Die Mehrheit des Leipziger Stadtrates ist noch immer überzeugt davon, dass sich das vom Städtischen Eigenbetrieb Behindertenhilfe (SEB) am Störmthaler See geplante Projekt eines inklusiven Campingplatzes rechnet und wirtschaftlich trägt. Es fiel den Fraktionen am 18. Oktober auch deshalb leichter, einer massiven Kostenerhöhung zuzustimmen, weil es dabei nicht um städtische Gelder geht, sondern um Gelder aus dem Fördertopf für den Strukturwandel.

Wofür diese Mittel gedacht sind, beschreibt die Sächsische Agentur für Strukturentwicklung GmbH (SAS) so: „Das Sächsische Kabinett hat am 27. April 2021 die ‚Förderrichtlinie für Zuwendungen nach dem Investitionsgesetz Kohleregionen – RL InvKG‘ beschlossen. Die Richtlinie regelt das Verfahren, nach dem investive Projekte für den Strukturwandel in den beiden sächsischen Braunkohlerevieren ausgewählt und unterstützt werden sollen.

Antragsberechtigt für die Förderung sind neben den Kommunen und deren Unternehmen außerdem auch öffentliche und private Träger, wenn ihre Projekte der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen, die aus den Mitteln des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen unterstützt werden.“

Da haben sich dann Kommunen und ihre Unternehmen lauter Projekte ausgedacht, die man für den Strukturwandel nach der Braunkohle gut brauchen könnte. Der Städtische Eigenbetrieb Behindertenhilfe (SEB) dachte sich das Projekt eines inklusiven Campingplatzes am Störmthaler See aus – an einem Seeabschnitt, der heute noch nicht bebaut ist und wo sich in den vergangenen 20 Jahren ein artenreiches Biotop herausgebildet hat. Eigentlich Grund genug, vorsichtig zu sein. Nicht nur die Grünen äußerten da massive artenschutzrechtliche Bedenken.

Doch vor einem Jahr stimmte der Stadtrat dem Projekt zu. Die Grünen blieben in einer Minderheitenposition.

Und daran hat sich auch ein Jahr später nichts geändert, denn 95 Prozent der Gelder kommen aus dem Stadt-Umland-Projekt zum Strukturwandel, 5 Prozent muss der SEB aus eigenen Mitteln aufbringen.

Bedenken zum Artenschutz nicht ausgeräumt

Doch seit dem Beschluss hat sich einiges geändert. Damals wurde der Campingplatz noch mit 22 Millionen Euro geplant. Doch inzwischen haben sich etliche Baudetails konkretisiert – die prognostizierte Investitionssumme ist auf 31 Millionen Euro gestiegen.

„Auf jeden Fall unterschätzt wurde im Bereich der KG 500 der Aufwand für den Landschaftsbau“, heißt es im Nachtragswirtschaftsplan des SEB, der am 18. Oktober vom Stadtrat bestätigt werden musste. Allein dieser Kostenpunkt erhöhte sich von 5 auf 9 Millionen Euro.

Im Nachtragswirtschaftsplan standen auch Kostenerhöhungen zum Neubau Gemeindezentrum des SEB (Steigerung von 3,01 Millionen auf 3,25 Millionen Euro) und zur Kita Benedixstraße (Steigerung von 9,80 auf 10,33 Millionen Euro). Beides begründete Erhöhungen, welche auch die Grünen akzeptieren könnten, wie Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft am 18. Oktober erklärte.

Aber die artenschutzrechtlichen Bedenken und die Bedenken zur Fachkräftesicherung und zur Wirtschaftlichkeit des Campingplatzes hielten sie aufrecht. Die Vorlage zeigt auch, dass man bei den Planungen zur Gastronomie viel zu euphorisch herangegangen war: „Auf Grund des gewaltigen Kostenaufwuchses bei den Kostenschätzungen der Leistungsphase 2 der Fachplaner wurden die verschiedenen Projektteile inhaltlich auf den Prüfstand gestellt.

So wurden aus Kostengründen und aufgrund besonderer Herausforderungen der Baugenehmigungsfähigkeit das in der Machbarkeitsstudie ausgewiesene Gaststättengebäude oberhalb vom Strandrundweg durch ein kleineres Bistro im Strandbereich ersetzt und die Gastronomie in das Empfangsgebäude des Campingplatzes integriert, die Flächen für Schulungs- und Aufenthaltsräume auf dem Campingplatz reduziert (und) die angestrebte weitgehende Energieautarkie durch Wegfall von Erdwärmegewinnung zugunsten von Luftwärmepumpen i. V. mit großen Photovoltaikflächen angepasst.“

Wobei die Vorlage auch anmerkt, dass das ja nicht die gesamten Kosten sind. Denn die Erschließung des Grundstücks wird ebenfalls aus Strukturmitteln bezahlt: „Die Mittel für die äußere Erschließung in Höhe vom 6,5 Mio. € (verantwortlich LMBV, nachfolgend Gemeinde Großpösna) aus dem Fördertopf ‚Strukturwandel‘ wurden ausdrücklich bestätigt.“

Mit den neuen Kalkulationen wird nun der Förderantrag eingereicht. Eröffnen soll der Campingplatz nach bisherigen Planungen 2026.

Dass der SEB so operieren darf, bestätigte die Ratsversammlung am 18. Oktober mit 41:11 Stimmen.

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Wie hier mit Strukturfördermitteln umgegangen wird (+41% Baukosten in der Planungsphase) ist nicht zu fassen. Zumal die Struktur der Tagebauregion durch dieses Projekt nun mal so überhaupt nicht voran gebracht wird. Der Wegfall des Tagebaus und der Verstromung der Kohle wird durch die Schaffung von 15 Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderungen nicht im Ansatz “abgefedert”. Hier setzten sich Politiker ein Denkmal und wischen Bedenken der betroffenen Bevölkerung (siehe uferleben.de) bzgl Artenschutz, Umweltschutz, Landschaftsschutz ignorant von Tisch. Zu den derzeit 31 Mio EUR kommen ja noch sog. §4-Mittel der LMBV in derzeit geplanter Höhe von 8 Mio hinzu für die äußere Erschließung. ….Und die dann dort Arbeitenden sollen irgendwo aus Sachsen täglich an den Störmthlaer See gebracht werden, den das SEB wird den Betrieb sachsenweit ausschreiben, weil man selbst gar nicht in der Lage ist einen Campingplatz saisonal zu betreiben. Ob das dann klappt und der Betrieb nicht zu weiteren laufenden Verlusten führt hat bisher niemand beantwortet.

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