Wieviel Geld hat der Freistaat Sachsen eigentlich auf der hohen Kante? Ab und zu fragen das auch die Abgeordneten des Landtages mal nach. 2010 tat es die Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Antje Hermenau. Damals stand auch schon eine schöne Zahl in der Antwort des Finanzministers: 2,391 Milliarden Euro an Rücklagen hatte der Freistaat schon gebildet. Und zwar anhand der Zahlen für Ende 2009. Man ist recht genau und prüft lieber etwas länger, bevor man im Finanzministerium Zahlen herausgibt.

In der Summe steckten 832 Millionen Euro für den Garantiefonds Sachsen LB, 360 Millionen Euro Rücklagen für den Kommunalen Finanzausgleich (FAG) und 812 Millionen Euro Kassenverstärkungs- und Haushaltsausgleichsrücklage.

2012 war es der Sprecher für Haushalt und Finanzen der SPD-Fraktion, Mario Pecher, der vom Finanzminister die aktuellen Zahlen erfragte. Nicht nur die. Er wollte einen umfassenden Überblick über Vermögen und Schulden des Freistaates bekommen. Zum Vermögen gehören zum Beispiel Staatsbetriebe, Uni-Kliniken, Hochschulen, Stiftungen, die Staatsoper Dresden (140 Millionen Euro), der Forst (477 Millionen Euro), die technischen Bauwerke an Gewässern (1,67 Milliarden Euro), aber auch diverse Fonds.

Bei den Schulden hatte Pecher konkret nach den Kapitalmarktschulden gefragt – die sich erheblich von den offiziellen Gesamtschulden des Freistaates unterscheiden. Während die Gesamtschulden nach Auskunft von Finanzminister Georg Unland Ende 2012 11,676 Milliarden Euro betrugen, hatte der Freistaat direkt am Kapitalmarkt im Juni 2012 nur 9,131 Milliarden Euro Schulden.

Aber spannend war natürlich die Frage nach den Rücklagen. Waren sie abgeschmolzen, weil ja doch fleißig die Ausfälle für die Restbestände der Sachsen LB bezahlt wurden? Sind sie gewachsen? Und wenn ja, wie sehr? – Auch hier stammen die Zahlen wieder aus dem Vorjahr – in diesem Fall 2011.

Die Bürgschaftssicherungsrücklage scheint gegenüber der Auskunft von 2010 nur scheinbar deutlich zurückgegangen zu sein. 969 Millionen Euro umfasste sie damals, war aber in der Auskunft des Finanzministers schon aufgesplittet in 137 Millionen Euro für “sonstige Bürgschaften” und 832 Millionen Euro für die Sachsen LB. 2012 tauchen dann diese sonstigen Bürgschaften in Höhe von 197 Millionen Euro wieder auf – sind also deutlich angewachsen. Die Bürgschaft für die Ausfälle der Sachsen LB hat das Finanzministerium diesmal aber ausgegliedert. Sie taucht nicht mehr unter Rücklagen, sondern unter Fondsvermögen auf. Diesmal in einer Größenordnung von 1,121 Milliarden Euro – ist also 2011 auch deutlich aufgestockt worden.

Die “Kassenverstärkungs- und Haushaltsausgleichsrücklage” wuchs von 812 auf 910 Millionen Euro.Die Rücklage für den kommunalen Finanzausgleich war 2011 mit 177 hingegen deutlich geringer als 2009, als es 360 Millionen Euro waren. Und 2011 gab es wohl auch – anders als 2009 – keine Risikoausgleichsrücklage für die Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die 2009 noch mit 222 Millionen Euro abgebildet war.

So dass jener Posten, den Finanzminister Georg Unland 2009 unter Rücklagen summierte, sich 2011 auf 1,381 Milliarden Euro plus die Gelder aus dem Garantiefonds für die Sachsen LB belief – zusammen also 2,502 Milliarden Euro. (Gegenüber 2,391 Milliarden im Jahr 2009).

Tatsächlich müsste man hier auch den “Generationenfonds” mit aufführen – jenes große Sparkonto, auf dem der Freistaat die Gelder für die künftige Altersversorgung seiner Beamten anwachsen lässt. 2009 hatte dieser Fonds eine Größenordnung von 1,644 Milliarden Euro. Durch weitere Zuflüsse aus den Jahreshaushalten 2010 und 2011 ist er weiter angewachsen auf 2,720 Milliarden Euro.

So dass die Rücklagen, die der Freistaat allein nach den hier fest zu machenden Zahlen besaß, 2009 immerhin schon erstaunliche 4,035 Milliarden Euro betrugen. Bis Ende 2011 sind sie weiter angewachsen auf 5,222 Milliarden Euro. Und da der Generationenfonds Jahr für Jahr weiter aufgestockt wird, wird dieser Rücklagenberg auch weiter anwachsen – auch dann, wenn die Zahlungsausfälle für die ehemalige Sachsen LB immer schneller aufschlagen. Denn hier ist die sächsische Garantie bei 2,75 Milliarden Euro gedeckelt.

Dass der Freistaat es freilich bei solchen Finanzströmen jenseits des eigentlichen Haushalts nicht fertigbringt, die Verschuldung jährlich um mehr als 75 Millionen Euro zu senken, ist zumindest seltsam. Erst recht, weil die regierende CDU/FDP-Koalition die Sächsische Verfassung gern um eine “Schuldenbremse”, die eine Neuverschuldung untersagt, erweitern möchte. Dazu braucht sie eine Zweidrittel-Mehrheit im Landtag.

Doch die Grünen haben zumindest schon deutlich gemacht, dass sie ein starres Neuverschuldungsverbot für fiskalischen Unfug halten.

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Volkmar Zschocke, der Grüne-Landesvorsitzende: “Das von CDU und FDP vorgeschlagene totale Neuverschuldungsverbot ruiniert die öffentlichen Haushalte und ist das Gegenteil von Generationengerechtigkeit. Wir Grünen haben einen Vorschlag gemacht, bei dem Freistaat und Kommunen keine neuen Schulden auftürmen können, aber in schwierigen Haushaltssituationen handlungsfähig bleiben. Hier geht es nicht um ein Zugeständnis an die Opposition, sondern um schlichte Haushaltsvernunft. – Wer wirklich einen Konsens im Parlament will, kann nicht auf Konfrontationskurs gehen.”

Die Opposition im Landtag hat sich zu Verhandlungen zu einer Verfassungsänderung bereit gefunden, weil sie gegen das Zugeständnis einer “Schuldenbremse” ein paar Modernisierungen in der Verfassung unterbringen möchte: Dabei geht es um die Stärkung der direkten Demokratie, Umweltstaatsziele und Informationsfreiheit.

Aber egal, wie man es betrachtet: Es wirkt skurril. Es wirkt auch wie eine Entmündigung des Wählers, wenn einfach per Verfassung ein Verschuldungsverbot erlassen wird. Es wirkt auch wie eine freiwillige Autonomieaufgabe des Landtages, dem die Haushaltshoheit eigentlich obliegt. So ein Paragraph birgt eine Menge Möglichkeiten, das Budgetrecht künftiger Landtage auszuhebeln. Und es zementiert die Macht des Finanzministers, der schon jetzt mit Schattenhaushalten und wachsenden Fonds dem Land dringend benötigte Geldflüsse entzieht.

Die Auskunft von Finanzminister Georg Unland an Mario Pecher vom Dezember 2012: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=10122&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

Die Auskunft von Finanzminister Georg Unland an Antje Hermenau 2010: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=2442&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

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