Dass neben Johannes Lichdi (B90/Die Grünen) heute auch Klaus Bartl (Die Linke) zu einem Wortbeitrag über die Vorgänge um Lothar König ans Rednerpult trat, zeigt, dass die sächsische Opposition bei schwerem Seegang durchaus weiß, wer welches Ruder in die Hand nehmen muss. Und es gab weitere Backpfeifen für die Ermittlungsarbeit sächsischer Strafverfolgungsbehörden. Und viele bohrende Fragen seitens des linken Juristen zum Verlauf der Ermittlungen ebenso wie zum Zusammenspiel von Politik und Justiz.

Und Bartl ging zackig zur Sache. Die Aussetzung des Prozesses auf mindestens 4 bis 6 Monate, um das überraschend aufgetauchte, offenbar entlastende 200stündige Videomaterial zu bewerten, nennt er schlicht eine Bombe. Offenbar mitten hinein in die bisherige polizeiliche und staatsanwaltliche Ermittlungsarbeit. Und die immer wahrscheinlicher werdende Niederschlagung der Anklage gegen König würde ihn wohl kaum noch überraschen.

“Zum Einstieg in das Verfahren am 3. April 2013 legte die Verteidigung eine Erklärung vor, deren erster Satz lautete: `Das Verfahren ist von schweren, die Voreingenommenheit der Staatsanwaltschaft belegenden Fehlern und von massivem Amtsmissbrauch der Ermittlungsbehörden geprägt.` Stand dies hier noch als Verteidigermeinung vermeintlich unbelegt im Raum, streitet jetzt vieles für die Berechtigung des Vorwurfs”, so Bartl. Man könnte auch kürzer sagen – der Prozess scheint vom Kopf auf die Füße zu kommen – statt Aussagen und aufbereitetes Videomaterial Rohdaten, welche man nun urplötzlich zur Bewertung der Vorgänge auf der Anti-Nazi-Demo am 19. Februar 2011 vorliegen hat.

Der Rest sind wohl logische Folgen, welche so manch Anderen nun in arge Bedrängnis bringen könnten. Bartl weiter: “Zu prüfen wird sein, hat die Polizei das Videorohmaterial zu Teilen bewusst nicht vorgelegt bzw. nur die Sequenzen hieraus, die die Beschuldigung, dann die Anklage stützten. Oder hat die Staatsanwaltschaft trotz Kenntnis von der Existenz der ca. 200 Stunden umfassenden Bildrohmaterialien diese bewusst nicht ins Verfahren eingeführt?”
So oder so steht für Bartl fest, ohne vollständiges Material, kein ordentlicher Prozess. Oder im Juristendeutsch: ” … dass eine gravierende Verletzung des die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens ausmachenden Grundsatzes der Aktenvollständigkeit, ein Verstoß gegen § 147 StPO vorliegt, scheint notorisch.”

Der Rest seiner Rede eine einzige Frage. Ist auch besser zu fragen, wenn man lieber nicht behaupten möchte. Seine wohl wichtigsten zur Zeit neben der Sorge um das Außenbild der sächsischen Behörden bei einem so prominenten Fall: “Funktioniert im Freistaat Sachsen noch die durch die Strafprozessordnung vorgeschriebene Leitung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft, der ausdrücklich normierten Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass von Beginn des Verfahrens an Beweise in be- und entlastender Hinsicht gesichert werden müssen? Welchen Rechtsschutz genießen nach Maßstäben des rechtsstaatlichen Strafverfahrens völlig “unprivilegierte” Beschuldigte?”

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Und am gleichen Tag, an dem die Entscheidung im “Journalisten”-Prozess zugunsten der beiden nun endgültig freigesprochenen Journalisten aus der “Sachsensumpf”-Affäre gefallen ist, taucht der Spiegel gleich nochmals auf. Im Beitrag namens “Die Härte des Systems” hatte sich auch Lothar König geäußert. Was Bartl zu der Frage bringt: “Ist es zu gewagt, die These in den Raum zu stellen, dass die Rolle der sächsischen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden bzw. der Staatsanwaltschaft in der Sachsensumpfaffäre, der NSU-Affäre und im Prozess gegen Pfarrer König seine Gemeinsamkeit darin hat, dass in Sachsen Strafverfolgung nach Maßgabe der Erwartungshaltung von politisch-staatlichen Führungsebenen und des von diesen erzeugten Mainstream folgt und weniger an Geist und Buchstaben des Straf- und Strafprozessrechts orientiert ist?”

Harter Tobak, alles Vermutungen und Fragen aber auch ein Fingerzeig darauf, wie in demokratischen Systemen eine gewisse Hoffertigkeit und vorauseilender Gehorsam entstehen könnte. “Geht sächsisch deshalb so, weil eine ausreichende Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht seitens der zuständigen Ministerien, respektive der Staatsregierung, gegenüber Sicherheits- bzw. Ermittlungsbehörden bzw. Staatsanwaltschaft nicht gewährleistet ist und/oder der Einsatz von Führungspersonal nach dem Grundsatz der “Hoffähigkeit” erfolgt?” fragt Bartl.

Was wohl in den letzten und entscheidenden Quadranten des weiten Feldes rings um Lothar Königs Bekanntschaft mit der sächsischen Justiz führt. “Woraus erklärt sich die hartnäckige Fokussierung der Verfolgung Lothar Königs, beginnend schon im Vorfeld des 19. Februar 2011 durch die völlig unberechtigte Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung?”

Als ihm dies nicht nachgewiesen werden konnte, fand sich der neue Vorwurf, welcher bis heute “aufwieglerischer Landfriedensbruch” lautet. Optimisten sagen bereits lautete. Der Antrag auf Einstellung des Verfahren jedenfalls ist seitens der Verteidigung bereits gestellt.

In Kürze auf L-IZ.de (am 13. Juli 2013): Existiert das Problem für die CDU überhaupt oder ist alles bestens in des Freistaates Justiz?

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