Hochklassiger Fußball kostet Geld. Nicht nur Zuschauer, Medien und Vereine greifen allwöchentlich ins Portemonnaie. Immer wieder ist es auch der Steuerzahler. Seit Wochen tobt eine Debatte um eine mögliche Beteiligung der Proficlubs an den Kosten von Polizeieinsätzen. Heute kündigte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) an, die Polizeipräsenz im Umfeld ausgewählter Partien zu minimieren. Für seinen sächsischen Amtskollegen Markus Ulbig (CDU) ist die Reduzierung der teils massiven Polizeiaufgebote vorerst keine Lösung.

Nordrhein-Westfalen ist nicht nur Deutschlands größtes Flächenland, sondern auch Fußball-Hochburg. Dortmund, Schalke, Mönchengladbach… Sechs Erst- und zwei Zweitligisten tragen im tiefsten Westen 231 Heimspiele aus. Das sind gut ein Drittel aller Partien, die in der Spielzeit 2014/15 angepfiffen werden. Hinzu kommen fünf Drittligisten und eine gesamte Regionalliga-Staffel.

Die Bereitschaftspolizei hat in NRW jedes Wochenende reichlich zu tun. “Bereits jetzt verwendet die Bereitschaftspolizei ein Drittel ihrer Einsatzzeit nur für die Sicherheit bei Fußballspielen”, erklärte NRW-Innenminister Ralf Jäger am Montag. “Machten wir weiter wie bisher, würde sich das nochmal deutlich erhöhen. Das kann ich dem Steuerzahler nicht mehr vermitteln.”

Zwischen Innenministerkonferenz, DFB und DFL herrschte bis Juli der Konsens, dass die Verbände und ihre Mitgliedsvereine als Veranstalter nicht für Polizeieinsätze zu belangen seien, die überwiegend außerhalb der Stadien stattfänden. Sichern die Beamten beispielsweise einen Fanmarsch ab, nehmen sie eine Aufgabe wahr, die in der Bundesrepublik der Polizei vorbehalten ist.

Am 23. Juli scherte Bremen aus. Die Hansestadt möchte den Liga-Verband künftig nach Risikospielen zur Kasse bitten. Die DFL kündigte sofort an, gegen den Kostenbescheid klagen zu wollen. Der DFB verlegte ein für November im Weser-Stadion geplantes Länderspiel prompt nach Nürnberg. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) kritisierte die Bremer Entscheidung. Das muss er. Schließlich möchte er am 31. August wiedergewählt werden.

Nun spielen in Sachsen erheblich weniger Teams im Profibereich. Das Sicherheitsproblem verlagert sich im Freistaat in tiefklassige Ligen. Der Zuschauerzuspruch fällt deshalb geringer aus. Aber: So verschieden Sachsen und Nordrhein-Westfalen auch sein mögen, so eint beide Länder, dass die Budgets von Land und Kommunen knapp bemessen sind.

Wenn Ulbigs Amtskollege Jäger heute von optimieren spricht, meint er – das steht zwischen den Zeilen – sparen. Nicht bei den brisanten Revierderbys. Nicht bei den Hass-Duellen zwischen Köln und Mönchengladbach. “Einsätze bei Risikospielen bleiben unangetastet. Gleiches gilt für das konsequente Vorgehen gegen Gewalttäter”, so Jäger.

Zunächst soll in einem Modellversuch vier Spieltage lang ausgelotet werden, ob die Überlegungen überhaupt zielführend seien. “Wir waren im Vorfeld nicht über entsprechende Konzepte informiert”, gab DFL-Präsident Reinhard Rauball in einer ersten Stellungnahme bekannt. “Die Überlegungen des nordrhein-westfälischen Innenministeriums sind aber im Grundsatz durchaus nachvollziehbar. Man wird sehen, zu welchen Ergebnissen der Pilot-Versuch kommt.” Jäger habe ihm versichert, dass sich die Polizei keineswegs aus dem öffentlichen Raum zurückziehen wolle. “Die Liga setzt in Sicherheitsfragen weiter auf einen konstruktiven Dialog mit der Innenministerkonferenz der Bundesländer”, erklärte Rauball.

Das sächsische Innenministerium weist auf die rechtlichen Risiken des Bremer Alleingangs hin. “Der Sport darf nicht ausgespielt werden. Wir brauchen Gespräche mit allen Beteiligten und Lösungen im Konsens”, teilte ein Pressesprecher mit. “Erste Vorschläge wie personalisierte Tickets gibt es bereits.” Bei der Frühjahrskonferenz der Innenminister hatten DFL und DFB signalisiert, dass personengebungene Eintrittskarten ein Bestandteil in einem Gesamtkonzept sein könnten.

Markus Ulbig gilt als Befürworter dieser Idee. Kritiker monieren die schwierige Umsetzbarkeit und sehen den Datenschutz verletzt. Kriminalitätsstatistiken lassen zweifelsfrei den Schluss zu, dass die allermeisten Stadiongänger in der Regel weder Opfer einer Straftat werden noch selber Straftaten begehen. Dies wirft zusätzliche Fragen nach der Verhältnismäßigkeit auf.

Die Fußball-WM in Brasilien dürfte den Kritikern vorerst Recht gegeben haben. Trotz personalisierter Billets florierte der Schwarzmarkt.

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