Nach der Enthรผllung der Informationstafeln in der Nonne zum Waldumbau am 7. Juli ist ein Streit wieder offen entbrannt, der Streit um den richtigen Umgang mit Leipzigs Auwaldbestรคnden. Insbesondere die Ankรผndigung, dass es im nรคchsten Winter wieder massive Baumfรคllungen im Stadtwald geben soll, sorgte fรผr Protest. Selbst in der Burgaue soll wieder ein kompletter Hektar gefรคllt werden.

โ€žDer sogenannte Schirmhieb dort ist eine Vorschrift aus den Schutz- und PflegemaรŸnahmen fรผr das Naturschutzgebietโ€œ, erklรคrte Stadtfรถrster Andreas Sickert in der LVZ. Dabei verweist er auf die โ€žumfangreichen Auflagenโ€œ, die das Regierungsprรคsidium Leipzig verhรคngt hat, als es den Schutzstatus der Burgaue definierte.

Von Schirmhieb ist dort freilich keine Rede, sondern nur von Mittelwaldbewirtschaftung.

Diese Verordnung stammt von 1998. Sie definiert, was erlaubt und verboten ist im Schutzgebiet Burgaue, das รผbrigens zentraler Teil des Projektes โ€žLebendige Luppeโ€œ ist. Das wird interessant, wenn die Projektbetreiber ihre Bauplรคne fรผr die zu bauenden und zu reaktivierenden neuen Gewรคsser vorlegen. Denn eindeutig verboten sind diverse bauliche Eingriffe bis hin zur Verรคnderung des Bodens.

Eingegrenzt freilich durch die Formel, โ€žwenn sie dem Schutzstatus zuwiderlaufenโ€œ. Denn natรผrlich sind alle Verรคnderungen erwรผnscht, die den Schutzstatus der Burgaue dauerhaft verbessern.

Aber wie ist das dann mit den Bรคumen?

Dazu heiรŸt es in der Verordnung des Regierungsprรคsidiums tatsรคchlich unterm Stichwort โ€žSchutz- und PflegemaรŸnahmenโ€œ, dass โ€žeine naturnahe, bestandserhaltende Waldbewirtschaftung durch- oder fortzufรผhrenโ€œ ist, โ€žeinzelne Waldbereiche der natรผrlichen Entwicklung zu รผberlassen und in bestimmten Waldbereichen auf Methoden der Mittelwaldbewirtschaftung zurรผckzugreifenโ€œ ist.

Das ist genau die unsichere Stelle, die in der Vergangenheit schon heftige Bรผrgerproteste gegen die teilweise massiven Baumfรคllungen hervorgebracht hat. Es wurde nirgendwo wirklich erklรคrt, welche Waldteile warum in welcher Form bewirtschaftet werden. Was ja Anlass fรผr die Grรผnen-Fraktion war, die Informationstafeln zum Waldumbau als Antrag in den Stadtrat einzubringen. Wer die Tafeln, die am 7. Juli enthรผllt wurden, freilich liest, wird nicht ein bisschen klรผger. Auch weil die Texte in Amtsfรถrsterdeutsch verfasst sind.

So nebenbei suggerieren sie auch noch, dass die Bewirtschaftung des Leipziger Auenwaldes nachhaltig erfolge. Die Tafeln verweisen auf die Zertifizierung im โ€žProgramme for the Endorsement of Forest Certification Schemesโ€œ (PEFC) 2001. RegelmรครŸig wรผrden Gutachter unter Augenschein nehmen, ob Leipzigs Stadtfรถrster die Regeln von PEFC einhรคlt.

Femelloch in der Nonne. Foto: Ralf Julke
Femelloch in der Nonne. Foto: Ralf Julke

Aber PEFC wird auch von Umweltschutzorganisationen als der schwรคchere der derzeit bekannten Waldschutzstandards bezeichnet. Und Wikipedia schreibt: โ€žDer Sachverstรคndigenrat fรผr Umweltfragen vergleicht in seinem Umweltgutachten 2012 das PEFC mit dem FSC und bezeichnet es als deutlich schwรคcher, er zรคhlt es nicht zu den โ€šhochwertigen รถkologischen Standardsโ€˜.โ€œ

Den SpaรŸ hรคtte sich die Stadtfรถrsterei also sparen kรถnnen, denn die Kritik an diesem Standard hรคlt seit Jahren an.

Und dazu kommt: Die Stadt Leipzig hatte auch schon einmal den deutlich stรคrkeren FSC-Standard. Auch der wird von Umweltorganisationen inzwischen zwar als deutlich zu lasch bezeichnet โ€“ aber eine hรถhere Zertifizierung in diesem Umfang ist derzeit nicht auf dem Markt. Und weil es der bessere Standard fรผr eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ist, bemรผht sich Leipzig gerade darum, wieder eine FSC-Zertifizierung fรผr den Leipziger Stadtwald zu bekommen.

