Am Dienstag, 16. April, bestätigte die Dienstberatung des Oberbürgermeisters den nächsten Schritt für den integrativen Campingplatz am Störmthaler See, den der Städtische Eigenbetrieb Behindertenhilfe (SEB) bauen will. Nun kann der Bau- und Finanzierungsbeschluss dem Leipziger Stadtrat vorgelegt werden. Dessen Zustimmung vorausgesetzt, könnten Ende des Jahres die Bauarbeiten für das ganzheitliche und barrierefreie Camping- und Freizeitangebot für alle Menschen starten.

„Der Inklusionscampingplatz ist so konzipiert, dass alle Generationen mit oder ohne Beeinträchtigungen naturnah und vor allem barrierefrei Urlaub machen können. Gleichzeitig entstehen ganzjährig Arbeitsplätze für Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Region Leipzig erhält damit ein einzigartiges Angebot mit doppelter Inklusion“, erklärt Dr. Martina Münch, Sozialbürgermeisterin der Stadt Leipzig, zum neuen Projektschritt. „In dieser Form entsteht ein Erholungsangebot, das wirkliche Teilhabe am Leben für alle Menschen ermöglicht und wahrlich wegweisend auch für andere Städte und Regionen in Deutschland ist.“

Barrierefreie Dorfstruktur am See

In einer dreigliedrigen Dorfstruktur sollen am Störmthaler See bis 2027 Ferienhäuser als Urlaubsangebot für schwerstmehrfachbehinderte Gäste, barrierefreie Tiny-Häuser, Stellplätze für Wohnmobile, Wohnwagen und Zelte in das Areal am Störmthaler See integriert werden. Außerdem entstehen im Umfeld Spiel- und Abenteuerplätze, ein bewachter Strandbereich mit Gastronomie, Flächen für tierpädagogische Angebote sowie eine Einrichtung der Eingliederungshilfe.

Visualisierung von Kiosk und Verwaltungsbauten auf dem geplanten Campingplatz am Störmthaler See. Quelle: SEB
Visualisierung von Kiosk und Verwaltungsbauten auf dem geplanten Campingplatz am Störmthaler See. Quelle: SEB

Die Projektinitiatoren haben zusätzlich zur doppelten Inklusion auch großen Wert auf die Themen Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit gelegt. Die energetischen Planungen umfassen unter anderem eine dezentrale Wärmeversorgung über den Einsatz von Luftwärmepumpen, die Wasserspeicherung über Zisternen, die Grauwasseraufbereitung sowie die Nutzung von Photovoltaikanlagen. Zudem entstehen Flächen für Streuobst- und Blühwiesen sowie Nistplätze für Vögel und Fledermäuse.

Die geplanten Kosten für die Errichtung des Inklusionscampingplatzes betragen inzwischen rund 35,6 Millionen Euro und werden zu 95 Prozent über Strukturwandelmittel des Bundes beziehungsweise des Freistaates Sachsen zur Entwicklung ehemaliger Tagebaugebiete gefördert. Der SEB muss nur 5 Prozent der Projektkosten aufbringen.

Ursprünglich war der inklusive Campingplatz mit 22 Millionen Euro angedacht. 2023 bestätigte der Leipziger Stadtrat schon eine Erhöhung der Kosten auf 31 Millionen Euro.

Ein bisschen mehr Rücksicht auf die Natur

Dabei mussten schon erste Abstriche bei den Planungen gemacht werden. Das wurde jetzt noch weiter konkretisiert, wie man der Vorlage entnehmen kann: „Im Planungsprozess und in der Grundlagenermittlung sowie durch das Einbeziehen der verschiedenen Fachexperten/-innen, Genehmigungsbehörden und Ämter wurden Planungen weiter geschärft und konkretisiert, sodass unter Berücksichtigung aller Einflussfaktoren eine überarbeitete Planung mit folgenden Parametern zum künftigen Inklusionscampingplatz entstanden ist:

Aufteilung des Campingplatzes in dorfähnliche Strukturen (drei Dörfer)
etwa 185 Stellplätze für Wohnmobile, Wohnwagen und Zelte
6 Ferienhäuser als Urlaubsangebot für schwerstmehrfachbehinderte Gäste
10 Tiny Häuser
Gebäude der Eingliederungshilfe
Gebäude für tiergestützte Intervention inkl. Stallungen und Weideflächen für Tiere
Eingangsbereich Campingplatz mit Rezeption, Gastronomie, Fahrradverleih und Wirtschaftshof
Abenteuerspielplatz
Bistro am See“

Dabei wurde die Stellplatzzahl von ursprünglich 200 bis 250 deutlich reduziert. Und aus dem zu teuren „Restaurant am See“ wurde ein Bistro.

