Ist jetzt sogar Berlin schneller als Leipzig? Das war eine der Fragen, die Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek am 18. Januar hatte, als er seine Unzufriedenheit mit der Antwort der Stadtverwaltung auf die Grünen-Anfrage zu Balkon-Solaranlagen im Stadtrat deutlich machte. Zwei wertvolle Jahre sind vergangen.

„Mit dem Doppelhaushalt 2021/22 wurde ein Förderprogramm zur Errichtung von Balkonsolargeräten beauftragt, welches bis heute, knapp zwei Jahre nach Beschlussfassung, noch immer nicht zur Verfügung steht“, hatten die Grünen festgestellt.

Und irgendwie scheint es doch ganz einfach zu sein, so wie es im Stadtratsbeschluss stand: „Die Stadt Leipzig stellt 2022 1 Mio. EUR zusätzlich zur Verfügung, um die Errichtung von Fotovoltaik-Anlagen zu unterstützen. Die Mittel sollen wie folgt aufgeteilt werden: 1. 500.000 EUR werden für Fotovoltaik-Anlagen auf kommunalen Dachflächen und Dachflächen kommunaler Unternehmen bereitgestellt.

Die Umsetzung soll den Stadtwerken Leipzig gemeinsam mit ihrem Tochterunternehmen Leipziger Kommunale Energieeffizienz GmbH obliegen. Darüber hinaus ist insbesondere die kommunale Wohnungsbaugesellschaft LWB einzubinden.

2.500.000 EUR werden gemäß einer zu erarbeitenden Fachförderrichtlinie zur Förderung privater, steckerfertiger (Balkon-)Photovoltaik-Anlagen zur Verfügung gestellt. Die Fördermittel sollen vor allem Menschen mit geringem Einkommen zur Verfügung gestellt werden. Denkbarer Nachweis wäre ein Leipzig Pass.“

Nicht abgerufene Mittel sollten dann in den Fördertopf für PV-Anlagen auf kommunalen Dachflächen und Dachflächen kommunaler Unternehmen übertragen werden, hieß es weiter.

Im ersten Quartal 2023 sollten dann beide Programme evaluiert werden.

Auch 2022 nicht geschafft

Dabei ist das Programm zu den Balkon-Solaranlagen noch nicht einmal angelaufen. Berlin, so Kasek, habe dafür nur einen Monat gebraucht.

Doch irgendwie bekommt Leipzig den bürokratischen Kram nicht gebacken.

„Vor einem Jahr, im Februar 2022, fragte unsere Fraktion bereits nach den Gründen für die Verzögerung und nach der weiteren Planung“, hatten die Grünen festgestellt. „Die Antwort damals lautete, dass die Förderrichtlinie zur Förderung privater, steckerfertiger Solaranlagen derzeit erarbeitet würde, dies aber aufgrund des zu erwartenden personellen Aufwandes zur Ausreichung der Fördermittel und der damit einhergehenden Suche nach Lösungsmöglichkeiten in Verzug geraten sei. Ziel sei es, dass die Fachförderrichtlinie im ersten Quartal 2022 verwaltungsintern fertiggestellt wird, sodass unter Beachtung des weiteren Prozesses eine anschließende Fördermittelbeantragung möglich ist.“

Da hätten dann also mitten im von Energiepreissteigerungen gebeutelten Jahr 2022 die Gelder fließen können und ein paar tausend Haushalten mächtig geholfen, ihre Stromkosten zu senken. Aber nichts ist passiert.

„Obwohl ein weiteres Jahr ins Land gegangen ist, ist weiterhin keine Förderrichtlinie beschlossen. Interessierte Bürger/-innen warten seit dem Ratsbeschluss vor zwei Jahren auf Vollzug, um eine entsprechende Förderung in Anspruch nehmen zu können und sich ein Balkonsolargerät anzuschaffen, um so einen aktiven Beitrag zur preiswerten Energieerzeugung und zum Klimaschutz zu leisten“, schrieben die Grünen.

„Das Unverständnis, dass es offenbar nicht gelingt, ein Förderprogramm in Gang zu setzen, was in zahlreichen anderen deutschen Kommunen seit Jahren erfolgreich läuft, ist dabei groß. Das Vertrauen in Politik und Verwaltung ist im Laufe dieses Prozesses leider nicht gewachsen.“

Das zuständige Referat hatte mit dem EKSP zu tun

Warum sich das Umweltdezernat bis heute so schwertut, beschrieb es in seiner Antwort dann so: „Die Ausreichung von Fördermitteln in Höhe von insgesamt 500.000 € für private Balkon-PV-Anlagen mit einer maximalen Förderquote von ca. 400 € für zwei Module pro Haushalt erfordert die Erstellung einer Förderrichtlinie, die Entwicklung eines Fördermittelmanagementverfahrens und die Abwicklung von mindestens 1.250 Bewilligungsverfahren p. a., die zudem einen verantwortungsvollen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, eine unbürokratische Abwicklung und einen niedrigschwelligen Fördermittelzugang voraussetzen.

