Um die regionalen Großinvestitionen in den einzelnen Landesteilen vor Ort zu koordinieren, gibt es in Sachsen ganz offiziell regionale Planungsverbände. Sie funktionieren ganz ähnlich wie die regionalen Nahverkehrsverbände. Die Kommunen vor Ort tun sich zusammen, um den Infrastrukturinvestitionen die gewünschte Richtung zu geben. Für das Leipziger Neuseenland ist der Regionale Planungsverband (RPV) Westsachsen zuständig.

Mitglieder sind die beiden Landkreise Leipzig und Nordsachsen und die Stadt Leipzig. Und wenn demnächst wieder einige Leipziger Stadträtinnen und Stadträte so tun, als wüssten sie nicht, was im Neuseenland passiert, dann kann man sie ja direkt fragen. Etliche Leipziger sitzen auch qua Wahlamt in der Verbandsversammlung des Regionalen Planungsverbandes.

Die Verbandsversammlung des RPV Westsachsen ist das demokratische Gremium, das die bindenden Entschlüsse im Neuseenland fällen kann. Deswegen will Dr. Gerhard Gey, Landrat des Landkreises Leipzig, Sprecher der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland und gleichzeitig auch Vorsitzender des RPV Westsachsen, der Verbandsversammlung des Regionalen Planungsverbandes vorschlagen, was sich die Steuerungsgruppe in Sachen Schiffbarkeit im Neuseenland ausgedacht hat.

Der Verband kann dem Freistaat Sachsen – also in diesem Fall der Landesdirektion – vorschlagen, welche Einschränkungen sie für die Umsetzung der Schiffbarkeit im Neuseenland wünscht. Sie könnte auch darauf verzichten. Dann gilt mit Inkraftsetzung der Schiffbarkeit das, was im Sächsischen Wassergesetz steht: freie Fahrt auch für Sportboote. Etwas, was eine Mehrheit der Wassersportler in der Region so nicht will. Das bekamen die forschen Akteure der Steuerungsgruppe am “Tag Blau”, dem Eröffnungstag für die Schleuse Connewitz und den Kurs 1 durch den Floßgraben am 11. Juli 2011 zu spüren, als sie von protestierenden Paddlern zum Umsteigen aus dem Motorboot in die Paddelboote gezwungen wurden. Da merkten zumindest Gerhard Gey, Leipzigs OBM Burkhard Jung und Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal, dass im Neuseenland nicht alles geht und die “Neuseenländer” durchaus andere Erwartungen an die entstehende Wasserlandschaft haben als ein paar rührige Akteure, denen es gar nicht laut und schnell und motorisiert genug sein kann.

Ein Ergebnis war, dass die “Charta Leipziger Neuseenland”, die bis dato allein in den Gremien des Gewässerverbundes ausbaldowert worden war, 2013 zum Thema eines Diskussionsprozesses gemacht wurde. In Leipzig, Borna und Delitzsch wurden die Bürger eingeladen, die Charta zu diskutieren. Mit deutlichen Ergebnissen in Leipzig und Borna: Weder Bürger noch Freizeitsportler wollen in der Mehrheit spritbetriebene Motorboote im Neuseenland. Der Gedanke, das Neuseenland nur für elektrisch betriebene Motorboote zu öffnen, fand in Leipzig und in Borna eine deutliche Mehrheit.

Und siehe da: Am 28. April stellte nun Gerhard Gey den Vorschlag der Steuerungsgruppe Neuseenland vor, genau das als Einschränkung der Schiffbarkeit der Landesdirektion vorzuschlagen.

Aber eigentlich doch nicht. Schnell stellte sich heraus, dass die Steuerungsgruppe sich viel mehr Gedanken darüber gemacht hat, wie sie die gewünschte Einschränkung wieder einschränken könnte – also öffnen. Da gibt es Sonderwünsche aus Großpösna und Zwenkau, für den Zwenkauer und den Störmthaler See just keine Einschränkungen für spritbetriebene Wasserfahrzeuge zu erlassen. Am Störmthaler See möchte man gern die alten Amphibienfahrzeuge weiter fahren lassen. Und den Bootstourismus möchte man auch gern haben, also soll es auch extra Liegeplätze für anreisende Bootsbesitzer geben, zehn bis 15 Stück an jedem See. Wer mit seinem Motorboot anreist, kann vier Wochen lang auf dem Gewässerverbund fahren – mit Erweiterungsoption.

