Es ist eine ganz sensible Stelle. Und die CDU-Fraktion reagierte sofort, nachdem die Grünen-Fraktion ihre Stellungnahme zur Expertenanhörung im Innenausschuss veröffentlicht hatte. Der tagte am gestrigen Donnerstag, 5. September, und vertagte nicht nur das zusammengeschusterte neue Kommunalgesetz. Es ging auch um die Mandate zur Landtagswahl 2014 in Sachsen - direkt und indirekt. Da hat die sächsische CDU eine ganz besondere Haltung. Denn Direktmandate sind irgendwie besser.

Das Problem der Grünen: Die schwarzgelbe Koalition hat das neue Wahlgesetz schon vor der Sommerpause durchgezogen. Mit den geänderten Wahlkreisen, die im Zuschnitt Kandidaten der CDU bevorzugen. Christian Piwarz, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, sieht im Grünen-Vorstoß, das Verhältnis von Direktmandaten zu Listenmandaten zu verändern, den Versuch, die Zahl der für die CDU so wertvollen Direktmandate für die CDU zu mindern.

“Mit ihrer Gesetzesinitiative kommt die Grünen-Fraktion schlicht und ergreifend zu spät. Bereits vor der Sommerpause des Landtages wurde die Novellierung des Sächsischen Wahlgesetzes durch das Plenum beschlossen, das die Grundlage der kommenden Landtagswahl bildet”, sagt Piwarz. “Den Vorschlag der Grünen lehnen wir ab, da eine darin vorgesehene Ungleichbehandlung nicht in Frage kommt. Direktmandate haben für uns einen besonders hohen Stellenwert, da sie ein direktes Votum der Bürger abbilden. Trauen sich die Grünen etwa selbst nicht zu, Direktmandate zu gewinnen? Anders ist sonst dieser Gesetzesvorstoß nicht zu erklären.”

Die letzte Frage ist gut. Denn mit den bisherigen Wahlkreiszuschnitten lag für den Grünen-Landtagsabgeordneten Johannes Lichdi in Dresden die Chance durchaus in greifbarer Nähe, ein Direktmandat zu bekommen.

Aber hinter der grünen Gesetzesinitiative steckt ein anderes Problem. Denn mittlerweile reichen auch zu sächsischen Landtagswahlen oft schon 30 Prozent der Stimmen, um ein Direktmandat zu bekommen. Was es der stärksten unter den gewählten Parteien am leichtesten macht, alle 60 vergebenen Direktmandate zu erobern. 58 schaffte die sächsische CDU zur letzten Landtagswahl 2009. Da aber jede Partei, die die 5-Prozent-Hürde übersprungen hat, mit dem von ihr erreichten Ergebnis der Zweitstimmen im Landtag vertreten sein muss, werden die fehlenden Prozente mit sogenannten Überhangmandaten aufgefüllt.
Was den Landtag logischerweise aufschwemmt, denn die CDU hat ihren Stimmenanteil mit den gewonnenen Direktmandaten in der Regel schon deutlich übertroffen. Die Überhangmandate bekommt dann also die Opposition – und der Landtag, der eigentlich 120 Plätze umfasst, schwoll 2009 dann auf 132 Abgeordnete an.

Das Problem der Überhangmandate kennt auch der Bundestag. Auch dort wird schon seit Jahren darüber nachgedacht, wie man die Zahl der Überhangmandate mindern kann, um das Gremium im verfassungsmäßigen Rahmen zu halten.

Der Gesetzentwurf der sächsischen Grünen heißt denn auch “Sicherung der verfassungsrechtlichen Vorgabe zur Größe des Sächsischen Landtages”. Dazu wurden am Donnerstag, 5. September, die geladenen Experten angehört. Und Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, sieht im Ergebnis die grüne Position bestätigt: “Die beiden geladenen Sachverständigen haben unseren Gesetzentwurf unterstützt, weil auf dieser Grundlage mit hoher Wahrscheinlichkeit künftig im sächsischen Wahlrecht eintretende Probleme bereits jetzt gelöst werden können. Damit entfiele Nachsteuerungsbedarf wie im Bundestagswahlrecht. Wir fühlen uns daher in den Zielen unseres Gesetzentwurfs bestätigt.”

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Der Sachverständige Prof. Dr. Behnke, Zeppelin Universität Friedrichshafen, wies recht klar darauf hin, dass der Sächsische Landtag bei zukünftigen Wahlen mit einer weiteren Aufblähung über die bisherige Zahl von zwölf Überhang- und Ausgleichsmandaten rechnen muss.

“Die Analyse der Experten zeigt, dass wir bei der Reform des Landtagswahlrecht dringend handeln müssen”, sagt Jähnigen dazu. “Strategisches Stimmverhalten nimmt seit Jahren zu und verschärft das Problem von Überhang- und Ausgleichsmandaten. Deshalb müssen wir als Gesetzgeber jetzt handeln.”

Der Sachverständige und Wahlrechtsexperte Matthias Cantow von wahlrecht.de verdeutlichte die Folgen einer solchen dauerhaften Überschreitung der in der Verfassung vorgesehenen Regelgröße von Abgeordneten: “Es ist wahrscheinlich, dass bei einer weiteren Aufblähung des Landtags durch Überhang- und Ausgleichsmandate ein mögliches Wahlprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgericht Erfolg haben könnte.”

Für Jähnigen liegt der Handlungsdruck unübersehbar auf dem Tisch: “Die Sachverständigen haben in ihren Stellungnahmen deutlich gemacht, dass ein dauerhaftes Überschreiten der Regelgröße des Landtags durch Überhang- und Ausgleichsmandate keine Petitesse ist, sondern ein massives verfassungsrechtliches Problem. Unser Gesetzentwurf setzt genau da an. Wir wollen erreichen, dass diese Abweichung von der Regelgröße gar nicht erst entsteht und auf diese Weise ein rechtssicheres Wahlrecht gewährleisten.”

wahlrecht.de

Link zur Stellungnahme des Sachverständigen Matthias Cantow:
www.gruene-fraktion-sachsen.de/f2be28ee.l

Link zum Gesetzentwurf “Sicherung der verfassungsrechtlichen Vorgabe zur Größe des Sächsischen Landtags – Sächsisches Landtagsgrößensicherungsgesetz (SächsLtGSG)”, (Drs. 5/11105):
www.gruene-fraktion-sachsen.de/2ab923e6.l

Link zum Positionspapier der Fraktion:
www.gruene-fraktion-sachsen.de/d926362d.l

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