hätte. Die Gruppe um Neo Rauch stellte in New York aus und verkauften nichts.“

Doch 2007 war die Spinnerei schon „The hottest place on Earth“.

Gesine Märtens weiter: „Als Musikstadt Leipzig vergessen wir leider zu oft, dass die Bildende Kunst einen riesigen Beitrag zu Leipzigs phönixhaftem Aufstieg geleistet hat. Es ist wichtig, dass wir dieses kulturelle Erbe hier in der Stadt bewahren und für uns und unsere Gäste erlebbar machen. Ein Vor- und Nachlassarchiv ist ein ganz wichtiger Bestandteil für diese Zukunft.“

Wobei der Antrag der Grünen gar nicht explizit nur auf die „Neue Leipziger Schule“ zielte. Denn auch die zweite Generation der „Leipziger Schule“ ist mit dutzenden hochkarätigen Malerinnen und Maler in Leipzig präsent. Und gleichzeitig gibt es viele hochkarätige Künstlerinnen und Künstler, die sich bewusst von der Leipziger Malschule abgegrenzt haben – angefangen von den hochklassigen Landschaftsmalern über die fast immer vergessenen Bildhauer bis hin zu all jenen, die schon in den 1980er Jahren von den Hauptlinien der DDR-Kunsterwartung abwichen und mit modernen und avantgardistischen Kunststilen experimentierten.

Im Grunde kann der Sammelauftrag nur lauten, dass das Bildermuseum sich um alles kümmert, was in den letzten Jahren in Leipzig an eindrucksvoller Kunst geschaffen wurde, und dabei auch den bislang sehr auf „Leipziger Schule“ verengten Fokus deutlich aufweitet. Denn eines macht der Antrag überdeutlich: Es gibt schon lange niemanden mehr, der die jüngere und ältere Leipziger Kunstszene tatsächlich noch ganz im Blick hat.

Am Museum der bildenden Künste sollte sich das natürlich ganz logisch entwickeln, so, wie es auch der Standpunkt des Kulturdezernats formuliert: „Das MdbK sieht es als seine originäre Aufgabe an, Künstlern Hilfe und Beratung zu Vor- und Nachlässen zu geben, Vorschläge auf Anfragen zu unterbreiten und auch Gespräche mit Erben zu führen. Das Museum betreut als städtische Einrichtung ausgewählte Künstlernachlässe, kümmert sich nach Möglichkeit um wissenschaftliche Aufarbeitungen und kann aufgrund der vorhandenen Kompetenz, Ressourcen und Kontakte die Federführung bei der weiteren Entwicklung und Strukturierung eines Netzwerkes übernehmen.“

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