Dies muss im Sinne der Prioritätensetzung mit den zur Verfügung stehenden Personalkapazitäten im federführenden Referat Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz (RNK) bewältigt werden.“

Doch das Referat Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz hatte anderes zu tun, meint das Umweltdezernat: „Der Schwerpunkt des RNK lag in den vergangenen zwei Jahren auf der Umsetzung des Sofortmaßnahmenprogramms 2020 bis 2022, der Entwicklung und Beschlussfassung des Energie- und Klimaschutzprogramms 2030 sowie des Umsetzungsprogramms 2023/2024 und der Erstellung des kommunalen Wärmeplans.“

Aber immerhin: „Nichtsdestotrotz hat das federführende Referat eine Förderrichtlinie erstellt und rechtlich prüfen lassen.“

Hauptsache juristisch wasserdicht

Am 18. Januar antwortete Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal auf die Nachfragen von Jürgen Kasek. Er sagte zwar nicht mehr, als in der Antwort seines Dezernates steht. Aber das macht schon deutlich, dass die Stadt ein Programm auflegen will, das juristisch hieb- und stichfest ist. Wie Berlin so ein Programm binnen vier Wochen hinbekommen hat, weiß Rosenthal noch nicht. Er wolle sich kundig machen, sagte er.

Trotzdem merkte man bei Kaseks Insistieren, dass er für die elend langen Leipziger Vorbereitungen kein Verständnis hat.

Klar wurde nun auch, dass die Verwaltung weder Beratung noch Bewilligung selbst übernehmen will. Es fehle dazu schlicht das Personal, so Rosenthal. Man wolle also einen externen Dienstleister beauftragen und sei auch in Gesprächen dazu.

Das stand so auch schon in der Antwort der Stadt: „Um dem Stadtratsanliegen der solidarischen und unbürokratischen Förderung und Umsetzung Rechnung zu tragen, ist es das Ziel der Verwaltung, die Abwicklung des Förderprogramms in Verbindung mit der fachlichen Beratung aus einer Hand durch einen externen Dritten realisieren zu lassen. Das Verfahren hierzu ist gerade in der rechtlichen Prüfung.

Mit dem externen Dritten sind die notwendigen vertraglichen Voraussetzungen vorabgestimmt. Nach Bestätigung des Verfahrens kann die notwendige Vorlage dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Ziel ist die Beschlussfassung im 2. Quartal 2023 – vor Genehmigung des Doppelhaushalts 2023/2024.“

Die Zielgerade ist also endlich zu sehen. Auch wenn die Gelder für das Programm nun im Doppelhaushalt neu bereitgestellt werden müssen.

Und was passiert im Dächerprogramm?

Aber die Grünen wollten so beiläufig auch noch wissen, ob sich beim Solaranlagen-Programm für städtische Dächer etwas getan hat. Denn – so Jürgen Kasek – man sieht nirgendwo zusätzliche Solarflächen. Als wolle die Stadt Leipzig überhaupt nicht ins Solarzeitalter einsteigen.

Zumindest Vorarbeiten haben begonnen, teilte das Umweltdezernat mit.

„Für die Installation von PV-Anlagen auf kommunalen Dachflächen wurden 500.000 € zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang fanden für die bauliche Ertüchtigung kommunaler Dachflächen umfangreiche Vorarbeiten an zehn Objekten in Kooperation mit der Leipziger Kommunale Energieeffizienzgesellschaft (LKE) statt. Weitere 15 kommunale Objekte werden in 2023 für die Installation von Dach-PV-Anlagen vorbereitet.

Hierfür wurde im Jahr 2022 99.000 € an das Amt für Gebäudemanagement, zum Hemmnisabbau an Dächern in Vorbereitung der PV-Planung, umgewidmet. Dabei handelt es sich um die benannten zehn Objekte, bei denen eine Anpassung der Dachstiege notwendig ist, um die Dächer und die darauf zukünftig befindlichen Anlagen sicher begehen zu können.

Für das Jahr 2023 sind zum jetzigen Zeitpunkt bei weiteren 15 benannten Objekten Anpassungen an den Dachausstiegen geplant. Es werden weitere 151.000 € an Mitteln umgewidmet.“

Aber auch die deutsche Gesetzgebung bremst die Solar-Euphorie deutlich. Denn wenn die neuen Solaranlagen nicht zur Selbstversorgung des Gebäudes dienen, sondern Strom ins Netz einspeisen, wird die Sache ganz schnell unrentabel, wie das Umweltdezernat feststellt.

„Des Weiteren wird gegenwärtig bei Dächern, für die eine ungünstige wirtschaftliche Prognose bei einem angestrebten Maximalausbau der Fläche vorliegt, eine Anschubfinanzierung 2023 in Höhe von 105.000 € für die LKE geprüft. In diesem Fall soll vermieden werden, dass bei zu erwartender zukünftiger geänderter Gesetzeslage im Bereich des Energiemanagements, Dächer ein weiteres Mal beplant und ausgebaut werden müssen, um das Gesamtpotential der Dachflächen zu erschließen“, erklärt es.

„Dies würde in der aktuellen Situation dazu führen, dass die Kosten für Planung und Installation auf Grund des doppelten Aufwands deutlich steigen und auch die Leistungsausbauziele nicht erreicht werden. Dabei handelt es sich um Gebäude mit einem geringen Eigenverbrauch und dem zufolge einem hohen Anteil an eingespeister Leistung, welche auf Grund der Einspeisevorgaben dazu führen, dass diese Anlagen bei Vollbelegung der Dachflächen zu einem schlechteren objektspezifischen Strompreis führen. Davon sind aktuell sieben Projekte betroffen.“

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