Hitzestress, Dürre, Regenmangel: Vieles deutet darauf hin, dass auch der Sommer 2023 wieder heftig ausfallen könnte, was für jeden von uns dann erlebbar und sichtbar wird – in der stark aufgeheizten Stadt, der schlafraubenden Tropennacht oder der ausgedörrten Wiese vor dem Haus. Extreme wie Hitzewellen, Unwetter und Starkregen, so Fachleute, werden mit dem längst spürbaren Klimawandel häufiger. Was kann also vor Ort getan werden, um zumindest die gravierendsten Folgen der Erhitzung noch zu bremsen?

Um Antworten zu finden, hatte die Leipziger Linkspartei für Mittwoch, den 12. Juli, zu einem sogenannten Klimapicknick ins Leipziger Rosental eingeladen. Auf dem Grillplatz am vorderen Zooschaufenster sollte nachmittags in lockerer Runde diskutiert werden, was dem Klimawandel mit Maßnahmen vor der eigenen Haustür entgegengesetzt werden kann, sodass alle profitieren. Es ist ein jährlich stattfindendes Format, und relativ jung, am Mittwoch war es erst das zweite Mal.

Neben Michael Neuhaus (umweltpolitischer Sprecher der Linken im Stadtrat) und seiner Fraktionskollegin Franziska Riekewald (mobilitätspolitische Sprecherin) war Simone Ariane Pflaum ins Rosental gekommen, seit zwei Jahren Leiterin des Referats für Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz der Stadt Leipzig.

Referat mit kurzen Drähten

Zunächst hatte Pflaum das Wort und stellte dabei vor ungefähr zehn Interessierten detailreich die Arbeitsweise ihres Referats vor. Ihm fehlt es nicht an herausfordernden Aufgaben, die vom Kontakt zu Bürgern und Öffentlichkeitsarbeit über die Kooperation innerhalb der Stadtverwaltung sowie mit Institutionen und Privatunternehmen bis zum Koordinieren städtischer Prozesse reichen. Dabei sollen fachspezifische Impulse in Klimaschutzfragen gesetzt und deren Umsetzung begleitet werden.

Auf der Tagesordnung stehen immer wieder neue Fragen: Wie kann eine optimale Rad-Infrastruktur in Leipzig aussehen? Wie realisieren wir gute Aufklärungs- und Bildungsarbeit? In welchen Baustoffen für die Schaffung neuer Schulen und Wohnungen steckt wie viel klimaschädliches CO₂? Wie sichern wir die Finanzierung unserer Vorhaben und wer ist zuständig? Wo finden wir geeignetes Personal?

Positive Erfahrungen, so Pflaum, habe ihr Referat vor allem mit den kurzen Drähten der sechs Klimaschutzmanagerinnen und -manager in den verschiedenen Ämtern der Stadt gesammelt: Anders als sonst üblich gibt es keine schwerfälligen Kommunikationskanäle von Sachgebiet, Abteilungs- und Amtsleitern bis hin zu Beigeordneten und zurück, was die Abstimmung deutlich erleichtert.

Vielleicht wenigstens ein Symbol, was der Dringlichkeit des Klimaschutzes Rechnung trägt. Leipzig hatte im Herbst 2019 den Klimanotstand ausgerufen und ein Sofortmaßnahmenpaket mit 24 Punkten präsentiert. Diese bauten auf das Energie- und Klimaschutzprogramm (EKSP). 2021 gründete sich das von Pflaum geleitete Referat, im Folgejahr wurde Leipzig eine von 100 europäischen Modellkommunen im Rahmen des EU-Aufrufs „klimaneutrale und intelligente Städte“ bis 2030.

„Wir als Stadtverwaltung alleine kriegen es nicht hin“

Tatsächlich seien viele dicke Bretter zu bohren, so Ariane Pflaum. Mehrfach betonte sie, wie wichtig es ist, auch die Wirtschaft auf dem anvisierten Weg in ein klimaneutrales Leipzig mitzunehmen. Neben der Verkehrswende, dem Ausbau von ÖPNV und Radwegen, liegen die Schwerpunkte der Arbeit aktuell bei der kommunalen Wärmeversorgung, dem EU-Projekt zu klimaneutralen Städten und dem Plan einer klimaneutralen Stadtverwaltung bis 2035. Dabei, so Pflaum, müssten Bürgerinnen und Bürger ebenso einbezogen werden wie die Wirtschaft und amtlichen Stellen.