Das wird die Diskussionen nicht beenden. Aber das hat dann wieder โ€“ die Schautafeln zeigen es ja รผberdeutlich โ€“ mit der Kommunikationsschwรคche im ganzen Umweltdezernat zu tun. Denn in Leipzig geht es schon lange um die Details. Leipzigs Stadtforsten meinen, dass die Freischlagung groรŸer Femellรถcher der richtige Weg ist, um wieder eine Mittelwaldbewirtschaftung in Gang zu setzen und vor allem den Eichenanteil von derzeit 22 Prozent auf kรผnftig 40 Prozent zu erhรถhen.

Doch wer sich das Femelloch in der Nonne anschaut, sieht lauter kleine Eichentriebe, die Jahrzehnte brauchen werden, um wieder zu einem groรŸen Eichenbaum heranzuwachsen, der wieder hunderten Tier- und Insektenarten Heimstadt bietet. Dafรผr wurden hier dutzende groรŸe Bรคume gefรคllt, die teilweise รผber 100 Jahre alt waren.

Und in der Nonne kommt hinzu, dass hier die forstwirtschaftlichen Eingriffe auch mit dem Eschentriebsterben begrรผndet werden. Dazu gibt es eine Extra-Erlรคuterungstafel. Aber eine Vorstellung davon, wie und in welchem zeitlichen Rahmen das Waldgebiet Nonne nun wirklich umgestaltet werden soll, bekommt der Betrachter der Tafeln nicht. Dafรผr den nicht ganz unwichtigen Hinweis, dass es Anfang des 20. Jahrhundert schon einmal einen groรŸen Streit gab, ob die Nonne nun wie ein Park bewirtschaftet werden sollte oder wie ein Nutzwald. Genau der Streit, den die Tafeln irgendwie zu kaschieren versuchen.

Leipzigs Stadtfรถrster erklรคrt den Auwaldbesuchern die Waldbewirtschaftung in edelstem Beamtendeutsch

Leipzigs Stadtfรถrster erklรคrt den Auwaldbesuchern die Waldbewirtschaftung in edelstem Beamtendeutsch

 

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Es gibt 2 Kommentare

Den Streit um Bรคume ab oder nicht ab im Auwald beobachte ich als Laie seit langen Jahren. Was ich nicht verstehe: Die anerkannten Naturschutzvereine stimmen in der AG Stadtwald dem Bรคumefรคllen zu. Anderseits machen genau diese, Petitionen fรผr mehr Stadtgrรผn, mehr Bรคume in der Stadt. Wenn jemand in der Stadt Bรคume fรคllt, soll dies zur Anzeige gebracht werden. Stolz sind diese Vereine dann wenn sie die bรผrgerlichen Unterschriftensammlungen dann prรคsentieren. Bin gespannt, wer mir dies erklรคrt- warum das so sein MUSS.

Mal zur Erklรคrung: โ€œnachhaltigโ€ ist ein Begriff, den ein Fรถrster erfunden hat, der damit meinte, dass Fortwirtschaft (!) nachhaltig sein solle in dem Sinn, dass alle Jahre wieder Bรคume, nachhaltig eben, gefรคllt werden kรถnnen, weswegen man, nachhaltig, ebenso viele Bรคume stetig aufforsten mรผsse. Das war damals ein ganz neuer Gedanke. Inzwischen wird der Begriff falsch und inflationรคr fรผr jede noch so sinnfreie oder kontraoproduktive MaรŸnahme verwendet, wenn ihr ein rosa Schleifchen verpassst werden soll: nachhaltig meint aber ursprรผnglich nur, nachhaltig/langfristig Ertrag erwirtschaften zu kรถnnen. Es meint nicht, nachhaltig fรผr kommende Generationen Naturrรคume und Biodiversitรคt zu erhalten. DAFรœR mรผssten die alten Bรคume stehen bleiben! Ein Fรถrster, der (jaja, nachhaltig) wirtschaften will, mag das nun gar nicht: alte Bรคume sind zu dick fรผr die Verarbeitung und stehen viel zu lange rum. So ein nachhaltiges Wirtschaftwaldumlaufsystem sollte nicht lรคnger als 100 Jahre dauern. Deshalb ist das Mittelwaldprojekt โ€“ auch nichts aus ein Wirtschaftswaldprojekt mitten im Naturschutzgebiet! โ€“ auf so einen Zyklus ausgelegt. Der Streit geht inzwischen รผberhaupt nicht um Park oder Nutzwald sondern darum, ob wir den Auwald zum Atmen wollen oder zum Geldverdienen (wobei noch keiner aus der Stadtverwaltung wirklich Auskunft gegeben hat darรผber, ob mehr als die Kosten fรผr die Holzfรคllungen รผberhaupt an Ertrag dabei rumkommt). Die Frage ist also: wollen wir dieses wertvolle Gut (alter Baumbestand) als grรผne Lunge der Stadt erhalten und behalten oder wollen wir, dass diesem Schatz Jahr fรผr Jahr die kostbarsten Kronen abgeschlagen werden, womรถglich nur als Daseinsberechtigung fรผr Fรถrster.

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