Am Nachmittag des 20. März trat Sachsens Kultusminister Dr. Roland Wöller zurück. Er zog damit die Konsequenz auf einem weiter geplanten Abbau von Lehrerstellen im sächsischen Schulwesen, obwohl schon jetzt gerade in Grund- und Mittelschulen der Unterricht nicht mehr abgedeckt werden kann. Das Versagen sehen die Oppositionspolitiker freilich eine Etage höher beim Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich.

“Hätte Roland Wöller vor einem halben Jahr so klar Partei ergriffen für Schüler, Lehrer und Eltern in unserem Land, wie heute in seiner Rücktrittserklärung wäre ihm breiteste Unterstützung sicher gewesen”, erklärt denn auch – einigermaßen enttäuscht – Annekathrin Giegengack, bildungspolitische Sprecherin von Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag. “Im Streit zwischen Kultusminister und Finanzminister hat sich Ministerpräsident Tillich klar auf die Seite von Georg Unland geschlagen und seinen Kultusminister und innerparteilichen Konkurrenten Wöller keinen anderen Ausweg gelassen als den Rücktritt. Tillich opfert die Zukunft unserer Kinder einem abstrakten Sparziel, das kein Mensch mehr versteht.”

Etwas strernger sieht Cornelia Falken, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, die Personalie: “Der Rücktritt ist überfällig, löst aber die Probleme im Bildungsbereich nicht. Jetzt muss der Ministerpräsident endlich seine Verantwortung wahrnehmen, seine Richtlinienkompetenz nutzen und für so viele regelmäßige Neueinstellungen sorgen, dass der drohende dramatische Lehrermangel an Sachsens Schulen verhindert wird.”

Ihre sportpolitische Faktionskollegin, Verena Meiwald, dazu: “Das Chaos, das derzeit im Kultusministerium um Bildungspaket und Lehrereinstellungen herrscht, ist durch den Kultusminister kaum noch zu bewältigen. Zunächst müssen hier die Probleme im Bildungsbereich gelöst werden.”

Auch für ihr Ressort sieht sie unüberwindbare Probleme: “Dem Stellenwert, den der Sport im Freistaat Sachsen eigentlich einnehmen sollte, konnten das Ministerium und an der Spitze der zurzeit gnadenlos überforderte Minister nicht mehr gerecht werden. Der Sport im Freistaat hat Besseres verdient. – Ich hoffe, dass mit der Zuständigkeit im Innenministerium dem Breiten- und Spitzensport in Sachsen wieder die volle Beachtung zukommt und eine bessere Verzahnung mit der Bundesebene möglich wird.”

Dr. Eva-Maria Stange, die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: “Der Rücktritt des Kultusministers ist konsequent, denn der Ministerpräsident hat ihn systematisch demontiert und damit den Schulen geschadet. – Das eigentliche Problem ist eine verfehlte Personalpolitik der Staatsregierung unter Führung von Ministerpräsident Tillich. Bleibt die Frage, wer nun den Karren aus dem Dreck ziehen soll? Die Schulen müssen weiter arbeiten und die Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf eine ordentliche Unterrichtsversorgung – auch in Zukunft.”

Ihre Sorge: “Auch nach dem Rücktritt bleibt die drängende Herausforderung nach Sicherung des Lehrerbedarfs im Freistaat. Herr Ministerpräsident, handeln Sie endlich, bevor Ihnen noch mehr Mitstreiter von Bord gehen!”

Und wer übernimmt nun das Ruder? Wer hat das dicke Fell, eine Politik gegen Kinder, Lehrer und Eltern zu machen und dabei keine Gewissensbisse zu spüren? Oder gar der Kabinettsmehrheit standhaft die Stirn zu bieten? – Eine völlig offene Frage,

Annekathrin Giegengack: “Unsere Forderungen an Wöllers Nachfolger – aber auch an Ministerpräsident Tillich und Finanzminister Unland – bleiben die gleichen. Das Bildungspaket muss finanziell untersetzt werden und die Lehrersituation grundsätzlich verbessert werden. Das Lavieren muss eine Ende haben”.

Gleichzeitig zum Rücktritt Wöllers gab es eine hektische Personalumbesetzung, über die Ministerpräsident Stanislaw Tillich das Kabinett am 20. März unterrichtete.

Die Liste der anberaumten Personalmaßnahmen:

– Prof. Dr. Jürgen Staupe, Staatssekretär im SMK, wurde mit Ablauf des 20.03.2012 in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

– Nachfolger wird Staatssekretär Herbert Wolff, der mit Wirkung vom 21.03.2012 vom SMUL in das SMK versetzt wurde.

– Ministerialdirigent Dr. Fritz Jaeckel, Leiter der Abteilung 2 – Ressortkoordinierung – in der SK, wurde mit Wirkung vom 21.03.2012 zum Staatssekretär ernannt und zum gleichen Zeitpunkt in das SMUL versetzt.

– Ministerialrat Rüdiger Ott, Leiter des Referates 31 – Bundesrat, MP-/CdS-Konferenzen – in der SK, tritt am 21.03.2012 die Nachfolge von Dr. Jaeckel als Leiter der Abteilung 2 – Ressortkoordinierung – in der SK an.

– Ministerialdirigent Prof. Dr. Rainer Wedekind, Leiter der Abteilung 1 – Zentrale Angelegenheiten – im SMWK, wird mit Wirkung vom 01.04.2012 an das SMK versetzt und zum Leiter der Abteilung 4 – Berufsbildende Schulen, Schulartübergreifende Angelegenheiten, Schulen in freier Trägerschaft – im SMK bestellt.

– Ministerialdirigent Matthias Hüchelheim, Leiter der Abteilung 1 – Haushalt, Organisation, Personal, Recht, Bedarfsplanung und Statistik – im SMK, wird mit Wirkung vom 01.04.2012 an das SMWK versetzt und zum Leiter der Abteilung 1 – Zentrale Angelegenheiten – im SMWK bestellt.

Das sieht schon nach einer systematischen Bestellung des widerspenstigen Ressorts aus. Ganz so, als wolle der Ministerpräsident das Kultusministerium fester an seine Staatskanzlei binden.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar