Das Jahr 2018 war geprägt von der großen Diskussion über das Insektensterben. Es gibt zwar viele wahrscheinliche Ursachen für das Insektensterben. Aber ganz zentral ist der Verlust ihrer Lebensräume. Auch in Leipzig werden wilde Brachen und Wiesen immer mehr zu Betonwüsten oder englischem Kunstrasen ohne Blumen und Blüten. Die Grünen beantragten deshalb einen „Maßnahmenkatalog zum Schutz von Wild- und Honigbienen in Leipzig und Umgebung“. Das Umweltdezernat lud am Dienstag, 2. April, zur Anlage des ersten Blühstreifens ein.

Denn dass die intensive Park- und Wiesenpflege in Leipzig auch in der Stadt dazu beiträgt, dass Lebensräume für Insekten verloren gehen, ist im Leipziger Amt für Stadtgrün und Gewässer bekannt. Schon 2018 wurde im Stadtrat intensiv über das Bienensterben diskutiert.

Dazu lieferte das Umweltdezernat auch Zahlen: „Der allgemein erkennbare Rückgang in der Biodiversität der Bienenfauna ist auch im Stadtgebiet von Leipzig nachweisbar. Für den Bienitz, am westlichen Stadtrand von Leipzig gelegen, liegen langjährige Untersuchungen zur Insektenfauna, insbesondere zum Vorkommen von Wildbienen im Zeitraum von 1887 bis 2012 vor. Von den vor 1955 ursprünglich nachgewiesenen 207 Bienenarten konnten hier aktuell nur noch 141 Arten belegt werden. [Hausotte, M. & S. Schaffer 2017: Die Bienen (Hymenoptera, Anthophila) des Bienitz bei Leipzig – Versuch einer Literaturauswertung. – Mitteilungen Sächsischer Entomologen 36 (120): 34–49].“

Und ein Weg, den Insekten wieder mehr Platz in der Stadt zu geben, ist die Anlage von Blühstreifen.

Das hat die Stadt gleich in ein Programm gepackt. Das nennt sich „Unser Park“. In dessen Rahmen werden seit Dienstag, 2. April, über 20 Blühstreifen, verteilt auf neun Parkanlagen, angelegt. Die Ansaat des ersten Blühstreifens im Clara-Zetkin-Park, Nähe des Johannaparkwegs, mit einer Länge von drei mal 50 Metern, nahmen Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal und die Kinder der Kindertagesstätte „Marschnerstraße“ gemeinsam vor. Weitere Standorte sind das Rosental, der Friedenspark, der Schönauer Park, der Wilhelm-Külz-Park, der Palmengarten, der Arthur-Bretschneider-Park, der Auensee und die Löbauer Straße. In der Löbauer Straße bereichert der Blühstreifen gleich mal ein Wohngebiet, denn es geht auch um Aufmerksamkeit. Die Leipziger sollen bewusst miterleben, was es bedeutet, wenn sich in einem Blühstreifen wieder Insektenvielfalt ansiedelt.

Standorte für die neuen Blühstreifen in Leipzig. Karte: Stadt Leipzig
Standorte für die neuen Blühstreifen in Leipzig. Karte: Stadt Leipzig

Rüdiger Dittmar, Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer, befragte die Kinder aus der Marschnerstraße extra, ob sie auch schon ein paar Insekten kennen, die an solchen Blühstreifen ihre Freude haben werden. Das Ergebnis bezauberte ihn, denn die Kinder nannten Schmetterlinge, Bienen, Hummeln, Grashüpfer und Wespen. Ein Scherzbold warf noch Mücken ein. Und ein Junge fand, der Regenwurm, gehöre unbedingt dazu, auch wenn er kein Insekt ist.

„Leipzig ist nicht nur Lebensraum für Menschen, sondern auch für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren“, konstatiert Heiko Rosenthal. „Mit den Blühstreifen soll die biologische Vielfalt gefördert und für die Menschen erlebbar gemacht werden. Sie sind Ergebnis einer Zusammenarbeit des Amtes für Stadtgrün und Gewässer, des Amtes für Umweltschutz und des Eigenbetriebs Stadtreinigung.“

Auf den Blühstreifen werden heimische Blühpflanzen, Gräser und Kräuter ausgesät. Eine „autochtone Samenmischung“ nennen es die Verantwortlichen, also Samen von Blumen und Kräutern, die auch natürlich an solchen Standorten in Mitteldeutschland vorkommen.

Einen wertvollen Beitrag zur biologischen Vielfalt leisten sie, weil das erhöhte Blütenangebot die Lebensgrundlage der heimischen Insekten verbessert, welche wiederum als Grundlage für insektenfressende Vogelarten dienen. Es profitieren demzufolge eine Reihe von verschieden Artengruppen. Die Blühstreifen erreichen ihr Optimum in einigen Jahren. Sie werden durch ein Monitoring und eine wissenschaftliche Forschung durch die Hochschule Anhalt (FH) unter Leitung von Prof. Dr. Annett Baasch begleitet.