Zu den Anpassungen heißt es in der Vorlage: „Weitere Unterschiede zum Planungsbeschluss sind:
Der Wegfall der zweiten Sichtachse zum See und somit reduzierter Eingriff in den Waldbestand.
Das Restaurant am See wurde durch ein Bistro am See ersetzt. Daraus resultiert ebenfalls ein reduzierter Eingriff in den Waldbestand und eine Kostenreduzierung in der Objektplanung.

Die Flächen für Streuobstwiesen und Blühwiesen sowie Nistplätze für Vögel und Fledermäuse
Die dezentrale Wärmeversorgung für saisonale und gebäudespezifische Nutzung mittels Wärmepumpen
Wasserspeicherung und Grauwasseraufbereitung auf dem Campingplatzgelände“.

Betrieb ganzjährig

Wobei Campingplatz und Gastronomie künftig ganzjährig betrieben werden sollen. Mit einigem Optimismus geht der SEB davon aus, dass ein Teil des Geländes auch in den Wintermonaten gebucht wird. „Für die Nebensaison wird auf dem Campingplatz eine Auslastung von etwa 5 bis 10% angenommen, für die Zwischensaison 40 bis 60% und in der Hauptsaison 60 bis 80%. Insgesamt geht man durchschnittlich von ca. 66.800 Übernachtungstagen aus. (…) Die gastronomischen Angebote sind unterschiedlich in ihrer Auslastung geplant. Das Bistro am See wird ausschließlich für Besucher des Strandes und witterungsbedingt geöffnet sein. Bei etwa 100 Öffnungstagen könnten bis zu 32.000 Besucher/-innen die Angebote des Bistros am See nutzen.

Die Gastronomie auf dem Campingplatz soll ganzjährig geöffnet werden, wobei auch in diesem Bereich unterschiedliche Auslastungen zu erwarten sind. Unter Berücksichtigung saisonaler Schwankungen, Angebote und angepassten Öffnungszeiten sind ca. 300 Öffnungstage geplant an denen etwa 45.000 Gäste die Angebote von Restaurant, Café, Pizza-Counter usw. nutzen können.“

Womit man eben nicht nur saisonale Arbeitsplätze schaffen will. In der Vorlage heißt es dazu: „Mit der Inbetriebnahme des Projektes werden tarifgebundene, sozialversicherungspflichtige, ganzjährige Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse für Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen. In den Jahren wird Personal entsprechend der steigenden Auslastungen aufgebaut. Es wird damit gerechnet, dass ab dem fünften Betriebsjahr das Personal weitestgehend ausgebaut ist und zu saisonalen Hochzeiten mit Saisonarbeitskräften unterstützt wird. Die Anzahl der beschäftigten Menschen mit Behinderung wird durchschnittlich 40% betragen.

Auf dem inklusiven Campingplatz werden etwa zwölf Mitarbeitende (9 VZÄ) beschäftigt sein, ergänzt im Zeitraum Mai bis September durch saisonale Hilfskräfte.

Für die gastronomischen Angebote, welche teils ganzjährig (Gastronomie am Campingplatz) und teil saisonal (Bistro am See) betrieben werden, sollen etwa elf Mitarbeitende (8 VZÄ) sozialversicherungspflichtig eingestellt werden.

Für die Eingliederungshilfe und tiergestützte Therapie werden etwa 16 Mitarbeitende geplant (14 VZÄ), die in beiden Einrichtungen und Bereichen tätig sein werden.

In Summe können etwa 39 Personen ganzjährig, sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden.
In allen Bereichen des Projektes sind Ausbildungsplätze vorstellbar.“

Inklusiver Betreiber gesucht

Dabei will der SEB gar nicht alles selbst betreiben, sondern sich auf die Bereiche Eingliederungshilfe und tiergestützte Angebote konzentrieren. Für Gastronomie, Campingplatz und Strandbewirtschaftung will man über Ausschreibung ein Inklusionsunternehmen finden, das hier in einem Betreiber-/Pachtvertrag tätig wird. Solte sich ein solches gemeinnütziges Inklusionsunternehmen nicht finden, will man versuchen, ein nicht gemeinnütziges Unternehmen mit einschlägigen Erfahrungen in Gastronomie/Camping zu gewinnen, das bereit ist, durch Ausgründung ein Inklusionsunternehmen zu schaffen.

Mit den ersten Erdbauarbeiten könnte noch im vierten Quartal begonnen werden, ein Ende der Bauarbeiten ist für das vierte Quartal 2026 vorgesehen. Vorher freilich muss der Leipziger Stadtrat die Vorlage noch bestätigen.

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Es gibt 2 Kommentare

Inklusionscampingplätze können auch auf anderen Flächen gebaut werden. Mal wieder – schade um die Grunaer Bucht.

War das nicht das Vorhaben, bei dem es um artenschutzrechtliche Bedenken ging und Uferbereich platt gemacht werden soll?
Vielleicht bei 95% Förderung auch nicht mehr so wichtig…

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