Von dem Vorschlag – den auch die Umwelt- und Wassersportverbände der Region unterstützten – in Neuseenland tatsächlich konsequent auf Elektroboote zu setzen, bleibt auf diese Weise nicht viel mehr übrig, als dass Elektroboote auch fahren dürfen. Vor allem in den geplanten Verleihstationen.Was Gerhard Gey also der Verbandsversammlung des Regionalen Planungsverbandes vorschlagen will, ist eine Art Flickwerk, in dem man allen alles verspricht, in dem eine klare Linie aber fehlt.

Und genauso schreibt es jetzt auch Wolfgang Stoiber, der Vorsitzende des NuKla e.V., in einem Brief an Gerhard Gey: “Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, worin der Unterschied zwischen Störmthaler bzw. dem Zwenkauer See und den übrigen Seen bestehen soll, außer dem Wunsch der jeweiligen BürgermeisterIn. Das wiederum führt im Hinblick auf die Einschränkung der Schiffbarkeitserklärung dazu, dass subjektive, einzelpersonengebundene, jedoch keine objektiven und damit für die Landesdirektion akzeptable Begründungskriterien für eine seenweise Handhabung vorgebracht werden: Gleiches wird durch die Landesdirektion nicht ungleich behandelt werden! Herr Schütze wird Ihnen diese Erkenntnis aus dem Gespräch mit der Landesdirektion am 05.03.2014 mitteilen können.”

Karsten Schütze ist OBM der Stadt Markkleeberg, die sich als Seeanrainer deutlich für Elektroboote ausgesprochen hat. Was wohl dazu führte, dass die Steuerungsgruppe sich ein bisschen für Elektroboote auf dem Markkleeberger und dem Cospudener See erwärmen konnte. Der Bürgermeister von Zwenkau aber will spritbetriebene Motorboote, die Bürgermeisterin von Großpösna ebenfalls. Also setzt jeder seine Eigeninteressen durch in dieser Steuerungsgruppe – und es kommt wieder genau das heraus, was im Neuseenland seit über zehn Jahren die Regel ist: Flickwerk.

Stoiber hat schon recht: Die Landesdirektion wird diesem Vorschlag nicht zustimmen können, denn es kann nicht sein, dass in einem einheitlichen Planungsraum auf jedem Gewässer andere Regeln herrschen. Das kann dann wirklich niemand mehr kontrollieren. Die von den Teilnehmern der Charta-Workshops so deutlich befürwortete Einschränkung der Schiffbarkeit auf Boote mit Elektroantrieb war eine große Chance, der Landesdirektion wirklich einen einheitlichen und zukunftsfähigen Vorschlag zu machen.

Dass der von Gey vorgestellte Vorschlag auch noch dem Abstimmungsergebnis des Charta-Workshops in Borna so deutlich zuwider läuft, spricht im Grunde Bände. Und es entlarvt die Charta-Diskussion als das, was sie wohl auch wirklich ist: nichts als ein Feigenblatt. Ein So-tun-als-ob die Meinung der “Neuseenländer” auch nur im Geringsten interessieren würde. Und auch wenn die Meinungsbilder aus den Charta-Workshops Niederschlag in der neuen Fassung der “Charta Leipziger Neuseenland 2030” finden, zeigt der Vorschlag zur Schiffbarkeit, dass die Steuerungsgruppe gar nicht daran denkt, auf solche Dinge überhaupt einzugehen.

Aber vielleicht hat der geflickte Vorschlag auch nur einen Sinn – und hier wird es ganz verzwickt: Soll die Landesdirektion geradezu gedrängt werden, den Vorschlag zurückzuweisen, weil dieses Flickwerk so nicht umsetzbar ist? Dann könnten sich die Akteure der Steuerungsgruppe wieder zurücklehnen und sagen: Seht ihr, wir haben’s doch versucht und sind leider, leider gescheitert. Und dann kommt die Schiffbarkeit in der vollumfänglichen Form, wie sie im Wassergesetz steht: Mit freier Fahrt für spritbetriebene Sportboote auf allen vier Seen.

www.rpv-westsachsen.de

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