Der Blühstreifen wird in die Wiese am Johannaparkweg gefräst. Foto: Ralf Julke
Der Blühstreifen wird in die Wiese am Johannaparkweg gefräst. Foto: Ralf Julke

Und verantwortlich für die Anlage der Blühstreifen ist die Leipziger Stadtreinigung, die am Dienstag extra mit ihrem Traktor anrückte, um die 50 Meter langen Streifen in die Wiese am Johannaparkweg zu grubbern. Dort allein entstehen übrigens drei Blüh-Bahnen, zwei davon mit Samenmischung bestückt, eine nur umgegraben, damit sich hier Blumen und Kräuter von allein ansiedeln. Das wird die Vergleichsfläche.

Michael Mitterer, Abteilungsleiter Grünanlagen des Eigenbetriebes Stadtreinigung Leipzig: „Im ersten Schritt werden die Flächen gefräst und anschließend erfolgt die Ansaat. Die artenreichen Blühstreifen brauchen ihre Zeit, bis sie sich vollständig entwickelt haben. Im ersten Jahr zeigen sich vor allem Klatschmohn und Kornblumen, nächstes Jahr kommen Margeriten und Glockenmohn hinzu und später blühen auch Bocksbart, Witwen- und Flockenblumen.“

Und dann ist das Experiment noch nicht zu Ende, denn dann rechnen die Leipziger Stadtgärtner damit, dass sich etliche Blumen auch über die Blühstreifen hinaus verbreiten und die ganze Wiese zum Blühen bringen. Ein kleines Schild direkt an der Marschnerstraße weist darauf hin, dass hier ein Blühstreifen ist. Spaziergänger können also zuschauen, wie die Sache gelingt.

Der Blühstreifen wird in die Wiese am Johannaparkweg gefräst. Foto: Ralf Julke
Der Blühstreifen wird in die Wiese am Johannaparkweg gefräst. Foto: Ralf Julke

Die natürlich auch unter ein bisschen Wetterdruck steht, denn der Dürresommer 2018 hat auch Leipzigs Parkanlagen zugesetzt. Jüngst hat es zwar geregnet, die oberste Erdschicht ist feucht genug zur Ansaat. Aber natürlich hat auch der Witterungsverlauf in diesem Jahr Einfluss darauf, ob und wie der Blühstreifen wirklich blüht. Am Ende geht es auch darum, dass sich vor allem Pflanzen ansiedeln, die mit den Standortbedingungen auch langfristig am besten zurechtkommen.

An anderen Stellen werden übrigens andere Samenmischungen ausgebracht, jedes Mal dem besonderen Standort angepasst. Die Karte (siehe oben) zeigt die wichtigsten Blühstreifen-Projekte.

Die Kinder jedenfalls hatten einen Heidenspaß beim Ausstreuen der mit Sand versetzten Samenmischung.

Und dass das Ganze auch ein Forschungsprojekt ist, betont das Umweltdezernat noch besonders: Die Stadt Leipzig ist Mitglied im Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt“ und hat sich dem Schutz der biologischen Vielfalt verpflichtet. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsvorhabens „Stadtgrün wertschätzen“ werden Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt umgesetzt.

Termintipp: Am 11. Mai zu „Ein Tag im Park – Tag der biologischen Vielfalt“ im Clara-Zetkin-Park erfahren interessierte Leipziger mehr über die Tier- und Pflanzenwelt in der Stadt. Los geht es 8 Uhr mit einer Singvogel-Exkursion. Auf einer Wiesen-Exkursion geht es zu den Blühstreifen im Clara-Zetkin-Park. Die Veranstaltung richtet sich besonders an Familien, Kinder und Jugendliche.

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Sicherlich, Blühstreifen sind eine gute Sache für ein bißchen Natur in den oft so artenarmen Parks!

Allerdings würde Herr Rosenthal viel mehr für die Artenvielfalt tuen, wenn er sich für Gewässerökologie einsetzen würde anstatt für einen großen Stadthafen (den niemand braucht) und naturzerstörerischen Massentoursimus auf Kosten des Stuerzahlers, oder für FFH-verträgliche Waldpflege anstatt Intensivforstwirtschaft …würde … würde …

Aber Herr Rosenthal ist Klientelpolitiker und Natur und Umwelt gehören genau nicht zu seinen Klientelinteressen. Das Wörtchen “Umwelt” vor Bürgermeister dient der geschickten Tarnung wie man weiß.

Ein paar Blumensamen auszustreuen tut niemandem weh, nicht einmal dem Giftgrünen Ring, und so nutzt er das um ein bisserl den Umweltler zu spielen. Und viele spielen gerne mit, wie man auf den Fotos sieht.

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