Dass es mit der Energiewende in Sachsen klemmt, ist ja mittlerweile bekannt. Und natürlich klemmt es auch in Leipzig. Nur ein winziger Bruchteil der Dächer, die mit Solaranlagen ausgestattet werden könnten, wurde tatsächlich schon mit welchen bestückt. Das riesige Potenzial zur Gewinnung von Solarstrom wird von Immobilieneigentümern und Gewerbetreibenden noch immer nicht genutzt.

500.000 Euro: Verfällt das Geld jetzt einfach?

Was viele Gründe hat. Einer ist natürlich auch der, dass zum Beispiel Richtlinien für die Fördermittelvergabe nicht fertig werden. Auch in Leipzig ist das so, wie Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek in seiner Einbringungsrede zum Grünen-Antrag anmerkte. 500.000 Euro stünden in diesem Jahr als städtische Förderung für Balkonsolaranlagen zur Verfügung. Aber sie können nicht abgerufen werden, weil die Förderrichtlinie fehlt.

Das Geld droht zu verfallen. Zumindest schien es so nach Kaseks Rede, der dann ausgerechnet Michael Neuhaus als energiepolitischer Sprecher der Linksfraktion widersprach. Aus guten Gründen übrigens.

Denn hinter den 500.000 Euro steht ein Kompromiss. Denn anfangs wollten die Grünen hier 1 Million Euro einsetzen. Der Stadtrat aber einigte sich dann auf eine Teilung der Summe: 500.000 Euro für Balkonsolaranlagen und 500.000 Euro für die Stadtwerke Leipzig, damit sie davon Fotovoltaik-Anlagen auf kommunale Dächer bauen kann.

Solaranlagen zuallererst auf versiegelte Flächen

Wobei Kaseks Argument ja stimmt: Wenn man neue Solaranlagen in Leipzig baut, sollte man das zuallererst auf versiegelten Flächen tun – mit Ständeranlagen über Parkplätzen zum Beispiel und auf riesigen Gewerbebauten, wie sie auch am Stadtrand stehen. Warum das bis heute nur sporadisch passiert, konnte natürlich am 18. Mai nicht geklärt werden. Mal scheint die Investition für die Firmen zu groß, mal sind die Dachkonstruktionen nicht stabil genug. An Beratung jedenfalls, so Michael Neuhaus, fehle es nicht.

Vielleicht braucht es aber gerade deshalb ein städtisches Förderprogramm, weil viele Gewerbetreibende zögern und zaudern. Wohl wissend, dass die sächsische Energiewende stockt. Die Staatsregierung, so Neuhaus, sei da gegenwärtig jedenfalls kein Partner, auf den man warten könne.

Aber dass die Grünen das Geld aus der Förderung für Balkonsolaranlagen, wenn es nicht abgerufen werden kann, für private Gewerbebetreiber ausreichen möchte, fand er inakzeptabel. Das Geld sei – so der Kompromiss – ja sowieso schon für die Stadtwerke vorgesehen, wenn die Nachfrage für die Balkonsolaranlagen ausbleibt.

Es sah also ganz so aus, als würde der Grünen-Antrag an dieser Stelle scheitern. Aber wahrscheinlich trifft einfach zu, was bei diesem Geplänkel beinahe unterging: Jeder einzelne Baustein für den Umbau der Energiewirtschaft wird gebraucht. Und im Energie- und Klimaschutz-Programm der Stadt müssen auch die vielen versiegelten Gewerbeflächen in der Stadt zwingend mit auftauchen, wie Kasek feststellte.

Grüne bekommen alle Punkte durch

Und so sah es dann auch die Stadtratsmehrheit: Lieber jetzt tun, was möglich ist, damit überhaupt mehr Solaranlagen gebaut werden.

Neuhaus hatte noch beantragt, dass punktweise abgestimmt wurde.

So geschah es dann auch.

Der erste Antragspunkt der Grünen lautete: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, über das Amt für Wirtschaftsförderung bis Ende Q3 2022 ein Beratungs- und Unterstützungskonzept für die Installation von Solaranlagen auf bestehenden privatwirtschaftlichen Liegenschaften bzw. Gewerbeflächen zu entwickeln. Berücksichtigung sollen dabei u.a. die Ansprache von Gewerbetreibenden, das Aufzeigen von Best Practices, die Beratung zu Förderprogrammen (Land, Bund) und die Vermittlung zu den Leipziger Stadtwerken oder lokalen Partnern wie Energiegenossenschaften finden.“

Er bekam 32:10:17 Stimmen.

Der zweite Punkt wurde dann aus der Stellungnahme der Stadt übernommen. Er lautete: „Der Oberbürgermeister soll darauf hinwirken, dass sich ein Beratungs- und Unterstützungskonzept für einen Solar-Booster an bestehende Vertriebskonzepte anschließt und insbesondere bereits vorhandene Kundenbeziehungen, Prozesse und Erfahrungswerte berücksichtigt werden.“

Er bekam 30:12:18 Stimmen.

Und der dritte Antragspunkt schien für das Scheitern vorherbestimmt, weil die Linksfraktion dagegen stimmen wollte. Er lautet: „In Absprache mit den Stadtwerken Leipzig soll geprüft werden, ob ein Teil der 500.000 Euro aus der im Doppelhaushalt 2021/22 beschlossenen Solaroffensive, die nicht für die Förderung von Balkonsolargeräten genutzt werden, für dieses Beratungsprogramm umgeschichtet werden kann. Die Höhe der umzuschichtenden Mittel sollte sich am zu entwickelnden Konzept orientieren. Eine Abschätzung dazu erfolgt über die gemeinsame Abstimmung zwischen dem Amt für Wirtschaftsförderung und den Stadtwerken Leipzig. Auf Basis des eingereichten Konzepts können bei Bedarf nach dem Q3 2022 weitere Mittel umgewidmet werden.“

Doch wohl auch zur Überraschung für Michael Neuhaus gab es auch hier eine Mehrheit von 31:28:3 Stimmen.

Wenn es jetzt etwas schneller vorangeht als im Schneckentempo, könnte Leipzig jetzt vielleicht tatsächlich einen „Solarbooster“ bekommen.

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