Wie verschlankt man eine Verwaltung? Kann man Verwaltungen überhaupt verschlanken? Seit Monaten wabert nun schon die Diskussion um die Verwaltungsstrukturreform in Leipzig. Und nicht nur in Leipzig. Die völlig falsch abgebogene deutsche Steuerpolitik der vergangenen 30 Jahre führt mittlerweile auf allen Ebenen dazu, dass öffentliche Haushalte ins Minus rauschen. Das Allheilmittel aus der neoliberalen Empfehlungskiste sind Zauberworte wie Personalabbau und Entbürokratisierung. Oder für die Leichtgläubigen: „Verschlankung“. Doch den Job möchte Leipzigs Verwaltung gern auslagern.

Und erntet geharnischten Widerstand. Zumindest aus der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Am heutigen 25. Juni soll die Vorlage des Oberbürgermeisters „Ausführungsbeschluss zur Beauftragung einer externen Beratungsleistung für die Begleitung der Aufgaben- und Strukturkonsolidierung (ASK)“ kurzfristig auf die Tagesordnung des Stadtrates kommen.

Und während die Linksfraktion versucht, die Vorlage einzuhegen, indem sie in zwei Änderungsanträgen Bedingungen für die Ausschreibung an einen Auftragnehmer stellt (hier und hier), bewerten Katharina Krefft, finanzpolitische Sprecherin der Grünen, und Marvin Frommhold, Sprecher für Digitales und Verwaltung, kritisch. Die Fraktion hat daher einen Änderungsantrag zur Verwaltungsvorlage in die Verhandlungen eingebracht, der eine externe Vergabe verhindern soll.

Immerhin geht es um 2,3 Millionen Euro, die die Verwaltung sich diese Strukturberatung kosten lassen will.

Ein falsches Signal

„Die geplante externe Beratung bei der Strukturreform der Stadt Leipzig ist aus Sicht der Bündnisgrünen Fraktion ein falsches Signal. Einerseits ringen wir mit der Landesdirektion um die Genehmigungsfähigkeit unseres defizitären Haushaltes und nehmen dabei schmerzhafte Einschnitte in Kauf und gleichzeitig schieben wir externen Beratern ungeplante Millionen zu, in der vagen Hoffnung, dass sie zu Einsparungen führen.

Statt Führungswissen auszulagern, sollte das Know-how in der Stadtverwaltung gestärkt werden. Denn die Mitarbeitenden sind die Expert/-innen für den laufenden Betrieb und damit auch für dessen Verbesserung“, betont Katharina Krefft den hohen Wert für die Einwohner/-innen Leipzigs, die sich auf gutes Verwaltungshandeln verlassen.

„2,3 Millionen Euro für externe Beratung unter externer Projektleitung weisen auf Führungsdefizite hin. Meine Fraktion beantragt daher konkret neben einer internen Projektgruppe auch eine eigene Projektleitung zu bilden. Wir verorten die Verantwortung in der Stadtspitze und sagen: Die Verwaltung kann das selbst.“

Die Aufgaben der gewachsenen Stadt müssten sich in einer gut strukturierten Verwaltung widerspiegeln, betonen die Grünen. Die Aufgaben- und Strukturkonsolidierung (ASK) wäre eine notwendige und weitreichende Reform, um die Leistungsfähigkeit der Verwaltung langfristig zu sichern. Dabei dürfe es jedoch nicht allein um Einsparungen gehen, sondern vor allem um eine kluge Steuerung und den Erhalt öffentlicher Verantwortung.

„Hierfür ist die Stadtspitze verantwortlich, externe Beratung kann dabei punktuell hinzugezogen werden“, so Krefft weiter. „Die demokratische Verfasstheit unserer Stadt hängt maßgeblich vom Personal ab. Die Funktionsfähigkeit der Stadtverwaltung muss geschützt werden. Dafür ist eine nachhaltige Strategie notwendig, die die Verwaltung in ihrer Kompetenz stärkt, statt Arbeit zu verdichten oder auszulagern. Dies wird nur mit einer starken internen Projektleitung erreicht. So sichern das im Prozess entstehende Wissen und legen Verantwortlichkeiten fest.“

Kernprozesse digitalisieren

Marvin Frommhold, Sprecher für Digitales und Verwaltung, sieht deshalb auch völlig andere Schwerpunkte bei einer nötigen Strukturreform: „Wir teilen die Anforderungen an mehr Effizienz im Verwaltungshandeln, gerade bei routinierten Prozessen. Diese erfordern jedoch eine deutlich stärkere Digitalisierung ohne Medienbrüche. Das heißt von Anfang bis Ende digital, ohne Drucker und Aktenordner dazwischen. Deswegen formulieren wir auch einen klaren Zielwert von mindestens 15 digitalisierten Kernprozessen bis 2027 sowie eine abschließende Auswertung des Konsolidierungsprozesses, um die Wirkung und Akzeptanz sichtbar zu machen.“

Aber Digitalisierung scheitert ja in Deutschland bekanntlich schon daran, dass jedes Bundesland und jede Kommune andere Software benutzt, nichts aufeinander abgestimmt ist und niemand in der Lage scheint, für alle deutschen Verwaltungen ein einheitliches System zu schaffen, das wirklich die Reibungsverluste bei „Ämtergrenzen“ unterbindet.

„Hier müssen aber auch der Bund und der Freistaat besser zuarbeiten, durch eine medienbruchfreie, effiziente Gesetzgebung und Entlastungen beim Datenabgleich, wie es der Deutsche Städtetag fordert“, umreißt Marvin Frommhold das Problem der Übertragung von Aufgaben auf die kommunale Ebene.

„Bisher ist vorgesehen, mögliche Stellen- und Aufgabenstreichungen erst in der Ratsversammlung mit Ja oder Nein zu entscheiden. Bei einer Ablehnung durch den Stadtrat verzögert das den gesamten Konsolidierungsprozess und gefährdet damit die Umsetzung. Deswegen fordern wir eine frühzeitige Einbindung der zuständigen Ausschüsse, um dort gemeinsam über Streichungen und Alternativen beraten zu können.“

Seitens der Fraktion Die Linke wurde mittlerweile die Absetzung der Verwaltungsvorlage von der Ratsversammlung beantragt, da die Vorverhandlung keine zufriedenstellende Einigung ergab.

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