Bewusstsein für Klimaschutz zu schaffen, versteht sie als allgemeine Aufgabe mit vielen Beteiligten: „Wir als Stadtverwaltung alleine kriegen es nicht hin.“

Kleinkarierte Bürokratie, Skepsis, mangelndes Vertrauen

In der Diskussionsrunde wurde aber rasch deutlich, wo die praktischen Probleme liegen: In Sachen Transparenz und Zugänglichkeit von Informationen gäbe es Aufholbedarf, räumte Pflaum auf Rückfrage eines Teilnehmers ein. Allerdings seien gerade Zwischenberichte sehr arbeitsintensiv. Auch die konzeptionelle Arbeit frisst viel Zeit. In Sachen Wärme findet zwar viel Monitoring statt, aber meistens dauert es, bis daraus auch ein Handeln wird.

Oftmals, so hieß es zudem aus den Publikum, höre man aus der Bürgerschaft, dass man von der Stadt eigentlich nicht mehr allzu viel erwarte. Eine Förderrichtlinie für Solaranlagen auf dem Balkon, die vor zwei Jahren beschlossen und dann wieder zurückgestellt worden sei, trage sicher nicht zum Vertrauen bei. Überhaupt seien es immer wieder kleinkarierte Bürokratie und Regeln, die ja keine Naturgesetze seien, aber innovative Projekte torpedieren, wenn Denkmalschutzbestimmungen etwa die Anbringung einer Solaranlage aushebeln.

Pflaum äußerte Verständnis für den Unmut und wies zugleich auf die intensive Lobbyarbeit hin, die von Leipzig aus auch auf Bundes- und Landesebene betrieben wird. Die Gesetze, die von den Kommunen dann vollzogen werden, entstehen dort. Schwierig sei es innerhalb Sachsens, wo man weit davon entfernt sei, dass auch nur annähernd alle Kommunen mitziehen und mit einer Stimme sprechen. Hinzu kommt, dass der Kontakt zur Privatwirtschaft, zumindest bisher, auf Freiwilligkeit basiert.

Verkehrswende, Wärmeplan, Klimaneutralität

Und so sehr sich Leipzig als progressiver Vorreiter in Sachen Klimaschutz verkauft – und immerhin hat die Messestadt die Klimafragen, im Gegensatz zu anderen Kommunen, nicht etwa an Stadtwerke abgegeben – so sehr fehlt es manchmal noch an Sensibilität: Eine jahrelang auf motorisierten Verkehr getrimmte Behörde soll sich jetzt plötzlich mit allen Einzelheiten etwa zum Bau von Radwegen befassen? Da sei, so Pflaum, noch viel mentale Umstellungsarbeit bei manch Verantwortlichem gefordert.

Auch Michael Neuhaus schlug in diese Kerbe: Man erreiche in Sachen Klimaschutz meist immer wieder dieselben Leute, nicht zuletzt wegen einer konservativen Politik des Freistaats, die jahrelang das Feindbild radikaler Ökos aufgebaut habe, die den Menschen etwas wegnähmen. „Auch in Leipzig gibt es Gebiete, wo die Menschen nicht selbstverständlich für Klimaschutz sind.“ Im Verkehrssektor, der „lahmen Ente der Energiewende“, sieht der Stadtrat gerade noch sehr viel Arbeit.

Außerdem geht es im Rahmen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und der Wärmeversorgung darum, im nächsten Schritt die einzelnen Quartiere und Stadtteile in Leipzig individuell unter die Lupe zu nehmen: Wie kann die Abhängigkeit zum Beispiel von einer kohlebasierten Fernwärme in Zukunft beseitigt oder verringert werden? Auch diese Prüfung wird eine der wegweisenden Zukunftsaufgaben sein.

Vorläufige Bilanz

Fazit: Ein anregendes Veranstaltungsformat, das wenig Neues bereithielt, aber die vielschichtigen Aspekte zum kommunalen Klimaschutz noch einmal gebündelt auf den Punkt bringt. Und eines steht ja fest: Die Folgen des Klimawandels sind eben nicht abstrakt, sondern beginnen direkt vor unserer Haustür. Dort muss entsprechend angesetzt werden.

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