Als einen Meilenstein in der Entwicklung des Neuseenlandes im Norden von Leipzig preisen einige Kommunalpolitiker die geplante neue Straße vom Schkeuditzer Ortsteil Hayna nach Rackwitz. Eine Erschließung für 250.000 Erholungssuchende, die Anbindung von Biedermeier-Strand und All-on Sea als zukünftige Kulturzentren, die Förderung der lokalen Wirtschaft, was wird alles an positiven Effekten aufgezählt, um den 3-Millionen-Euro-Neubau als Erfolgsprojekt schmackhaft zu machen, lästern die Grünen aus dem Landkreis Nordsachsen.

Sie lästern mit der bangen Ahnung, dass eben doch alles wieder so kommt, wie es sich ein paar Amtsträger ausgedacht haben. Das Mittel dazu könnte man fast als eine spezielle sächsische Erfindung bezeichnen: Man gründet, um einige Infrastrukturprojekte ohne störende Bürgerbeteiligung durchziehen zu können, einfach neue Arbeitsabenen, in denen die Gremien mehrerer öffentlicher Instanzen zusammensitzen. Damit verschwindet die Verantwortung im Dickicht, das Projekt wird beschlossen. Die Bürger staunen.

Und das wird nicht nur im Leipziger Neuseenland so praktiziert. Im Landkreis Nordsachsen kann man es genauso gut. Doch sowohl in Rackwitz, als auch in Hayna finden sich zunehmend besorgte Bürger, je konkreter die Pläne in die Öffentlichkeit geraten. “Allein, die Bürgermeister und der Landkreis versuchen, ein geordnetes Planfeststellungsverfahren zu umgehen, und damit gibt es keine geregelten Mitsprachemöglichkeiten für die Betroffenen”, kritisieren die Grünen diesen neuerlichen Vorgang, ein Investitionsprojekt an der Bürgerbeteiligung vorbeizuschleusen. Mit ihren Sorgen und Bedenken allein gelassen, wandten sich die Bürger an verschiedene mögliche Unterstützer, so auch an den Grünen Kreisverband in Nordsachsen.

“Zuständig für Verkehrspolitik habe ich einige Einwohner aus Hayna und Rackwitz getroffen und mich über die Situation vor Ort informiert”, erklärt Bernd Brandtner, Mitglied im Kreisvorstand Kreisverband Nordsachsen dazu. “Bedenken bestehen vor allem in der Nutzung als Abkürzung und Ausweichstrecke parallel zur A14, was deutlich mehr Verkehr erzeugen kann als die Prognosen vorhersagen. Das würde der beabsichtigten Naherholung im Seengebiet vollkommen zuwiderlaufen. Allerdings ist sowieso fraglich, inwieweit eine entspannte Erholung seitens der Wirtschaftsförderer des Landkreises überhaupt beabsichtigt ist, denn die Erschließung des Gebietes soll die Vogelschlaggefahr in der Einflugschneise des Flughafens reduzieren, also gezielt Unruhe und Lärm erzeugen. Ob die Besucher des Biedermeier-Strandes dabei zum erhofften Kulturerlebnis kommen oder gleich mit vergrämt werden, bleibt dahingestellt.”

Von der Mehrbelastung der Anschlussstraßen, insbesondere der Leipziger Straße in Rackwitz und von den zukünftig steigenden Kosten für Winterdienst und Straßenunterhaltung, welche die Kommunen mit aufbringen müssen, war bisher auch nicht die Rede, kritisiert er.

“Insgesamt erscheint das ganze Konzept sehr widersprüchlich und nicht ausgereift, auch wenn der Rackwitzer Bürgermeister in der Zeitung schon mal verkünden ließ, dass Baurecht bestünde. Der Weg ohne Bürgerbeteiligung im vereinfachten Verfahren bietet den Bedenken der Bürger kein Podium, wo um gemeinsame Lösungen, Kompromisse und innovative Ansätze gerungen werden könnte”, benennt Brandtner den Punkt, an dem Politik das Vertrauen der Bürger gewinnen oder nachhaltig verspielen kann.

“So bleibt ein Beigeschmack, das sich einzelne lokale Akteure für ihre eigenen Interessen zusammengetan haben und ein steuerfinanziertes Projekt kompromisslos durchboxen wollen”, sagt Brandtner. “Die Chancen, ein konstruktives Verfahren zur Entwicklung des Gebietes mit aktiver Bürgerbeteiligung in Gang zu setzen und das Beste für alle zu gewinnen, schwinden, je weiter die Planungen vorangetrieben werden.”

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar