Mit seiner "Polizeireform 2020", die eigentlich nichts anderes ist als eine rabiate Personalkürzung, hat sich Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) gründlich vergaloppiert. Schon ein halbes Jahr nach ihrer Umsetzung machen sich in Teilen Sachsens die Folgen negativ bemerkbar. Am Freitag, 20. September, lud die Gewerkschaft der Polizei zur Pressekonferenz und schlug Alarm.

Nicht nur Polizisten saßen mit am Tisch, sondern auch Vertreter der Kreishandwerkerschaft Görlitz und eine Vertreterin der Kfz-Innung Oberlausitz. Der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Hagen Husgen, verwies in seinem Eingangsstatement auf die aktuelle Situation in der sächsischen Polizei, die von Personalabbau, hohem Krankenstand und an Grenzen stoßende Belastung geprägt ist. Sachsens Polizisten erleben aktuell genau dasselbe, was auch Sachsens Lehrer erleben. Die Kürzungskonzepte beim Personal sind weder durchdacht noch durch Mindeststandards untersetzt. Was für die Polizisten im Einsatz zu einer dauerhaften Mehrbelastung führt, zu längeren Interventionszeiten und Dienstschichten, die längst denen von Bereitschaftsärzten ähneln. Die Mannschaft wird auf Verschleiß belastet. Nur den Innenminister scheint das nicht zu kümmern.

Für Husgen verstärkt sich in den letzten Wochen und Monaten das Gefühl, dass Positivmeldungen des Innenressorts den Eindruck erwecken sollen, es werde im Freistaat Sachsen alles getan, die Polizeiarbeit voranzutreiben, den Polizeiberuf attraktiver zu machen und den Freistaat als eines der sichersten Bundesländer zu erhalten.

“Es reicht nicht, zur Bekämpfung der Kriminalität verschiedene Fahndungsgruppen wie ‘Neiße’, ‘Elbe’ oder ‘Autobahn’ aus dem Boden zu stampfen und Fahrräder durch Leipzig radeln zu lassen, wenn im Vorfeld schon feststeht, dass das notwendige Personal aus den Beständen rekrutiert wird”, kritisiert Husgen diese amtliche Augenwischerei. Und nicht nur die Bürger des Freistaats merken, dass ihre Polizei immer mehr aus den öffentlichen Räumen verschwindet. Auch die kleinteilige Wirtschaft merkt es schon. Und da wird es dann teuer.

60 Prozent der Unternehmen des Landkreises Görlitz schätzen die Sicherheitslage mittlerweile als schlecht ein, 61 Prozent vermissen die polizeiliche Präsenz. Die Schäden, die durch Diebstahl und Vandalismus entstehen, seien durch die Handwerksbetriebe kaum noch zu stemmen, stellten die Wirtschaftsvertreter aus Ostsachsen fest.Von Polizei- und Wirtschaftsvertretern wurde am Freitag die klare Forderung ausgesprochen, den Personalabbau bei der sächsischen Polizei zu stoppen und sofort mit der Evaluierung der Reform “Polizei.Sachsen.2020” zu beginnen. Früher noch, als es gerade Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz gefordert hatte.

Die Polizeigewerkschaft startete am Freitag auch eine Plakataktion, mit welcher auf die Defizite in der sächsischen Polizei aufmerksam gemacht werden soll. Die ersten drei Großplakate wurden in Dresden und Chemnitz aufgestellt, die den Bürgern bildhaft zeigen, wie ihre Polizei derzeit kaputt geschrumpft wird. Mobil soll eines der Plakate in Leipzig unterwegs sein.

Die SPD-Fraktion reagierte noch am Freitag auf diese deutliche Ansage der Polizeibediensteten. “Wir unterstützen uneingeschränkt die Forderung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) nach einer sofortigen Evaluierung der Polizeireform”, erklärte Sabine Friedel, Sprecherin für Innen- und Rechtspolitik der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. “Bereits Ende 2011 hat die SPD-Fraktion die von CDU und FDP geführte Staatsregierung und insbesondere Staatsminister Ulbig aufgefordert, die Polizeireform auszusetzen. Denn nötig ist zunächst eine vollumfängliche Aufgabenkritik der sächsischen Polizei. Die Sicherheitspolitik nach Kassenlage muss sofort aufhören!”

Die am Freitag dargestellte Situation – sowohl innerhalb der sächsischen Polizei als auch innerhalb der Bevölkerung – zeige ein weiteres Mal die Richtigkeit der Forderung.

“Es müssen endlich valide Aussagen auf den Tisch”, fordert Friedel. “Was muss die sächsische Polizei zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger und unserer Rechtsordnung leisten? Kann sie unter den aktuellen Gegebenheiten dieser verantwortungsvollen Aufgabe überhaupt noch nachkommen? Statt eines von schönen aber leeren Worten geprägten Strategiepapiers, wie es die Staatsregierung Anfang Juli vorgelegt hat, brauchen wir endlich eine detaillierte Analyse: Wie viele Polizeibedienstete brauchen wir ehrlicherweise, um die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, ohne den Beamtinnen und Beamten immer mehr Aufgaben aufzubürden und sie damit zu verheizen? Diese Antwort bleibt Ulbig bis heute schuldig.”

Es sei verheerend, dass Staatsminister Ulbig noch Jahre abwarten will, bevor die dringend notwendige Evaluation – vielleicht – in Angriff genommen wird. Vage steht dafür das Jahr 2017 im Raum.

“Mit jedem weiteren Jahr setzt sich das Stellenabbaukonzept der Staatsregierung fort und scheiden weitere Polizistinnen und Polizisten aus dem aktiven Dienst aus”, stellt Friedel fest. “Die Leidtragenden werden einerseits die Polizistinnen und Polizisten sein, die immer mehr Aufgaben schultern müssen. Aber auch die Bürgerinnen und Bürger haben den Schaden, wenn dadurch unsere Sicherheit zunehmend gefährdet wird.”

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